Einstieg bei Munich Re:China shoppt in Europa

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Der Einstieg Chinas in den weltgrößten Rückversicherer Munich Re könnte ein Fanal sein: Chinesische Investoren kaufen weltweit Firmen, geben Staaten Kredit - und erhalten Macht. Deutschland ist für Peking besonders interessant.

Catherine Hoffmann, Martin Hesse und Markus Zydra

Europa kann derzeit jeden Euro gebrauchen. Doch wenn das Geld aus China kommt, wird mancher sogleich misstrauisch. Kaufen sich die Chinesen im Zuge der Finanzkrise günstig in erfolgreiche westliche Unternehmen ein? Werden sie ihre ökonomische Macht politisch nutzen? Das Kapital dafür haben sie, die Devisenreserven der chinesischen Notenbank betragen 3200 Milliarden Dollar - das sind rund 2200 Milliarden Euro.

Ein chinesischer Drachen in Berlin. Peking will künftig verstärkt in Deutschland investieren. (Foto: AP)

Nur einen Bruchteil dieser Summe, 470 Millionen Euro, hat die People's Bank of China nun in den weltgrößten Rückversicherer Munich Re investiert. China hält damit drei Prozent an dem 1880 gegründeten Konzern und ist damit der zweitgrößte Eigentümer. Größter Aktionär der Munich Re ist mit mehr als zehn Prozent der Stimmrechte der legendäre US-Investor Warren Buffett.

Die chinesische Zentralbank ist der erste asiatische Großinvestor der Munich Re. Der Einstieg könnte ein Fanal sein. "China will seine Dollar-Reserven jetzt investieren, anstatt ihrem Wertverfall zuzusehen", sagt Stephan Goetz, Gründer und Partner der Beratungs- und Investmentbankingfirma Goetz Partners. Gerade Deutschland ist für China interessant.

Anfang August hat der chinesische Computerhersteller Lenovo den Aldi-Lieferanten Medion mehrheitlich übernommen, Mitte Juli schluckte der chinesische Staatskonzern Citic den Hildesheimer Produzenten von Aluminiumfelgen, KSM Castings. Die staatliche China Development Bank hat der angeschlagenen HSH Nordbank Anfang 2011 einen Kredit in Höhe von 500 Millionen Dollar gewährt, eine spätere Beteiligung an der Landesbank gilt als denkbar.

Bisher hatten chinesische Investoren nur kleinere deutsche Firmen gekauft, wie den Autozulieferer Saargummi. Doch nun geht es auch um größere Transaktionen", sagt Goetz. China hat sich bei großen Geschäften auch immer wieder gerne selbst ins Spiel gebracht, etwa als möglicher Teilhaber der WestLB und der Dresdner Bank. Ein großes deutsches Kreditinstitut in Händen der Chinesen? Das war damals und ist auch bis heute politisch wohl undenkbar.

Aber die Chinesen bleiben hart, so bekundet der Autobauer Baic immer wieder Interesse an Opel, doch die amerikanische Muttergesellschaft General Motors hat nun signalisiert, man wolle den Rüsselsheimer Konzern behalten.

China hat Europa im Visier

China interessiert sich schon länger für europäische Firmen, aber in den vergangenen sechs Monaten hat die Regierung den Schalter umgelegt. Sie gehen auf Einkaufstour", sagt Goetz.

In den vergangenen fünf Jahren hat China weltweit rund 218 Milliarden Dollar investiert, schätzt die amerikanische Heritage Foundation. Nach Europa flossen davon 34,8 Milliarden Euro, in die USA 28 Milliarden Dollar, nach Kanada und Südamerika 61 Milliarden Dollar. Auffallend hoch ist die Investitionssumme in Afrika und der arabischen Welt mit 70 Milliarden Dollar. In diesen Beträgen sind die Investitionen in Staatsanleihen nicht eingerechnet.

So ist China mit 1000 Milliarden Dollar der wichtigste Kreditgeber der USA. US-Außenministerin Hillary Clinton bekannte jüngst in einem Gespräch mit dem australischen Premierminister Kevin Rudd, als die Sprache auf China kam: "Wie soll man mit seiner Bank hart verhandeln?"

China gibt auch einigen Euro-Staaten Kredit und geriert sich dabei als Retter in der Not. China kauft seit Jahresbeginn portugiesische sowie griechische Anleihen und hat auch Infrastrukturprojekte angeschoben, etwa im Athener Hafen Piräus. Die Schuldenkrise in diesen Ländern eskalierte aber trotzdem.

Das chinesische Engagement, und wenn es nur gute Worte sind, folgt einer ökonomischen Ratio, aber auch einer politischen. Die EU-Kommission fürchtet, Peking übe Druck auf Mitgliedsstaaten aus, etwa damit deren Politiker gegen Strafzölle auf chinesische Billigwaren stimmen.

Bislang spiegelt die Aktionärsstruktur der Munich Re die wachsende Bedeutung Chinas nicht wider. Ein Viertel der Anteilseigner stammt aus Deutschland, gut 41 Prozent kommen aus dem übrigen Europa und 33 Prozent aus den USA. Das Unternehmen investiert seit Jahren hohe Beträge in Dividenden und Aktienrückkäufe, um potentielle Geldgeber anzulocken. Wenn Finanzchef Jörg Schneider auf Roadshow geht, reist er natürlich nicht nur in die USA oder nach Australien, dann steht auch China im Programm.

Das Geschäft der Rückversicherung in der Volksrepublik ist zwar noch klein, es wächst aber stark. "Wir erzielten 2011 rund 500 Millionen Euro Wachstum allein aus chinesischem Autoversicherungsgeschäft", sagte Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek vor wenigen Tagen auf einer Pressekonferenz zum aktuellen Geschäftsverlauf. Insgesamt beläuft sich das Volumen inzwischen auf eine Milliarde Euro. Von 25 Milliarden Euro gebuchter Bruttobeiträge stammten in der ersten Jahreshälfte 2,4 Milliarden aus der Region Australien und Asien.

© SZ vom 13.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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