Das EU-Parlament hat am Donnerstag in Straßburg seine Position zur umstrittenen E-Privacy-Verordnung festgelegt. Mit klarer Mehrheit entschieden sich die Abgeordneten für den Ansatz der sozialdemokratisch-links-grünen Fraktionen, der auf einen starken Datenschutz abzielt und auch von der EU-Kommission sowie von Verbraucherschutzverbänden befürwortet wird. Der Versuch von Konservativen und Christdemokraten, dies noch abzuschwächen, scheiterte. Vertreter der digitalen Wirtschaft äußerten sich enttäuscht.
Die Verordnung soll die neue Datenschutzgrundverordnung ergänzen. Während diese allgemein die persönlichen Daten der Verbraucher und Internetnutzer in der EU schützt, soll sie sich auf die Telekommunikationsdaten konzentrieren, die als besonders sensibel gelten und bisher schon besonders geschützt sind. Die entsprechende Richtlinie wird aber von Land zu Land anders umgesetzt.
Außerdem werden nun internetbasierte Kommunikationsdienste wie Whatsapp und Skype einbezogen. Für sie soll dasselbe hohe Schutzniveau wie für Telefonanbieter gelten. Daten über das Nutzerverhalten, die personalisierte Werbung ermöglichen, dürfen an Dritte, also Firmen wie etwa Google Analytics, nur weitergegeben werden, wenn die Kunden ausdrücklich zustimmen. Industrievertreter hatten gefordert, dass es ausreichen müsse, wenn die Anbieter ein "legitimes Interesse" geltend machten.
Weniger Tracking und ein Recht auf Verschlüsselung
Nach dem Willen des EU-Parlaments sollen die Nutzer künftig auch einfach signalisieren können, ob sie dem "Tracking", also dem Verfolgen ihres Verhaltens im Netz über mehrere Online-Angebote hinweg, zustimmen. Das sollte Teil einer von vornherein privatsphäre-freundlichen Grundeinstellung von Browsern und Smartphone-Betriebssystemen sein.
Zudem fordern die Abgeordneten ein Recht auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Daten. Sie soll "wo nötig" verpflichtend werden, ohne den Behörden eine Hintertür für Ermittlungszwecke oder Ähnliches zu öffnen. Mit diesem Vorschlag wird das Parlament nun in die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten eintreten, die sich noch nicht auf eine Haltung festgelegt haben. Anschließend müssen die beiden Institutionen zu einer Einigung finden.
Bei den Abgeordneten prallten zwei grundsätzlich verschiedene Positionen aufeinander. Auf der einen Seite stehen harte Datenschützer, die sich in der Pflicht sehen, den letzten Rest Privatsphäre gegen sammel- und vielleicht sogar manipulationswütige US-Internetgiganten zu verteidigen. Umfragen zeigten, dass die Bürger dem Tracking enge Grenzen setzen wollten, argumentiert der Europaabgeordnete Jan Albrecht (Grüne). Daran müsse sich die Politik halten. Telekommunikationsdaten ließen Rückschlüsse auf den gesamten Lebenswandel zu. Gelangten sie zu Versicherungen oder Werbetreibenden, könnte das für Verbraucher unangenehme Folgen haben. Es müsse Ziel der EU-Politik sein, weltweit starke Standards für Vertraulichkeit und Datenschutz vorzugeben. Das diene auch der eigenen Wirtschaft.
Ein CDU-Abgeordneter warnt vor "Digital-Gutmenschen"
Auf der anderen Seite stehen industriefreundliche Kräfte, die befürchten, dass eine überregulierte EU-Wirtschaft den globalen Anschluss verlöre. "Dann findet die Wertschöpfung eben überall statt, nur nicht mehr bei uns", warnt Axel Voss (CDU), der einen "Rückfall in die Achtzigerjahre befürchtet. Hier seien "Digital-Gutmenschen" am Werk, die weit über das Ziel hinausschössen. "Es geht nicht mehr um den Schutz von Kommunikation, sondern um den Schutz vor Kommunikation." Selbstlernende Algorithmen zum Beispiel seien auf riesige Datenmassen angewiesen, um lernen zu können, ebenso "Realtime-Übersetzungen". Europa werde nun um Jahre zurückfallen. Dabei sei es möglich, Datenschutz und Verwertungsinteresse miteinander zu vereinbaren.
In Deutschland hatten mehrere Vertreter der Medienbranche in den vergangenen Tagen heftige Kritik an der geplanten Verordnung geübt. RTL-Chefin Anke Schäferkordt warnte bei den Münchener Medientagen, die Regelung verhindere den Anschluss deutscher Medienunternehmen an den internationalen Wettbewerb, weil sich Konzerne wie Facebook, Amazon oder Google nicht an solch strenge Regeln zu halten hätten. Werbefinanzierte Angebote seien im Netz künftig kaum noch möglich, als Folge dürfte es künftig deutlich mehr Bezahlangebote geben, sagte Schäferkordt. Nach Ansicht des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger gefährdet das Vorhaben Deutschlands digitale Zukunft. Es drohten "dramatische Auswirkungen auf die Finanzierung von professionellem Journalismus in der digitalen Welt".