Bundeshaushalt:Peanuts für die Digitalisierung

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Das Gegenteil von Digitalisierung: Aktenberge in einer Behörde. (Foto: imago stock&people)

Die Ampel wollte die Verwaltung digital machen, das Bundesinnenministerium streicht aber nun den dafür geplanten Etat für 2024 deutlich zusammen. Wie geht das zusammen?

Von Tobias Bug und Carim Soliman

Es hat schon oft gekracht in der Ampelkoalition: Bei der Migration, bei der Heizungswende, beim Verbrenner-Aus. Und auch zwischen Bund und Ländern knirscht es beim Thema Geld regelmäßig. Worauf sich hingegen bisher alle einigen konnten: Die behäbige deutsche Verwaltung muss schleunigst digitalisiert werden. Einen "lernenden und digitalen Staat" verspricht der Koalitionsvertrag von 2021, "der vorausschauend für die Bürgerinnen und Bürger arbeitet." Nur wie soll das gehen ohne das nötige Geld?

Das zuständige Bundesinnenministerium (BMI) will den Gürtel bei der Digitalisierung im kommenden Jahr deutlich enger schnallen. Nur 3,3 Millionen Euro sind im Haushaltsentwurf für 2024 vorgesehen, um Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. Weniger als ein Prozent der für das laufende Jahr bereitgestellten 377 Millionen Euro. Darüber berichtete zuerst die FAZ am Mittwoch, auf Anfrage der SZ bestätigte das BMI die Zahlen.

Das BMI wundert sich über den Unmut

"Man wünscht sich, es wäre ein schlechter Witz, liebe Ampel", schreibt Karin Prien, Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein dazu auf Twitter (neuerdings X). Ihr Bundesland ist Vorreiter bei der Online-Beantragung von Wohngeld und sollte ein entsprechendes Konzept für andere Länder entwickeln. Blieben weitere Gelder vom Bund aus, wie es der knappere Haushaltsplan vermuten lässt, sei die Umsetzung allerdings nicht mehr sicher, sagte Dirk Schrödter, Chef der Kieler Staatskanzlei, gegenüber der FAZ.

Im BMI zeigt man sich verwundert über diesen Unmut. Die Umsetzung des Online-Wohngeldes mit Verweis auf fehlende Mittel aus dem Bund aufzukündigen, sei "ein interessanter Move", heißt es aus Ministeriumskreisen. Schließlich hätte man in Kiel von Anfang an gewusst, dass die Ausgaben in ihrer aktuellen Form zeitlich begrenzt seien. Von einer Kürzung könne keine Rede sein, sagt eine BMI-Sprecherin, eher von einer Rückkehr zur Norm. In den vergangenen Jahren seien wegen der Corona-Pandemie für die Digitalisierung der Verwaltung "gesondert" Mittel zur Verfügung gestellt worden.

Unterm Strich investiere man im nächsten Jahr in demselben Umfang in die Digitalisierung, versichert das BMI. Man würde neben den veranschlagten 3,3 Millionen Euro zusätzlich nicht ausgegebenes Geld aus dem Jahr 2023 nutzen. Näher darauf eingehen, wie viel Geld genau übrig ist und an welcher Stelle, wollte das BMI nicht.

Deutschland hinkt bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich hinterher

Die Modernisierung der Verwaltung ist seit Jahren Dauerthema. 2017 hatte die Große Koalition mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) der Großen Koalition Bewegung in die Sache bringen wollen. 575 Leistungen sollten Bürgerinnen und Bürger künftig unkompliziert am Computer in Anspruch nehmen können - bis spätestens 2022. Doch auch ein Jahr nach Fristende ist nicht mal ein Viertel der Leistungen digitalisiert: Im Mai dieses Jahres waren es 126. Wer einen Personalausweis beantragen oder ein Auto zulassen will, muss sich weiter durch komplizierte Anträge quälen. Bei der digitalen Verwaltung hinkt Deutschland international weiter hinterher. Im entsprechenden Ranking der EU-Kommission belegt die Bundesrepublik nur den 18. Platz.

Und eine zeitgemäße Antragsstellung ist längst nicht die einzige digitale Baustelle hierzulande, für die im kommenden Jahr weniger Geld zur Verfügung steht. Das Projekt "Digitale Identitäten" beispielsweise zielt auf einen Ausweis im Smartphone ab. 2023 sah der Bund dafür 60 Millionen Euro vor, 2024 sollen es nur noch 40 Millionen sein. Im Rahmen der "Registermodernisierung" sollen Datenbanken aus Bund, Ländern und Kommunen zusammengeführt werden. So können Behörden sich vernetzen und gegebenenfalls selbst Daten anfragen, statt Bürger von einem Amt zum nächsten zu schicken. Hierfür sind im neuen Haushaltsplan nur noch 73 statt 80 Millionen Euro vorgesehen.

Hierzulande habe jede kommunale Verwaltung, jedes Amt ein eigenes Antragssystem, sagt Jan Oetjen, Geschäftsführer der E-Mail-Anbieter Web.de und GMX, es brauche endlich eine Vernetzung. "Diese Kleinkriege zwischen Bund, Ländern und Kommunen, auch bei der Finanzierung, müssen endlich aufhören." Die Leidtragenden seien die Bürger, die Unternehmen und die IT-Sicherheit. "Kürzungen bei der Digitalisierung sind teuer gespartes Geld", Digitalisierung sei kein Selbstzweck, sondern helfe dabei, die Verwaltung günstiger, einfacher und sicherer zu machen.

Auch innerhalb der Ampelfraktion ist der Etat für die Digitalisierung ein Streitthema. Mike Außendorf, Digitalpolitischer Sprecher der Grünen, findet die Budgetplanung des Innenministeriums "einigermaßen überraschend. Das ist eine ganz falsche Stelle, um zu kürzen." Er werde sich in den anstehenden Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen, dass die Kürzungen zurückgenommen werden.

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