Gewerkschaften:Steinmeier wirbt für starke Bundeswehr

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Frank-Walter Steinmeier wird beim DGB-Bundeskongresses herzlich empfangen. Doch der Bundespräsident hat ein paar unangenehme Botschaften für die Gewerkschafter.

Von Roland Preuß, Berlin

Man ist hier unter Freunden, das macht Reiner Hoffmann gleich deutlich. "Sie waren und sind uns immer ein willkommener Gast", sagt der DGB-Chef in Richtung des Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier nickt erfreut, er wird gleich ebenfalls freundliche Worte finden, allerdings auch für ein Thema, das er anders sieht als die versammelten Gewerkschafter.

Sonntag, Berlin-Neukölln: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat zu seinem Bundeskongress geladen. Es gilt, in den drei Tagen bis Dienstag eine Nachfolgerin für Hoffmann zu wählen, aller Voraussicht nach Yasmin Fahimi. Es gilt, Kanzler Olaf Scholz zuzuhören, allerlei zu diskutieren und Anträge zu verabschieden. Und all das überschattet vom "verbrecherischen Angriff Russlands auf die Ukraine", wie Hoffmann es formuliert. Es sei ein "menschenverachtender Krieg", sagt Hoffmann. Nur: Was folgt daraus in Deutschland?

Die Multimedia-Schau auf der Bühne macht bereits deutlich, in welche Richtung die DGB-Spitze denkt: Es gibt Fotos der Friedensbewegung zu sehen, Transparente für Abrüstung, gebrochene Gewehre, Friedenstauben. Sicher, es taucht auch das Leid in der Ukraine auf, der Schrecken des Krieges, die Geflüchteten. Klar aber ist: Man hat die vielen gemeinsamen Demos für Abrüstung nicht vergessen - und hält am Ziel fest. Hoffmann hatte kürzlich in seiner Rede zum Tag der Arbeit am 1. Mai gesagt: "Deshalb bleibt es dabei: Wir sagen Nein zur massiven Aufrüstung." Die Gewerkschafter treibt die Sorge um, dass Milliarden fortan ins Militär fließen statt in den Umbau der Wirtschaft, in Sozialleistungen oder Arbeitnehmer-Fortbildung.

Frank-Walter Steinmeier aber, der ehemalige Außenminister, versucht den etwa 400 Delegierten neue Notwendigkeiten nahezubringen, in aller Freundschaft - und in der Sprache der Gewerkschaften. Dieser Krieg sei "ein Bruch mit vielem, was uns selbstverständlich erscheint", sagt der Bundespräsident in seiner Rede. Es sei ein "Epochenbruch". Der Angriff auf die Ukraine sei auch ein "Angriff auf die Idee der liberalen Demokratie". Nun gelte es die Demokratie zu schützen, nach innen wie nach außen.

Damit kommt der Bundespräsident zu anderen Schlussfolgerungen als der DGB. Solidarität bedeute, dass Deutschland die Türen offen halte für Verfolgte wie ehemalige Holocaust-Überlebende aus der Ukraine. Aber sie bedeute eben auch, den Ukrainern bei der Verteidigung gegen Russland zu helfen. Und, so Steinmeier: "Wir brauchen auch moderne Streitkräfte und eine besser ausgerüstete Bundeswehr." Denn, so sagt er mit Blick auf das skrupellose Vorgehen von Russlands Präsident Wladimir Putin: "Erfolgreich verhandeln lässt sich nur aus einer Position der Stärke." An keiner dieser Stellen gibt es Applaus für den Bundespräsidenten. Mehr Stärke würde ja mehr Rüstung bedeuten.

Steinmeier tut dies nicht, ohne Brücken zu bauen hin zum neuen vorherrschenden Kurs in Berlin. Eine solch existenzielle Frage wie die nach der richtigen Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands verlange Kontroversen, sagt er, also Gegenstimmen, die sich bitteschön artikulieren sollten - so wie der DGB. Die DGB-Spitze bereitete einen Antrag vor, in dem das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr als "nicht sinnvoll" abgelehnt wird. Auch vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato halte man nichts, hieß es da. Ob der Antrag auch so beschlossen werden soll, blieb am Sonntag allerdings noch unklar.

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