Wirtschaftswachstum:Deutschland schrammt an einer Rezession vorbei

Weltwirtschaft: Voll beladenes Containerschiff

Der Seehandel bildet immer noch das Rückgrat des internationalen Warenverkehrs.

(Foto: Viivek Prakash/AFP)
  • Im dritten Quartal dieses Jahres wächst die deutsche Wirtschaft wieder und entgeht knapp einer Rezession.
  • Insgesamt gab es im vergangenen Jahr ein Wachstum von 1,5 Prozent - 2019 wird es wohl nur zu einem halben Prozent reichen.

Von Alexander Hagelüken

Die Bundesrepublik schrammt dem Statistischen Bundesamt zufolge knapp an einer Rezession vorbei. Von Juli bis Oktober wuchs die Wirtschaft um 0,1 Prozent. Wäre sie wie im zweiten Quartal geschrumpft, wäre Deutschland erstmals seit sieben Jahren offiziell in eine Rezession gerutscht - definiert als zwei Quartale Minus hintereinander. Wirtschaftsforscher sehen jetzt positiver in die Zukunft.

"Das ist ein Hoffnungsschimmer", sagt Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des Ifo-Instituts. "Erst verbesserten sich die Erwartungen, und jetzt verbessert sich auch die Konjunktur." In jedem Fall entwickelt sich die Volkswirtschaft nach einem langen Boom mit Jobrekorden in diesem Jahr nur mau.

Noch im vergangenen Jahr wuchs die deutsche Wirtschaft um 1,5 Prozent. 2019 dürfte es nur zu einem halben Prozent reichen, wenn die Lage sich wie erwartet in den kommenden Monaten bessert. Das Statistische Bundesamt revidierte am Donnerstag die Zahl fürs zweite Quartal: Statt um 0,1 Prozent schrumpfte die Wirtschaft zwischen April und Juli um 0,2 Prozent.

"Wir haben eine gespaltene Konjunktur", sagt Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut. "Bei Bau und konsumnahen Dienstleistern gibt es so gut wie keine Schwäche." Die Produktion dagegen falle seit einem Jahr, weil die Industrie in den Sog der Weltwirtschaft mit dem Handelsstreit geraten sei. Außerdem wirkt sich der starke Fokus auf die Autoindustrie aus. "Der Übergang zur Elektromobilität verändert vieles und bringt etablierte Zulieferer in Schwierigkeiten." Deutschland ist besonders von der Schwäche der Industrie betroffen, weil die ein Viertel der Wirtschaftsleistung stellt - in der übrigen EU ist es nur ein Sechstel.

Für die Zukunft zeigt sich Wollmershäuser vorsichtig optimistisch. Zuletzt seien sowohl die Geschäfts- als auch die Exporterwartungen nach längerer Skepsis wieder gestiegen. "Die Industrie dürfte nicht mehr lange schrumpfen. Wir sehen ein gewisses Licht am Ende des Tunnels."

Auch Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Düsseldorfer IMK-Institut sieht bessere Aussichten. Nach einer längeren Stagnation komme es 2020 zu einer Erholung. Mit nur 0,7 Prozent Wachstum liegt er aber am unteren Rand der Prognosen. Die konjunkturelle Aufhellung hänge davon ab, dass sich die Risiken eines harten Brexit und des Handelskonflikts der USA mit China auflösten. Geschehe das nicht, drohe ein Rückprall.

Doch auch Risiken für das deutsche Wirtschaftswachstum bestehen weiter

Ein weiteres Risiko besteht, wenn US-Präsident Donald Trump tatsächlich Strafzölle auf europäische Autos verhängt, was er dieser Tage entscheiden wollte. Falls der Handelskrieg eskaliert, trifft das die deutsche Wirtschaft stark. Und falls die deutschen Exporte durch einen harten Brexit 2020 um ein Viertel einbrechen, kostet das laut Ifo 0,3 bis 0,4 Prozent Wachstum.

Dullien fordert die Bundesregierung auf, wegen der Gefahren zu handeln. "Anbieten würde sich etwa die Lockerung des Zugangs zu Kurzarbeit oder Regeln zu steuerlichen Sonderabschreibungen der Firmen. Diese Maßnahmen würden stabilisieren, ohne Schaden anzurichten, wenn die Rezession schwächer ausfällt." Mittelfristig wäre ein großes Investitionsprogramm zur Modernisierung der Infrastruktur einschließlich der Dekarbonisierung der Wirtschaft gut. "Dies würde Profiterwartungen erhöhen und für Planungssicherheit bei den Unternehmen sorgen." Wollmershäuser dagegen findet, die Regierung tue schon sehr viel: "Der Staat gibt einen Großteil seiner Überschüsse für Investitionen, zusätzliche Sozialausgaben und Steuerentlastungen aus." Das sorge für den größten Teil des Wachstums in diesem Jahr.

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