Debatte um Luftverkehrssteuer:Unnötige Kritik am "giftigen Wirkungsdreieck"

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Vor anderthalb Jahren wurde im deutschen Luftverkehr eine Ticketssteuer eingeführt. Fast eine Milliarde Euro hat die Abgabe seitdem in die Staatskasse gespült. Fluggesellschaften sehen hingegen ihre Gewinne gefährdet. Das Bundesfinanzministerium hat jedwede Kritik nun scharf zurückgewiesen.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Einen kurzen Moment lang hatte es in dieser Woche so ausgesehen, als habe sich die jahrelange beharrliche Arbeit von Klaus-Peter Siegloch endlich bezahlt gemacht. Die Ticketsteuer, die den obersten Lobbyisten der deutschen Luftfahrtindustrie in Berlin so ungemein stört, gehöre auf den Prüfstand, Änderungen seien "nicht auszuschließen", erklärte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer nach einem Treffen mit Branchengrößen, darunter Lufthansa-Chef Christoph Franz. Zusammen mit Nachtflugverboten und der Einbeziehung der Airlines in den CO2-Emissionshandel bilde die Luftverkehrsteuer ein "ganz besonders giftiges Wirkungsdreieck".

Dumm nur für die Konzerne, dass das nicht jeder so sieht - insbesondere der für die Steuer zuständige Minister Wolfgang Schäuble nicht. Das ergibt sich aus einem internen Positionspapier des Finanzministeriums, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin kommt Schäubles Haus zum Schluss, dass die Einführung der Ticketsteuer vor eineinhalb Jahren zwar einen leicht dämpfenden Effekt auf die Passagierzahlen in Deutschland gehabt haben könnte.

Darüber hinaus gebe es aber viele weitere Faktoren, die für die Branche weitaus belastender seien. Dazu zähle neben Flughafen- und Sicherheitsgebühren vor allem der Kerosinpreis, der 2011 im Durchschnitt 40 Prozent höher gelegen habe als ein Jahr zuvor.

Seit dem 1. Januar vorigen Jahres müssen die Airlines für ihre Gäste Steuern zahlen. Die Sätze lagen zunächst je nach Länge der Flugstrecke bei acht, 25 und 45 Euro. Weil die Branche mittlerweile am CO2-Zertifikatehandel teilnehmen muss, sanken sie 2012 auf 7,50 Euro sowie 23,43 und 42,18 Euro. Die Steuer, die Teil des 2010 von der Koalition vereinbarten Programms zur Haushaltssanierung ist, spülte im vergangenen Jahr 959 Millionen Euro in die Staatskasse.

Airlines kämpfen mit geringen Gewinnmargen

Da Lufthansa, Air Berlin und andere Anbieter ohnehin mit geringen Gewinnmargen zu kämpfen haben, überwälzten sie die Kosten teilweise auf die Kunden. Branchenprognosen, wonach die Anzahl der Passagiere wegen der neuen Abgabe im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent sinken werde, bestätigten sich aber nicht - ganz im Gegenteil: Sie stieg sogar um fünf Prozent. Mittlerweile argumentieren die Anbieter, dass die Zahl noch besser gewesen wäre, hätte es die Steuer nicht gegeben. Eine Behauptung, die sich naturgemäß schwer beweisen lässt.

Laut Finanzministerium gibt es auch keinerlei Hinweise darauf, dass zahllose Reisende - wie von der Branche vorhergesagt - auf ausländische Flughäfen ausweichen. Die Regierungsbeamten untersuchten dazu die Entwicklung des Passagieraufkommens auf den niederländischen Airports Maastricht und Eindhoven, die vergleichsweise nah zum Rheinland und zum Ruhrgebiet liegen. Demnach ergeben sich beim Vergleich der Zahlen von 2011 mit denjenigen der Vorjahre keine Auffälligkeiten: Vielmehr fielen die Zuwachsraten mit plus 26 Prozent in Eindhoven und plus 39 Prozent in Maastricht in den ersten acht Monaten 2011 exakt so hoch aus wie im Vorjahr.

Eine Abwanderungswelle ist aus Sicht des Ministeriums auch deshalb unwahrscheinlich, weil trotz Steuer die Ticketpreise in Düsseldorf, Köln/Bonn, Bremen und Weeze keineswegs grundsätzlich höher seien als in Eindhoven und Maastricht. "Das Gegenteil scheint eher der Fall zu sein", heißt es in dem Papier. Hinzu komme, dass von beiden niederländischen Airports nur Kurzstreckenflüge abgingen. Setze man die Steuer von 7,50 Euro zu den Anreisekosten und den deutlich höheren Parkgebühren ins Verhältnis, mache ein Ausweichen ins Nachbarland finanziell schlicht keinen Sinn.

Im Juni will das Ministerium einen ausführlichen Bericht zu den Auswirkungen der Luftverkehrsteuer vorlegen.

© SZ vom 26.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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