Steuerskandal:Gericht verurteilt Cum-Ex-Banker zu langen Haftstrafen

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Müssen für mehrere Jahre ins Gefängnis und empfindliche Summen zahlen: Ex-Manager der insolventen Maple Bank am Landgericht Frankfurt. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Das Landgericht Frankfurt verhängt im Prozess um die Geschäfte der insolventen Maple Bank Haftstrafen gegen die Angeklagten. Nur einer von ihnen kann sich freuen.

Von Jan Diesteldorf, Frankfurt

Mehr als eineinhalb Jahre hat der Prozess gedauert am Landgericht Frankfurt, an 57 Verhandlungstagen nahm die Strafkammer um den Vorsitzenden Richter Werner Gröschel die kriminelle Vergangenheit einer unbekannten Bank auseinander. An diesem Montag, Verhandlungstag 58, sprach der Richter das Urteil gegen die frühere Führungsriege der Maple Bank, einst Zweigstelle einer kanadischen Bankengruppe in Frankfurt und tief verstrickt in den größten Steuerskandal der Geschichte der Bundesrepublik. Steuerschaden nach Feststellung des Gerichts: mehr als 370 Millionen Euro. Eine gigantische Summe für die winzige Bank, ein komplizierter Fall, ein anspruchsvoller Prozess.

Nun muss erstmals ein ehemaliger Bankchef wegen dieser Cum-Ex-Geschäfte zulasten der Staatskasse ins Gefängnis. Wolfgang Schuck, 69, langjähriger Geschäftsführer der seit 2015 insolventen Bank, erhielt wegen Steuerhinterziehung vier Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe, wobei das Gericht unter anderem seinen schlechten Gesundheitszustand und die lange Verfahrensdauer strafmildernd berücksichtigte. Darüber hinaus soll er eine Geldstrafe von 96 000 Euro zahlen, weitere 2,9 Millionen Euro aus seinem Vermögen werden eingezogen. Ein anderer früherer Geschäftsführer wurde zu vier Jahren und zwei Monaten Haft plus Geldstrafe verurteilt, bei ihm werden mehr als eine Million Euro eingezogen. Ein dritter Angeklagter, einst am Handelstisch der Bank tätig und für die Cum-Ex-Geschäfte mitverantwortlich, soll wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Freuen kann sich nur der vierte Angeklagte - über besondere Milde

Freuen kann sich nur der vierte Angeklagte. Er hatte frühzeitig bei den Ermittlern ausgepackt und sein Wissen geteilt, sich und andere belastet und seine Aussagen vor Gericht wiederholt. Ihn verurteilte die Kammer zu zwei Jahren auf Bewährung. Weil er so enorme Boni kassiert hatte, werden bei ihm knapp 5,8 Millionen Euro als Taterträge eingezogen. "Ihr Geständnis ist für das gesamte Verfahren von zentraler Bedeutung gewesen", sagte Richter Gröschel in Richtung des Angeklagten, "das hat einen ganz besonderen Strafnachlass zur Folge."

Es ist ein Signal an viele der deutschlandweit mittlerweile mehr als 1500 Beschuldigten in Sachen Cum-Ex: Wer wie er frühzeitig den Ermittlern mit seinem Wissen helfe, der könne auf Milde hoffen, sagte Gröschel. Wer bis zuletzt zu erklären versuche, er habe von nichts gewusst, müsse mit einem anderen Ausgang rechnen. Er verwandte viel Zeit auf diese Erklärung, denn das muss man ja verständlich machen: Warum da jemand, der sich an einer industriell organisierten Steuerhinterziehung mit einem Schaden in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe beteiligt hat, am Ende auf freiem Fuß bleiben darf. "Aufklärungshilfe" heißt das in der Justiz, und die ist in Sachen Cum-Ex entscheidend.

Schon im ersten Cum-Ex-Strafprozess am Landgericht Bonn hatten die beiden angeklagten Ex-Banker trotz gewaltiger Schadenssummen nur Bewährungstrafen erhalten. Auch sie hatten den Ermittlern zuvor tiefe Einblicke gegeben. Hatten erklärt, wie es funktionierte, als sie sich in den Jahren 2006 bis 2011 bei Aktiengeschäften Steuern auf Kapitalerträge anrechnen oder ausschütten ließen, die zuvor niemand gezahlt hatte. Es war ein groß angelegtes Verwirrspiel zulasten der Steuerzahler, das die deutschen Steuerzahler mehr als zehn Milliarden Euro gekostet haben soll.

Bald geht es spektakulär weiter: Freshfields-Anwälte kommen vor Gericht

Im Fall der Maple Bank galt dieses Verwirrspiel als besonders dreist. Angeklagt waren insgesamt vier Fälle von Steuerhinterziehung, 2006 bis 2009, in denen die Beteiligten Aktien im Kreis handelten und die Staatskasse abzockten. Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hatte im Dezember 2019 insgesamt acht Verdächtige angeklagt, Schuck und ein weiterer früherer Geschäftsführer der Bank waren zwischenzeitlich in Untersuchungshaft und seit März 2020 jeweils gegen Kaution wieder frei. Die Bank war vor sieben Jahren wegen der Rückforderungen der Finanzbehörden pleitegegangen. Allein wegen der hohen Schadenssumme galt der Komplex Maple als einer der bislang spektakulärsten Cum-Ex-Fälle.

Das wird er auch bleiben, denn im Schwurgerichtssaal des Frankfurter Landgerichts stand mit der großen Anwaltskanzlei Freshfields an fast allen Verhandlungstagen sprichwörtlich ein Elefant im Raum. Zwei von deren Steuerrechtlern, darunter der langjährige globale Chef der Steuerrechtspraxis Ulf Johannemann, waren ursprünglich mitangeklagt. Ihr Verfahren ist abgetrennt worden. Sie hatten die Cum-Ex-Geschäftsmodelle der Maple Bank mehrmals als steuerrechtlich zulässig begutachtet. Bald steht in Frankfurt also ein weiteres erstes Mal an: Die ersten Steueranwälte kommen wegen ihrer Cum-Ex-Gutachten vor Gericht.

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