Celonis:Deutsche KI-Firma ist jetzt elf Milliarden Dollar wert

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Erfolgreiche Gründer: Die Chefs des Software-Unternehmens Celonis (v. l.) Bastian Nominacher, Alexander Rinke und Martin Klenk. (Foto: Ansgar Pudenz/oH)

Celonis aus München sammelt eine Milliarde Dollar an Investorengeld ein und holt einen profilierten IT-Sicherheitschef. Die Gründer haben ein klares Ziel.

Von Helmut Martin-Jung

Es liegt sicher nicht nur daran, aber vielleicht ist ein Grund für den nahezu märchenhaften Aufstieg der Münchner Software-Firma Celonis, dass ihre drei Gründer recht einfach erklären können, was sie mit ihrer eigentlich ziemlich komplizierten Software machen. Nicht ganz unwichtig, wenn man die Chefs großer Kunden überzeugen will. Mittlerweile nutzen schon mehr als 2000 Firmen die Software des erst 2011 gegründeten Unternehmens, dazu kommen noch Partner wie etwa Unternehmensberater, die ebenfalls mit der Celonis-Software arbeiten. Und jetzt haben die drei Gründer eine weitere Finanzierungsrunde angekündigt: Von Investoren sammelten sie eine Milliarde Dollar ein. Celonis ist damit elf Milliarden Dollar wert - ein großer Erfolg für das junge Unternehmen.

Aber was macht nun diese Firma? "Man kann sich Celonis vorstellen wie Chiptuning für einen Motor", sagt Mitgründer und Co-Vorstandschef Bastian Nominacher. Der Verbrennungsmotor mit Vergaser, Einspritzpumpe, Zündkerze, Kolben, Antriebswelle und so weiter, er repräsentiert in diesem Beispiel die zersplitterte IT-Landschaft in Firmen. Zehn, zwanzig, gerne auch mal mehr verschiedene Systeme werkeln da nebeneinander her, sind aber nicht verbunden. "Wir docken daran live an, bilden quasi eine intelligente Schicht darüber."

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Nach solchen Lösungen suchen viele Unternehmen gerade mit Hochdruck. Ihnen ist klar, dass es an manchen Stellen Reibungsverluste gibt - aber wo? Die Celonis-Software beschränkte sich anfangs darauf, mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) die wunden Punkte bloß zu zeigen. Doch mittlerweile haben die Münchner bereits die sechste Version herausgebracht. Und die kann längst mehr. Sie kann Fehler nicht bloß finden, sondern sie auch beheben, und das automatisch.

Stellt etwa das System fest, dass eine Lieferzusage nicht eingehalten werden kann, gibt es eine Warnung heraus. Damit kann der Hersteller entweder seine Produktion umschichten oder aber zumindest den Kunden informieren, dass es länger dauert. Kleinere Verwerfungen kann die Software auch automatisch korrigieren.

In dieser Richtung will Celonis weitergehen. "Das Geld der Investoren hilft für die Produktvision", sagt Nominacher, "aber auch im Service und im Vertrieb." Partner wie SAP, Oracle, Microsoft oder Salesforce setzen die Celonis-Software ein, aber auch viele Beratungsunternehmen. Jeder IBM-Berater etwa hat die Software auf seinem Rechner, sagt Nominacher.

Ende nächsten Jahres sollen 2000 Menschen für Celonis arbeiten, fast doppelt so viele wie jetzt

Zum Ausbau des Firmenprofils zählt auch, dass man sich eine profilierte Führungskraft für den Bereich IT-Sicherheit geholt hat: Omesh Agam hat schon 20 Jahre in der IT-Sicherheitsbranche auf dem Buckel, die vergangenen acht Jahre arbeitete er als "Chief Information Security Officer" für das Enterprise-Software-Unternehmen Appian.

Aus der Arbeit mit den Kunden sind schon etwa 80 verschiedene Apps entstanden, eine sogenannte Low-Code-Umgebung hilft dabei, sie ohne vertiefte Programmierkenntnisse quasi zusammenzuklicken. Mehrere Hundert Apps seien derzeit im Entstehen, sagt Bastian Nominacher. Er begrüßt das, weil es hilft, mehr Kunden zu erreichen, ohne dass Celonis-Mitarbeiter sie vollumfänglich begleiten müssen. "30 000 bis 40 000 Firmen, die kann man nicht alle so abdecken." Es gibt Apps für Klassiker wie die Eingangs- und Ausgangsrechnung, aber auch für Dinge wie den CO₂-Fußabdruck eines Unternehmens.

Celonis beschäftigt an mehreren Standorten derzeit etwa 1200 Mitarbeiter, bis Ende nächsten Jahres sollen es schon 2000 sein. Die Corona-Pandemie hat die Geschäfte eher noch angetrieben. "Die Unternehmen setzen stärker auf Digitalisierung", sagt Nominacher. Bei einem starken Wachstum, wie es Celonis derzeit erlebt, müsse man besonders darauf achten, "dass es fachlich, aber auch kulturell passt". Die Unternehmenswerte, denen sich die Mitarbeiter verpflichten, wurden deshalb schriftlich fixiert. Doch sie im Alltag zu leben heißt: "Man muss sich täglich engagieren dafür."

Gewinn macht Celonis noch keinen. "Der Fokus ist nicht die Profitabilität", sagt Bastian Nominacher. Der Hintergrund ist klar: Celonis ist im eigenen Segment klarer Marktführer. Diese Position will man so weit wie möglich ausbauen. Die bisherige Unternehmensgeschichte gibt ihnen recht. Und die Investoren scheinen auch überzeugt zu sein.

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