Bundeshaushalt:Mit einem blauen Auge

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Grund zur Freude für Finanzminister Christian Lindner: Die Abrechnung des Jahres 2022 ist finanziell gesehen gar nicht so schlimm. (Foto: Adam Berry/Getty Images)

Die Neuverschuldung des Bundes fällt 2022 nicht ganz so hoch aus wie befürchtet. Finanzminister Lindner nutzt die Chance für eine Ansage an die Koalitions- und die EU-Partner.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr deutlich weniger neue Schulden aufnehmen müssen als bei der Aufstellung des Haushalts vorgesehen. Wie das Finanzministerium am Freitag mitteilte, blieb die Nettokreditaufnahme mit gut 115 Milliarden Euro um rund 23,5 Milliarden hinter den Planungen zurück. Das ist zwar im langjährigen Vergleich immer noch extrem viel, aber deutlich weniger als im Rekordjahr 2021. Damals musste der Bund zur Abfederung der Corona-Krise 215 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen.

Finanzminister Christian Lindner wertete den Etatabschluss als Beleg dafür, dass die Koalition "nicht auf Biegen und Brechen alle rechtlichen Möglichkeiten der Kreditaufnahme ausschöpft, sondern nur soweit wie nötig". Zum anderen zeige sich, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden müssten, damit bereitgestellte Investitionsmittel auch genutzt würden. "Jedenfalls mangelt es nicht an Kapital im Haushalt für die Zukunftsgestaltung, sondern aufgrund bürokratischer Bremsen an Tempo", so der Minister.

Lindners Aussagen sind nicht nur ein Signal an die Koalitionspartner von SPD und Grünen, die in den vergangenen Monaten wiederholt mehr Mittel etwa für Sozialprogramme gefordert hatten. Vielmehr dürfte der Minister auch die EU-Kommission und die europäischen Partnerländer im Blick haben, die angesichts des Ukraine-Kriegs und der immens gestiegenen Energiepreise gern zusätzliche schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme auflegen würden.

Lindner freut sich über höhere Steuereinnahmen und geringere Ausgaben

Zu dem etwas besseren Jahresabschluss trugen sowohl unerwartete Steuermehreinnahmen als auch niedrigere Ausgaben bei. Die Steuererlöse des Bundes kletterten auf insgesamt 337 Milliarden Euro, knapp neun Milliarden Euro mehr als geplant. Zugleich fielen die Kosten für Corona-Hilfen, die Unterstützung der Ukraine, Zinsen, Gewährleistungen und das Auffüllen der Gasreserven um fast 21 Milliarden Euro geringer aus als veranschlagt. Da der Bund zugleich rund sechs Milliarden Euro an die Rentenversicherung überwies, damit diese ältere Menschen bei der Bezahlung ihrer Strom- und Gasrechnungen unterstützen kann, verbuchte das Finanzministerium unterm Strich Minderausgaben in Höhe von 14,5 Milliarden Euro.

Nicht in dem Jahresabschluss enthalten sind die Sondervermögen des Bundes, die von Opposition gern als Schattenhaushalte gebrandmarkt werden. Aus dem sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds flossen nach Angaben aus Regierungskreisen 2022 rund 30 Milliarden Euro ab. Das Geld ging unter anderem an Unternehmen, die unter der Energiekrise leiden, zudem übernahm der Bund im Dezember die Abschlagszahlungen aller Gaskunden, um diese zu entlasten. Insgesamt ist der Fonds mit Krediten in Höhe von 200 Milliarden Euro gefüllt, die vor allem zur Finanzierung der Strom- und Gaspreisbremse in diesem Jahr verwendet werden sollen.

Das mit 100 Milliarden Euro ausgestattete Sondervermögen zur Stärkung der Bundeswehr blieb 2022 unangetastet. Allerdings schloss das Verteidigungsministerium mit der Rüstungsindustrie Aufträge im Volumen von rund zehn Milliarden Euro ab, die bei Lieferung der Waffen und Munition bezahlt werden müssen. Aus dem Klima- und Transformationsfonds flossen knapp 14 Milliarden Euro ab - nur die Hälfte dessen, was eigentlich vorgesehen war. So nahmen manche Bürger angesichts der hohen Lebenshaltungskosten etwa Abstand von der Idee, ihr Haus wärmedämmen zu lassen.

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