BGH-Urteil:"Wucher!"-Schimpfen auf Ebay ist erlaubt

Lesezeit: 3 Min.

Kundenbewertungen bei Ebay sorgen immer wieder für Ärger. (Foto: Nikolas Kokovlis/Imago)

Ist die Bewertung "Ware gut, Versandkosten Wucher!!" zu negativ und muss gelöscht werden? Der BGH sagt: nein. Verärgerte Kunden dürfen scharf formulieren.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Zu den Existenzbedingungen im Internet gehört es, entweder unablässig Bewertungen über andere abzugeben oder seine eigenen Präferenzen nach den Kommentaren der anderen auszurichten. Auf der Verkaufsplattform Ebay gehört das Bewerten zum Geschäftsmodell. Man kennt seine Geschäftspartner meist nicht, da soll man sich wenigstens anhand der Bewertungen ein Bild machen können. Oder eben auch nicht: Kommentare können übertrieben, verzerrend oder schlicht falsch sein. An diesem Mittwoch hat der Bundesgerichtshof (BGH) sein Urteil darüber verkündet, wie weit die Meinungsfreiheit von Käufern bei Negativ-Bewertungen über Verkäufer reicht. Ergebnis: Ihr Spielraum ist größer, als es Ebay lieb ist.

Denn die Plattform hat in ihre Geschäftsbedingungen eine Klausel aufgenommen, die für größtmögliche Seriosität sorgen sollte. "Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten." So steht es in Paragraf 8 des Regelwerks, zu dessen Einhaltung sich verpflichtet, wer die Plattform nutzt.

Nun ist das mit der Sachlichkeit im Internet so eine Sache. Im BGH-Fall ging es um den Kauf von vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 Euro - wovon 4,90 Euro Versandkosten waren. Der Käufer nahm die Ware unbeanstandet an, kartete aber in der Bewertung nach: "Ware gut, Versandkosten Wucher!!". Weil solche Kommentare das Geschäft trüben, wollte der Spezialshop das abschätzige Urteil nicht auf sich sitzen lassen. Er zog vor Gericht.

Die BGH-Senatsvorsitzende Rhona Fetzer machte schon in der Verhandlung deutlich, dass der Kommentar nicht zu beanstanden ist. Die rechtlich entscheidende Frage lautete: Kann Ebay seinen Nutzern im Kleingedruckten "Sachlichkeit" verordnen, wenn nicht einmal das Grundgesetz dies tut? Denn die Grenzen der Meinungsfreiheit sind ungleich weiter gefasst. Klar, man darf keine Unwahrheiten verbreiten. Und auch keine "Schmähkritik", also eine Herabsetzung, die einzig auf die Diffamierung der Person gerichtet und mit der inhaltlicher Bewertung nichts zu tun hat. Aber Sachlichkeit? Öffentliche Debatten würden verstummen, wenn strikte Sachlichkeit die Leitlinie wäre. "Wir befinden uns hier im grundrechtsrelevanten Bereich", sagte Fetzer. Und da sei eben auch polemische und überspitzte Kritik erlaubt.

Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund liest der BGH die Klausel lediglich als einen Appell, doch sachlich zu bleiben, auch deshalb, um gar nicht in die Nähe der "Schmähkritik" zu kommen, wo dann wirklich Schluss ist mit der Meinungsfreiheit. Sachlichkeit ist - so, wie die Klausel derzeit formuliert ist - als eher eine Bitte, kein Gebot. Der ungehaltene Kommentar "Versandkosten Wucher!!" war damit erlaubt, trotz der beiden Ausrufezeichen.

Rechtliche Grenzen gibt es trotzdem

Das Karlsruher Urteil gewährt den Käufern also einen großen Freiraum, auf Ebay ihre Kommentare zum Kauf abzugeben. Rechtliche Grenzen gibt es trotzdem, wie sich in zahlreichen Urteilen der unteren Instanzen nachlesen lässt. Sobald es um die Fakten geht, steigen die Chancen der negativ bewerteten Verkäufer, die Kommentare löschen zu lassen. Denn während der Spielraum für subjektiv gefärbte Meinungen groß ist, müssen die mitgeteilten Tatsachen nun mal stimmen. "Unrichtige Informationen sind nämlich keine schützenswerte Basis für die öffentliche Meinungsbildung", urteilte 2014 das Oberlandesgericht (OLG) München.

Damals ging es um Metallbeschläge für ein Boot. Der Käufer nahm die Ware unbeanstandet entgegen - was er in der Bewertung verschwieg. Dagegen kritisierte er, er habe eigenhändig das Gewinde nachschneiden müssen. Beweisen konnte er das später im Prozess nicht. Weil der mit einem Minus versehene Kommentar dem unbefangenen Leser nahelegt, hier verkaufe jemand mangelhafte Ware, ließ das OLG die Bewertung löschen.

Ähnlich urteilte 2016 das Landgericht München II. Es ging um zwei Gasdruckdämpfer. Der Käufer hatte die falsche Länge bestellt und wollte sie zurückgeben. Zwar hatte er darauf als professioneller Händler keinen Anspruch, aber der Verkäufer bot ihm kulanterweise Rückerstattung von 70 Prozent des Preises an. Die Mails gingen hin und her. Erst postete der verärgerte Käufer: "Keine Rückgabekulanz bei Firmenkauf auch kein Umtausch möglich, Antwort 1 Woche" und später "Nach Bewertung Drohnachricht". Nichts davon stimmte so ganz. Eine gewisse Kulanz war ihm ja angeboten worden, zudem hatte der Verkäufer mitgeteilt, Antworten könnten sich urlaubsbedingt verzögern. Und die "Drohnachricht" bezog sich einzig darauf, dass der Verkäufer rechtliche Schritte angekündigt hatte, sollte er Käufer seine Negativbewertung nicht löschen. Das Landgericht gab dem Verkäufer recht.

Weil Bewertungen wichtig fürs Geschäft sind, wird auch über kleine Dinge gestritten. In einem ebenfalls vom Landgericht München II verhandelten Fall von 2020 ging es um einen Schlauchbootkleber für 10,20 Euro. Der Kunde kommentierte: "Der Klebstoff ist untauglich zur Reparatur, der Kleber löst sich in Meerwasser!" Beanstandet hatte der den Kauf nicht. Der Onlineshop wies darauf hin, dass er den Kleber vermutlich falsch angewendet habe - aber der Kunde blieb stur. Man sah sich vor Gericht, wo ein Sachverständiger den Kleber als tauglich einstufte. Die Bewertung beruhte mithin auf einer falschen Tatsachenbehauptung und musste gelöscht werden.

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