Die Bestandsaufnahme fällt ernüchternd aus: Der bisherige Ordnungsrahmen der Währungsunion war offensichtlich unzureichend, um ein finanzpolitisch, gesamtwirtschaftlich und finanziell stabiles Umfeld für die gemeinsame Geldpolitik zu gewährleisten. Die dem Maastricht-Vertrag zugrundeliegende Hoffnung, dass die zentralen Prinzipien der Subsidiarität und der Eigenverantwortung von den Mitgliedstaaten ausreichend beachtet werden, hat sich als trügerisch erwiesen.
Indem die Mitgliedstaaten ihre geldpolitischen Befugnisse auf das Euro-System übertrugen und ihm das klare Ziel gaben, für Preisstabilität zu sorgen, sollte im Bereich der Geldpolitik eine wirksame Selbstbindung der Politik gelingen: Der gesamtwirtschaftlich schädlichen Vereinnahmung der Geldpolitik für die Haushalts- oder Wirtschaftspolitik sollten mit dem EU-Vertrag rechtliche Riegel vorgeschoben werden, um - wie Udo di Fabio es jüngst ausgedrückt hat - "das Recht als Grenzzaun (zu errichten...), der, wenn er hält, vor Schäden bewahrt, die aus einem leichtfertigen Umgang mit der Freiheit entstehen".
Denn in den 1970er und 1980er Jahren hatten viele europäische Länder die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass eine vor den Karren der Finanzpolitik gespannte Notenbank ein Irrweg ist, der zwar zu hoher Inflation, nicht aber zu mehr Wachstum und Beschäftigung führte.
Da eine unsolide Finanzpolitik besondere Risiken für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik birgt und im Rahmen einer Währungsunion die Folgen schlechter Politik stärker auf andere überwälzt werden können, so dass der Verschuldungsanreiz sogar noch zunimmt, wurde die Finanzpolitik der Mitgliedsländer Regeln unterworfen - zunächst mit den Maastricht-Kriterien, dann mit dem ergänzenden Stabilitäts- und Wachstumspakt. Wirkung entfalteten diese Regeln vor allem vor der Einführung des Euro, als es für die künftigen Mitgliedstaaten galt, die Teilnahmevoraussetzungen zu erfüllen.
In den Jahren danach nahmen die Defizite kaum mehr ab, und die Schuldenstände blieben hoch. Als es angesichts wiederholter Zielverfehlungen Deutschlands und Frankreichs zu einer ersten Nagelprobe kam, wurden die Regeln gedehnt und schließlich angepasst.
Erschwerend kam hinzu, dass die Anleger unsolide Staatsfinanzen lange Zeit kaum mit Zinsaufschlägen belegten. Auch strukturelle Risiken, die sich aus gesamtwirtschaftlichen Fehlentwicklungen in einzelnen Mitgliedsländern ergaben, wurden unterschätzt - wie Immobilienpreisblasen oder die gewagte Refinanzierung einzelner Bankensysteme.