Brexit:Britische Firmen müssen sich aufs Schlimmste vorbereiten

Lesezeit: 2 min

Boris Johnson will Großbritannien per Brexit zu Wohlstand verhelfen. Doch nach seinen ersten Reden haben manche Manager nur noch nackte Angst.

Kommentar von Björn Finke

Boris Johnson gibt sich gerne großspurig. Großbritannien stehe dank des Brexit vor einem "goldenen Zeitalter", sagte der neue Premier im Parlament. Im Jahr 2050 solle das Königreich der wohlhabendste Staat Europas sein. Doch im Moment ist die Lage der Wirtschaft eher grau, nicht golden. Seit Johnsons Amtsantritt hat das stolze Pfund kräftig an Wert verloren: Finanzmarkt-Profis trennen sich von der Währung, weil sie Ungemach fürchten. Und in der exportabhängigen Autobranche sanken die Investitionen im ersten Halbjahr um mehr als zwei Drittel, wie der Branchenverband am Mittwoch berichtete.

Die anderen EU-Staaten sind der wichtigste Exportmarkt für britische Firmen, und die Manager wissen nicht, welchen Bedingungen der Handel über den Ärmelkanal nach dem Brexit unterliegen wird. Daher schieben sie Investitionen auf. Diese quälende Ungewissheit belastet die Wirtschaft nun schon seit drei Jahren, seit dem Referendum. Johnsons erste Reden und seine Auswahl von Ministern haben die Unsicherheit bei manchen Managern zu nackter Angst werden lassen.

Johnson hat die wichtigsten Kabinettsposten Anhängern eines harten Brexit gegeben, und der schamlose Populist lässt keinerlei Kompromissbereitschaft gegenüber der EU erkennen. Er verlangt, dass Brüssel die Auffanglösung für Nordirland aus dem Austrittsvertrag streicht, die bei vielen Mitgliedern von Johnsons konservativer Fraktion verhasst ist. Weigere sich die EU, lohne es sich nicht einmal, Gespräche über Änderungen aufzunehmen, tönt der Premier. Und weil der Vertrag in seiner jetzigen Form keine Chance im Parlament hat, müsse er das Königreich dann leider, leider am 31. Oktober ohne geltenden Vertrag aus der EU führen, denn eine weitere Verschiebung schließt er aus.

03:22

Brexit
:Der BoJo-Effekt trifft das Pfund

Der Kurs der britischen Währung verfällt. Für Touristen mag das gut sein, für das Land aber ist es bedrohlich. Besonders Milliardäre dürften sich ärgern.

Von Stephan Radomsky

Dummerweise ist es für die EU völlig indiskutabel, diese Auffanglösung zu beerdigen. Deswegen sieht es so aus, als würde Großbritannien auf einen ungeregelten Brexit zusteuern. Ohne Vertrag fiele die vereinbarte Übergangsphase weg, in der sich wenig ändern soll. Stattdessen würden sofort Zölle und Zollkontrollen eingeführt. Da die Häfen nicht ausreichend vorbereitet sind, drohen dort Chaos und Staus. Der stete Nachschub für Supermärkte und Fabriken wäre gefährdet.

Die Tories, die Konservativen, stehen eigentlich im Ruf, eine wirtschaftsfreundliche Partei zu sein. Dass Johnson den Eindruck erweckt, er ziehe einen schädlichen Chaos-Brexit in Betracht, ist atemberaubend. Doch verdienen die Aussagen des großen Scharlatans einige Skepsis. Johnson hat sein ganzes politisches Leben darauf hingearbeitet, Premier zu werden. Die meisten Beobachter sind sich sicher, dass Johnson nun alles daransetzen wird, Premier zu bleiben. Das Land durch einen ungeordneten Brexit in die Krise zu stürzen, passt nicht wirklich zu diesem Ziel.

Die große Mehrheit in allen Fraktionen lehnt einen Chaos-Kurs ab

Wahrscheinlicher ist es, dass er im September, nach der Sommerpause des Parlaments, verkündet, die EU sei bedauerlicherweise nicht auf seine Forderungen eingegangen. Daher strebe er jetzt einen Austritt ohne Vertrag an. Die allermeisten Abgeordneten über sämtliche Fraktionen hinweg lehnen solch einen Chaos-Kurs ab. Und Johnson verfügt nur über eine Mehrheit von drei Sitzen. Das Unterhaus wird ihn also blockieren - und dem Premier einen Vorwand liefern, Neuwahlen auszurufen. Mit seiner knallharten Rhetorik gegen Brüssel und dem Kabinett der Brexit-Rechtgläubigen kann er sich gute Chancen ausrechnen, Wähler der Brexit Party Nigel Farages zurückzugewinnen.

Zugleich ist die größte Oppositionspartei Labour beim Austrittskurs gespalten und mit einem unvorstellbar unbeliebten Parteichef gestraft. Labour würde zahlreiche Stimmen an die Liberaldemokraten verlieren, die einen klaren Anti-Brexit-Kurs fahren. Die Opposition wäre zersplittert, zum Nutzen Johnsons. Geht sein Kalkül auf, könnte er nach den Wahlen mit einer komfortablen Mehrheit regieren. Er könnte die Gespräche mit Brüssel wieder aufnehmen, und die EU könnte sich sicher sein, dass dieser Premier - anders als Theresa May - die nötige Mehrheit hat, um einen Vertrag durchs Parlament zu bringen.

Johnson könnte sich aber auch übel verspekulieren, so wie es May bei den vorgezogenen Wahlen 2017 erging. Für die Unternehmen ist deshalb nur die Ungewissheit gewiss. Sie müssen sich aufs Schlimmste vorbereiten und aufs Beste hoffen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

© SZ vom 01.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Brexit
:Johnson macht sich bereit für den Crash

Kaum im Amt, setzt der britische Premier Boris Johnson alles in Bewegung, um den No-Deal-Austritt aus der EU zu planen. Dazu zählt auch eine 100 Millionen Pfund schwere Kampagne.

Von Cathrin Kahlweit

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: