Autoindustrie:"Das geht nicht gut auf Dauer"

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Hauptversammlungen finden derzeit nur virtuell statt. Das Bild zeigt BMW-Chef Zipse 2020 bei der Eröffnung eines Forschungszentrums des Konzerns. (Foto: Matthias Balk/dpa)

BMW präsentiert sich auf seiner Hauptversammlung grundsolide und sehr grün. Aber reicht das im Kampf gegen die Wettbewerber?

Von Max Hägler

Es gibt Momente in dieser Rede des Oliver Zipse, da könnte man kurz vergessen, dass hier ein Automanager spricht, da klingt er wie ein Umweltschützer. "Wirksamer Klimaschutz" sei die größte Aufgabe der Menschheit, sagt der BMW-Vorstandschef bei der Hauptversammlung des von ihm geführten Unternehmens am Mittwoch. Und er erinnert - mal wieder - daran, dass die Menschen pro Jahr 100 Milliarden Tonnen Rohstoffe aus der Erde holen: "Das geht nicht gut auf Dauer."

BMW habe darauf die passenden Antworten, das ist die Botschaft von Zipse, der den Zuschauern - die Versammlung findet abermals nur virtuell statt - gleich einen ganzen Strauß an Umweltmaßnahmen aufzeigt. Einiges ist tatsächlich wegweisend in der Industrie und in der Wirtschaftswelt generell: Batteriezellen für E-Autos werden künftig auf gute Wiederverwertbarkeit hin konstruiert, anders als bei Tesla. Lithium und Kobalt kauft der Konzern selbst ein, um allzu schädliches Schürfen zu verhindern, auch das machen beileibe nicht alle Autobauer so. "Damit wird eine größtmögliche Transparenz in der Lieferkette hergestellt", urteilt Winfried Mathes, Analyst bei Deka Invest.

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Im Geschäftsbericht sind diese Maßnahmen mittlerweile ausführlich aufgeführt, so wie auch die Kohlendioxidziele und die tatsächlich erreichten Einsparungen: Bis zum Jahr 2030 soll ein Wagen ein Drittel weniger CO₂ in der Produktion verursachen als bisher, gemessen vom Stahl, der möglichst recycelt sein soll, bis zur Auslieferung. Und bis Ende des Jahrzehnts sollen auch leistungsfähige Feststoffbatterien in Serie verbaut werden. "Nachhaltigkeit ist wie ein Puzzle", sagt Zipse, "die Summe der Einzelteile ergibt ein perfektes Bild." Zwischendurch wird ein Video mit einem imposanten Wasserfall eingespielt. Der Vorstandschef strahlt, nicht zuletzt, weil die Verkaufszahlen derzeit auch so schön sind, das erste Quartal war das beste jemals. Er sagt: "BMW ist ein Wir-Gefühl", und das trage man auch in die Gesellschaft.

Das Gefühl soll auch sein: Es ist alles gut und wird noch besser.

Doch manche Aktionärsgruppen an den Bildschirmen haben daran so ihre Zweifel, wie auch Umweltaktivisten vor der BMW-Welt, aus der gesendet wird: "Keine Steuergelder für Klimakiller", fordern einige Demonstranten draußen im Regen. Sie üben auch Kritik an der Produktpalette, die immer mehr Ressourcen verbraucht, ob Platz, Material oder Energie. Drinnen steht Zipse neben einem iX, einem rein batteriebetriebenen SUV, das bald an die Kunden ausgeliefert wird. Es ist wohl der größte und schwerste Wagen, den die Münchner jemals gebaut haben. Fünf Meter lang, 2,5 Tonnen schwer, und eine Höhe, die schwächere Verkehrsteilnehmer in Angst versetzen kann.

Glauben nicht an das Reden über Nachhaltigkeit: Umweltaktivisten vor der BMW-Zentrale in München. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Wieso ist der so groß, fragen Zweifler? Und wieso bekennt sich BMW eigentlich nicht zu einem Ende der Verbrenner mit definierter Jahreszahl, fragt etwa Janne Werning von Union Investment, der die Elektrostrategie deshalb "halbherzig" nennt. Ende des übernächsten Jahres sollen die Kunden aus 13 verschiedenen rein elektrischen BMW-Modellen wählen können. Tatsächlich läuft das Elektroangebot aber erst jetzt richtig an, mit dem iX und dem i4. Und in der obersten Klasse hat BMW noch nichts zu bieten. Es muss die Münchner schmerzen, dass just in dieser Woche Konkurrent Daimler seine Produktionslinie der elektrischen S-Klasse einweiht und VW derzeit Schlag auf Schlag neue E-Autos vorstellt. Zu einer Diskussion auf offener Bühne kommt es nicht. Die Antwort von Zipse, die auf so vieles passt: "Wir folgen dem Markt." Da gebe es eben Länder, in denen noch lange Verbrennerautos fahren.

Die Aktionäre trifft die Corona-Krise nicht: BMW zahlt hohe Dividenden

Manche Kritiker erinnern zudem an das immanente und ungelöste Gerechtigkeitsproblem der deutschen Wirtschaft in diesen Monaten: Auch BMW schüttet hohe Dividenden aus, trotz Corona: 1,90 Euro pro Stammaktie. Das entspreche einem Drittel des Gewinns, sagt Aufsichtsratschef Norbert Reithofer, das sei die übliche Quote. Auf die Frage der "Kritischen Aktionäre", ob denn nicht Familie Klatten als Großeigentümer abgesehen habe von einer Dividende in Pandemiezeiten, da argumentiert er: Selbstverständlich habe der Aufsichtsrat die Verwendung des Bilanzgewinns geprüft. Das Ergebnis: Auch Aktionäre sollten angemessen am Erfolg des Geschäftsjahrs beteiligt werden. Das übrigens so viel besser ausfiel als in anderen Branchen, weil die Menschen rund um die Welt Autos kauften, nur eben ein paar Monate später. Und weil die Autoindustrie stets unter dem besonderen Schutz der Landes- und Bundesregierung stand.

Eine andere Transformation kommt indes kaum zur Sprache an diesem Tag: das automatisierte Fahren. BMW hat sich offenbar von ambitionierten Zielen verabschiedet, nachdem noch vor vier Jahren ein großer Campus für die komplizierte Technik eingeweiht worden war. Erst auf Nachfrage der Aktionäre erklärt Zipse, in wenigen Worten: Man arbeite an Level 3 - der Fahrer könnte dann den Blick länger von der Straße abwenden - und werde das anbieten, wenn es sicher sei und den Kunden einen Mehrwert biete. Einen Zeitpunkt nennt er nicht. Die Konkurrenz aus Wolfsburg prescht indes vor: Von 2025 an wolle man Robotershuttles anbieten, meldete der VW-Konzern just am Tag der BMW-Hauptversammlung.

Was bedeutet diese Nachhaltigkeitsstrategie samt nicht ganz konsequenter Verbrenner-Option, die große Stille bei Roboterthemen? Die Aktionäre scheinen das nicht recht einordnen zu können: Der Kurs hat sich seit der Hauptversammlung am Mittwoch leicht nach unten bewegt, auf etwa 81 Euro.

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