Beiträge:Bundesregierung will Betriebsrentner entlasten

Lesezeit: 3 min

Versicherte protestieren: Sie fordern, dass sich Betriebsrenten wieder lohnen sollen. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
  • Seit 2004 zahlen Betriebsrentner die vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
  • Die Bundesregierung will diese Regelung wieder abschaffen - doch bei der Finanzierung sind sich die zuständigen Minister nicht einig.
  • Es geht vor allem darum, ob dafür Steuererhöhungen nötig sind, oder ob andere Finanzierungsmodelle möglich sind.

Von Kristiana Ludwig und Henrike Roßbach, Berlin

Die Bild-Schlagzeile ist über 15 Jahre alt, doch der "Renten-Klau", wie das Boulevardblatt damals titelte, ist heute immer noch ein Aufreger: Menschen, die eine Betriebsrente bekommen, zahlen seit 2004 auf diese Einkünfte die vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil. Derzeit sind das zusammen 17,15 Prozent, bei Kinderlosen sogar 17,4 Prozent plus Zusatzbeiträge der jeweiligen Krankenkasse. Rund sechs Millionen Betriebsrentner sind betroffen. Bei einigen kommt noch erschwerend hinzu, dass sie ihre betriebliche Altersvorsorge einst aus ihrem Nettoeinkommen angespart haben - also schon einmal die Sozialbeiträge gezahlt haben.

Der volle Beitragssatz, der 2004 über die Betriebsrentner kam, sorgt seither für eine stete Flut an Beschwerdebriefen auf den Schreibtischen der Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen. Ausgangspunkt des ganzen Ärgers ist eine Gesetzesänderung, die 2003 von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ausgehandelt worden war, und die 2004 in Kraft trat. Damals war die gesetzliche Krankenversicherung in Finanznot, und die Verdopplung der Beiträge aller Betriebsrentner sollte diese Not lindern.

Heute will im Prinzip die gesamte Bundesregierung die damalige Regelung am liebsten wieder abschaffen. Die Frage ist nur: Mit welchem Geld?

ExklusivAltersvorsorge
:Große Rentenlücke trifft Millionen Deutsche

Für viele, die bald in Ruhestand gehen, wird sich der Lebensstandard erheblich verschlechtern. Das zeigt eine neue Studie. Auch die Riester-Vorsorge hilft nur wenig.

Von Alexander Hagelüken

Die CDU wählte auf ihrem jüngsten Parteitag in Hamburg nicht nur Annegret Kramp-Karrenbauer zu ihrer neuen Chefin, sondern beschloss auch, etwas gegen die sogenannte Doppelverbeitragung der Betriebsrenten zu unternehmen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reagierte nun und legte einen Vorschlag vor, wie man die Abgaben der Betriebsrentner wieder halbieren könnte. 2,5 von drei Milliarden Euro, die diese Maßnahme kosten würde, sollen aus Steuergeldern bezahlt werden, schlägt Spahn vor. Nur 500 Millionen Euro gingen damit zu Lasten der Beitragszahler.

Auch die SPD will betriebliche Vorsorge attraktiver machen

Das sei eine "faire Teilung", sagte er am Mittwoch in Berlin. "Drei Milliarden Euro Beitragsausfälle, darauf habe ich immer hingewiesen, machen etwa 0,2 Beitragspunkte aus." Wenn Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kein Geld dazu gebe, müssten alle Bürger höhere Kassenbeiträge zahlen, so lautet seine Rechnung. Das aber will Spahn den Beitragszahlern auf keinen Fall zumuten. Für den Gesundheitsminister ist die Entlastung der Betriebsrentner eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die deshalb auch aus Steuermitteln finanziert werden sollte.

Dass die CDU beschlossen hat, den vollen Beitragssatz wieder abzuschaffen, kam eigentlich auch bei der SPD gut an. Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) etwa will als für die Renten zuständiger Minister möglichst viele Hürden aus dem Weg räumen, damit die betriebliche Altersvorsorge attraktiver wird. Und auch Finanzminister Olaf Scholz sei das ein wichtiges Anliegen, sagte ein Sprecher von Scholz am Mittwoch. Es gebe aber bislang nur "erste Überlegungen", die Ressortabstimmung sei offiziell noch gar nicht eingeleitet worden. Grundsätzlich gelte aber, dass für "nicht-prioritäre Projekte" keine zusätzlichen Mittel im Bundeshaushalt vorgesehen seien. "Klar ist deshalb: Jedes neue Vorhaben muss gegenfinanziert sein. Das jeweilige Fachressort hat die Aufgabe, einen entsprechenden Vorschlag für eine solide Gegenfinanzierung zu machen."

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bringt es auf eine einfache Formel: Wenn die Betriebsrentner aus dem Steuertopf entlastet würden, müssten auch die Steuern erhöht werden - sonst müsse sich Deutschland weiter verschulden. Er plädiert deshalb dafür, das Geld aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu nehmen. Steigende Beiträge für alle, mit denen Spahn droht, gebe es in Wirklichkeit gar nicht, sagt Lauterbach. Spahn könne bloß den Beitragssatz nicht - wie ursprünglich geplant - senken. "Da ist eine Logikspannung", sagt er.

Mehr Betriebsrentner sollen Vorsorgelücken schließen

Im Grunde wünschen sich alle Koalitionäre dringend mehr Betriebsrentner. Denn wenn mehr Rentner neben der gesetzlichen Rente und vielleicht einer Riester-Rente auch noch Alterseinkünfte aus Betriebsrenten haben, lässt sich ein sinkendes Rentenniveau in der gesetzlichen Rente - das zumindest nach 2025 schon aus demografischen Gründen droht - leichter verkraften. Auf die Betriebsrente setzte schon Heils Vorgängerin im Sozialministerium, die heutige SPD- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles. Sie hatte das "Betriebsrentenstärkungsgesetz" auf den Weg gebracht, das Anfang vergangenen Jahres in Kraft trat. Unter anderem können Arbeitgeber sich nun an Betriebsrenten beteiligen, für deren Auszahlungshöhe sie keine Garantie übernehmen müssen.

Auch die steuerlichen Anreize für eine betriebliche Altersvorsorge wurden verbessert, ebenso die Förderung von Betriebsrenten für Geringverdiener. Über die Wirkung aber könne man derzeit noch nichts sagen, teilte das Ministerium am Mittwoch mit.

Die Doppelverbeitragung sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, sagte die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus angesichts der Debatte innerhalb der Bundesregierung: "Nach 16 Jahren wacht die Bundesregierung nun endlich auf und will unseren Vorschlag zur Halbierung der Versorgungsbezüge jetzt umsetzen." Versicherte müssten sich darauf verlassen können, dass sich private Altersvorsorge lohnt und diese im Nachhinein nicht gekürzt werde.

Matthias Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, nannte die geplante Halbierung des Beitragssatzes einen wichtigen ersten Erfolg. "Dieser Erfolg darf jetzt nicht zwischen Gesundheits- und Finanzministerium aufgerieben werden", forderte er. "Jens Spahn und Olaf Scholz sind aufgefordert, den größten Rentenklau in der Geschichte der Bundesrepublik sofort zu beenden. Die Zeit der roten Zahlen für die Krankenkassen ist längst vorbei."

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Altersvorsorge
:Was sich bei der Rente ändern muss

Neue Berechnungen legen es schonungslos offen: Millionen Deutsche werden unter einer großen Rentenlücke leiden. Die Politik könnte gegensteuern.

Kommentar von Thomas Öchsner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: