Ben Bernanke:Mann des billigen Geldes

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Der frühere US-Notenbankchef und Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, Ben Bernake, soll bis Frühjahr 2024 einen Bericht vorlegen, wie die Bank of England ihre Prognosen verbessern kann. (Foto: CHIP SOMODEVILLA/AFP)

Der frisch gekürte Nobelpreisträger hat uns gelehrt, wie man schwere Finanzkrisen beruhigt: mit sehr viel Geld. Doch die Folgen dieser Politik sind längst nicht ausgestanden.

Kommentar von Lisa Nienhaus

Dass der berühmte Forscher und einstige Chef der amerikanischen Notenbank Ben Bernanke ausgerechnet im Jahr 2022 den Wirtschaftsnobelpreis erhält - zusammen mit zwei weiteren Ökonomen -, ist verblüffend.

Nicht, weil Bernanke als Ökonom den Preis nicht verdient hätte. Das hat er sehr wohl. Denn seine Forschung zur Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre war wegweisend. Verblüffend ist die Preisvergabe, weil sie zu einem Zeitpunkt kommt, da noch nicht klar ist, wie das große wirtschaftspolitische Experiment, das sich aus Bernankes Forschung speist, eigentlich ausgehen wird. Ja, zu einem Zeitpunkt, da sich sogar Zweifel mehren, ob es gut ausgeht. Gemeint ist die Reaktion der Notenbanken der Welt auf die Finanzkrise.

Was waren nun Ben Bernankes Lehren? Er hat ein neues Verständnis davon geprägt, was in den Dreißigerjahren passiert ist und wieso sich damals eine Finanz- und Börsenkrise zu einer weltweiten wirtschaftlichen Depression weiterentwickeln konnte. Dazu hat er sich die Daten der Vergangenheit angeschaut und die Reaktionen unterschiedlicher Länder und ihrer Notenbanken auf die Krise und deren darauf folgende wirtschaftliche Entwicklung verglichen. Seine Erkenntnis: Es war das Geld selbst, das den entscheidenden Unterschied ausgemacht hat. Der Rückgang der Geldmenge in der Krise war seiner Ansicht nach nicht nur eine Folge, sondern "eine wichtige treibende Kraft" der Krise. Ängstliche Banken, die keine Kredite mehr vergaben, und zögerliche Notenbanken hätten die Krise verschärft. Länder, deren Notenbanken weniger streng und zögerlich waren, seien hingegen besser durch die Zeit gekommen.

Er prägte die unkonventionelle Geldpolitik

2006 Notenbank-Präsident in den Vereinigten Staaten geworden, konnte Bernanke in der Finanzkrise eine Situation beobachten, die ähnlich gefährlich war wie der Beginn der Weltwirtschaftskrise. Und Bernanke hatte die vielleicht einmalige Gelegenheit für einen Wissenschaftler, die Lehren aus seiner Forschung direkt in die Praxis umzusetzen. Er versuchte, alles besser zu machen. Und prägte die sogenannte unkonventionelle Geldpolitik mit massenhaften Ankäufen von Anleihen durch die Notenbanken und unbegrenztem Geld für die Banken. Das fand schnell Nachahmer in aller Welt, auch in der Europäischen Zentralbank.

Es war eine regelrechte Geldschwemme, die die Notenbanker nach 2008 gezielt verursachten. Sie war ein Novum - und Ziel von herber Kritik. Ganz besonders in Deutschland. Hierzulande werden Staatsanleihekäufe durch die Notenbank traditionell besonders kritisch gesehen, vielleicht weil man aus der Geschichte eben auch die große Gefahr kennt, die es mit sich bringen kann, wenn Notenbanken Staaten finanzieren: Inflation. Die beherzte Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank im Stile Bernankes besorgte deshalb anfangs viele im Land. Sie war sogar einer der Gründe, wieso sich in Deutschland nach der Finanzkrise eine neue Partei bildete: die AfD, die ja einst, lang ist es her, als Anti-Euro-Partei startete.

Im Nachhinein kann man sagen, dass die Krisenpolitik des Ben Bernanke gewirkt hat. In den Vereinigten Staaten wie in Europa. Die Finanzkrise hat sich nicht zu einer weltweiten Depression weiterentwickelt. In diesem Sinne war Bernankes Politik ein klarer Erfolg. Der Nobelpreis für seine Erkenntnis des Zusammenhangs von Geld und Krisen-Zuspitzung ist absolut berechtigt.

Bernankes Kritiker warnten vor Inflation. Jetzt ist sie da

Völlig unklar ist aber, ob die von ihm begonnene Krisenpolitik auch langfristig gut geht. Ihre Folgen sind nämlich längst nicht ausgestanden. Noch weiß niemand, ob die Notenbanken der Welt es schaffen werden, die riesigen Mengen an Staatsanleihen, die sie in der Krise gekauft haben, auch wieder loszuwerden. Insbesondere der EZB fällt das offenbar schwer. Zudem ist ausgerechnet im Jahr der Verleihung des Nobelpreises an Bernanke die größte Sorge seiner Gegner Realität: Nach Jahren extrem niedriger Preissteigerungsraten ist die Inflation nun sehr hoch. Das hat zwar viele Gründe, insbesondere den Krieg, aber die Notenbankpolitik der vergangenen 14 Jahre kann man nicht ganz ausnehmen.

Vielleicht kann man es so sagen: Die Welt hat viel von Ben Bernanke gelernt. Jetzt ist es Zeit, auch wieder anderen klugen Ökonomen zuzuhören.

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