Finanzaufsicht:Jetzt wird kontrolliert

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Unbekannte greifen seit einigen Tagen das IT-System der Finanzaufsicht Bafin in Frankfurt/Main an. (Foto: Hannelore Foerster/imago images)

Die Finanzaufsicht Bafin hat im Fall Wirecard versagt und wurde reformiert. Jetzt muss sie ihren ersten Test bestehen und legt sie sich mit dem Immobilienkonzern Adler an. Für Lob aber ist es noch zu früh.

Kommentar von Jan Diesteldorf

Der Fall Wirecard hat die Wirtschaftsnation Deutschland so schwer erschüttert, dass das Beben auch zwei Jahre nach dem Untergang des Zahlungsdienstleisters noch zu spüren ist. In der Justiz, die einen Prozess in München vorbereitet, bei den Sicherheitsbehörden, denen die Russland-Kontakte von Ex-Vorstand Jan Marsalek angeblich kein Begriff waren - und bei der Finanzaufsicht Bafin, die es versäumt hatte, dem mutmaßlichen Betrug frühzeitig nachzugehen. Aus dem Bemühen um Schadensbegrenzung heraus gestaltete die frühere Bundesregierung unter Ex-Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Bafin-Reform, die jetzt für jeden sichtbar erste Früchte trägt.

Die Behörde hat sich mit dem Immobilienkonzern Adler angelegt, genauer: mit dessen wohl wichtigster deutscher Tochtergesellschaft. Diese habe ein großes Bauprojekt in Düsseldorf falsch bilanziert, viel zu hoch bewertet, weshalb der Jahresabschluss 2019 fehlerhaft sei, so meldeten es die Aufseher in dieser Woche. Versehen mit dem Hinweis: Wir sind noch lange nicht fertig damit, die Bilanzen des Unternehmens zu untersuchen. Das ist zugleich Ausweis neuer Kompetenzen der Aufsicht und Beleg eines neuen Stils, mit dem die Behörde einzelne Unternehmen wegen Tricksereien öffentlichkeitswirksam anzählt.

Endlich, muss man sagen. Zu lange herrschte in der Politik das Leitbild einer verschwiegenen, behäbigen Finanzaufsicht vor, die lieber nicht zu sehr die Geschäfte börsennotierter Konzerne stören und vor allem nicht zu viel verraten soll über ihre Maßnahmen. Das könnte ja geschäftsschädigend wirken oder Verwaltungsklagen provozieren.

Bisher ein Kontrollverhinderungssystem

Zu lange mussten sich Investoren deutscher Aktiengesellschaften allein auf das Urteil der Abschlussprüfer verlassen. Die der Bafin nun einverleibte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), ein privatwirtschaftlich organisierter Verein, ging bei Zweifeln an einer Bilanz im Auftrag der Aufsicht als Bittsteller an die Unternehmen zu Werke: Die Verfahren dauerten zu lange, die Bafin schritt meist erst nach dem Urteil der DPR-Prüfer ein und verlor über diese Vorgänge kein Wort. Diese Struktur wirkt nicht nur im Nachhinein absurd, sie war ein staatlich organisiertes Bilanzkontroll-Verhinderungssystem.

Im Interview mit der SZ sagte Finanzaufsichtschef Mark Branson, es hätte ihn negativ überrascht, wie wenig die Bafin als einheitliche Behörde agiert habe. (Foto: Maurice Kohl)

Jetzt also hat die Bafin eine Menge neuer Prüfer, jetzt veröffentlicht sie es bereits, sobald sie mit einer Prüfung beginnt. Jetzt hat Deutschland eine zusätzliche, staatliche Vertrauensinstanz, um die Integrität der Kapitalmärkte zu wahren. Das Risiko, mit Tricksereien an der Bilanz entdeckt zu werden, ist ungleich höher, mit einem entsprechenden generalpräventiven Effekt: Kein Geschäftsführer einer börsennotierten Gesellschaft kann wollen, in die Fänge der Aufsicht zu geraten.

Da sind also diese zwei Elemente, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken: Die Bafin darf mehr und übt dadurch mehr Druck aus und sie kommuniziert mehr. Das Ansinnen des neuen Behördenchefs Mark Branson, eine mutigere und transparentere Aufsicht zu schaffen, wird sichtbar, und es ist absolut richtig. Beginnend mit der Finanzkrise, eingebettet in EU-weite Reformen und aufgerüttelt durch den Wirecard-Skandal hat Deutschland eine schlagkräftigere Finanzaufsicht, die in all den Jahren zu viel verschlafen hatte: die Cum-Ex-Affäre um steuerschädliche Aktiendeals, Geldwäscheskandale großer und kleiner Banken, Anlegerbetrug von windigen Investmentfirmen - um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Für ein Lob der neuen Bafin ist es noch zu früh; die Alder-Bilanzkontrolle ist lediglich ein erster Test, den die Behörde noch nicht bestanden hat. Außerdem, ob nun im Fall des Leasingkonzerns Grenke oder jetzt bei Adler: Es waren stets andere, die zuerst auf Missstände hinwiesen. Die Finanzaufsicht deckt selten etwas von sich aus auf. Immerhin verspricht sie jetzt, allen Hinweisen konsequent nachzugehen. Wenn Zuschriften von Whistleblowern nicht mehr im Sog der Bürokratie untergehen, sie ihr Verbraucherschutzmandat und die neuen Bilanzkontroll-Kompetenzen ernster nimmt, sind das zwei große Fortschritte. Bis die Bafin einmal gefürchtet sein wird wie die US-Börsenaufsicht SEC mit ihren Megabußgeldern, ist es aber noch ein weiter Weg.

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