VW-Abgasaffäre:Ex-Audi-Chef Rupert Stadler muss sich entscheiden

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Lange ist's her: Ex-Audi-Chef Rupert Stadler am ersten Verhandlungstag im Münchner Diesel-Prozess am 30. September 2020. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Geständnis oder Gefängnis: Der frühere Audi-Chef will erst nach Ostern erklären, ob er sich im Münchner Betrugsprozess um manipulierte Diesel-Autos schuldig bekennt. Ein ehemaliger Audi-Techniker hat das bereits getan - das Verfahren gegen den Kronzeugen wird eingestellt.

Von Klaus Ott

An diesem Mittwoch, am 5. April, hätte Rupert Stadler, ehedem Vorstandschef bei der Volkswagen-Tochter Audi, eigentlich wieder auf der Anklagebank sitzen sollen. Doch das Landgericht München II hat den Termin storniert. Es geht erst nach Ostern weiter mit dem großen, nun schon zweieinhalb Jahre dauernden Betrugsprozess in der Abgasaffäre bei Audi. Stadler kann also noch in Ruhe darüber nachdenken, ob er ein Geständnis ablegt, um einem Gefängnisurteil zu entgehen. Oder ob er weiterhin erklärt, er sei unschuldig.

Vor einer Woche hatte das Gericht eine Zwischenbilanz gezogen und erklärt, man halte Stadler für schuldig. Er habe als Audi-Chef zugelassen, dass schmutzige Autos weiterhin als saubere Fahrzeuge verkauft worden seien, nachdem die Diesel-Manipulationen aufgeflogen seien. Schon jetzt hätte sich Stadler erklären können. Doch seine Verteidigung vertröstete die Justiz auf die Wochen nach Ostern. Der frühere Audi-Chef will sich voraussichtlich am 25. April äußern. Das gilt auch für Wolfgang Hatz, Ex-Spitzenmanager bei den VW-Töchtern Audi und Porsche wie auch bei Volkswagen selbst. Für ihn geht es ebenfalls um die Frage: Geständnis oder Gefängnis?

Es geht um nichts weniger als eine Lebensentscheidung

Die Anwälte von Stadler und Hatz haben nicht erkennen lassen, ob Geständnisse zu erwarten sind. Oder ob ihre Mandanten wie bisher alle Vorwürfe zurückweisen. Im Gerichtssaal wurde allerdings aufmerksam registriert, dass die Tonlage freundlich und verbindlich gewesen sei; ohne jede Schärfe seitens der Verteidigung. Und dass Stadler wie Hatz das Ansinnen des Gerichts, Geständnisse abzulegen, nicht gleich rundweg zurückgewiesen haben. Das deutet auf intensive Denkprozesse hin. Für beide geht es um eine Lebensentscheidung.

Ohne Geständnis, das hat das Landgericht klar zu erkennen gegeben, komme eine Bewährungsstrafe nicht in Betracht. Im Falle eines Gefängnisurteils würde ein Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof bestimmt noch Jahre dauern; verbunden mit der Ungewissheit, was dabei herauskommt. Und das im Alter von 60 (Stadler) beziehungsweise 64 (Hatz) Jahren. Der frühere Audi-Motorenchef Hatz soll nach Ansicht des Gerichts die "prägenden Elemente" einer Software gekannt haben, mit der bei zahlreichen Fahrzeugen die Reinigung der Diesel-Abgase illegal ausgeschaltet worden sei. Hatz bestreitet das.

Ohne Geständnisse, so heißt es aus Kreisen von Verfahrensbeteiligten, müssten Stadler wie Hatz mit Freiheitsstrafen von jeweils etwa drei Jahren rechnen. Zum Vergleich: Bei anderen prominenten Angeklagten in München, beim Starkoch Alfons Schuhbeck und bei Uli Hoeneß vom FC Bayern München, waren es drei Jahre und zwei Monate beziehungsweise dreieinhalb Jahre gewesen. Schuhbeck und Hoeneß waren wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Hoeneß ging ins Gefängnis, bei Schuhbeck läuft noch die Revision beim Bundesgerichtshof. Bei Audi und erst recht bei VW geht es um einen der größten deutschen Industrieskandale mit mehreren Millionen manipulierten Diesel-Fahrzeugen.

Der Kronzeuge Giovanni P. legte mit einem umfassenden Geständnis nach

Eine zentrale Rolle in diesem Skandal und im Münchner Verfahren spielt der frühere Audi-Motorenentwickler Giovanni P., der Mitte 2017 in Untersuchungshaft kam, dort viel erzählte und mit seinen Aussagen Ex-Audi-Motorenchef Hatz in U-Haft brachte. Das Gericht war trotz der vielen Angaben von P. allerdings zu der Einschätzung gelangt, dass dies nur ein Teilgeständnis gewesen sei. Jetzt legte P. mit einem umfassenden Geständnis nach. Er habe gewusst, dass die sogenannten Abschalteinrichtungen nicht gesetzeskonform sein könnten, ließ der Motorenentwickler von seinem Verteidiger Walter Lechner bei Gericht erklären. Damit ist bei dem früheren Motorenentwickler P., anders als bei Stadler und Hatz, bereits jetzt der Weg frei für eine Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Der bislang vierte Angeklagte, der Kronzeuge Henning L., ist nunmehr draußen aus dem Mammutprozess. Das Gericht stellte am Dienstag das Verfahren gegen den Audi-Techniker L. wegen dessen geringer Schuld gegen Geldauflage ein. L. muss 25 000 Euro an zwei Umwelt- und Naturschutzverbände zahlen. Nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung ist der Audi-Techniker damit nicht vorbestraft. Das ist der späte Lohn dafür, dass L. von Beginn an reinen Tisch gemacht und so die Ermittlungen kräftig unterstützt hatte; über viele Jahre hinweg. Durch die Aussagen des Audi-Technikers erhielten die Behörden wertvolle Einblicke in die Vorgänge bei der VW-Tochter.

Trotzdem kam L., anders als andere Kronzeugen in anderen Wirtschaftsskandalen, mit auf die Anklagebank und musste dort zweieinhalb Jahre ausharren. Obwohl selbst die ermittelnde Staatsanwaltschaft München II sich zwischenzeitlich dafür starkgemacht hatte, das Verfahren einzustellen. Nach Erkenntnissen des Gerichts soll L. zusammen mit P. und mit Wissen von Hatz Dieselmotoren für Autos von Audi, VW und Porsche so manipuliert haben, dass die Fahrzeuge die offiziellen Abgastests auf dem sogenannten Prüfstand, also gewissermaßen im Labor, bestanden. Auf der Straße stießen die Autos dann aber weit mehr gesundheitsschädliche Stickoxide aus als erlaubt.

Der Verteidiger von L., Maximilian Müller, begrüßte die Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten. Es sei eine späte, aber richtige Entscheidung, L. "nicht zu kriminalisieren". Müller sprach von einer "großen Erleichterung" darüber, dass das Verhalten seines Mandanten, auf die Behörden zuzugehen und alles offenzulegen, nicht zum "Bumerang" geworden sei. L. sei nur ein "Rädchen im Getriebe" gewesen. Andere Mitarbeiter oder Manager in vergleichbaren Positionen bei Audi seien entweder erst gar nicht in den Fokus der Ermittlungsbehörden gelangt, oder deren Verfahren seien längst eingestellt worden. Das sei sachgerecht gewesen und müsse daher insbesondere auch für L. gelten.

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