Athens Schulden:Krisen, Griechen und Geheimnisse

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Ein Treffen zur Lage in Athen findet nicht statt. Dabei drängt die Zeit - besonders wegen der Rolle des Internationalen Währungsfonds.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Alexander Mühlauer, Brüssel, Berlin/Brüssel

Mit der Wahrheit haben es die Verantwortlichen im Umgang mit der Griechenlandkrise nie ganz genau genommen. Im Mai 2011 dementierte der damalige Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker so lange ein vertrauliches Treffen, bis die Kameras die Vorfahrt der Limousinen mit den Euro-Chefs auf Schloss Senningen in Luxemburg dokumentierten. "Wenn es ernst wird, muss man lügen", rechtfertigte sich Juncker später. In dieser Woche ist erneut ein Geheimtreffen missglückt. Und zugleich deutlich geworden, dass auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen freizügigen Umgang mit Tatsachen pflegt.

Schäuble ließ am Mittwoch seine Sprecherin einen Bericht dieser Zeitung zurückweisen, wonach sich an diesem Freitag einige Euro-Finanzminister mit Vertretern der EU-Institutionen und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Berlin treffen sollten. Es ist eine politische Runde, die Eingeweihten als "Washington-Gruppe" bekannt ist. Die Herrschaften sollten darüber beratschlagen, unter welchen Voraussetzungen der IWF dem dritten Kreditprogramm für Griechenland beitreten könnte.

Die Beteiligung ist ein Politikum. Die Bundesregierung und die niederländische Regierung haben ihren Parlamenten versprochen, dass der IWF wieder Kredite nach Griechenland gibt, weil dessen Erfahrung mit Krisenstaaten immer noch als Garantie herhalten muss, dass das Land mit den gebilligten Spar- und Reformauflagen wieder auf die Beine kommt - und mithin die Kreditgeber ihr Geld wiedersehen. Gibt der IWF keine Kredite nach Athen, ist die Zustimmung der Volksvertreter zum 86- Milliarden-Euro-Programm hinfällig.

Es gebe kein Krisentreffen, "weil es gar keine Krise gibt", lässt Schäuble mitteilen

Das Problem ist allerdings, dass der Weltwährungsfonds schon seit mehr als zwei Jahren keine Kredite mehr nach Athen vergibt und auch bisher die Bedingungen, sich künftig wieder zu beteiligen, als nicht erfüllt ansieht. IWF-Chefin Christine Lagarde wollte nun am Freitag persönlich über eine Schalte an der Kompromissfindung in Berlin mitarbeiten.

Doch dazu scheint es nicht zu kommen. "Ein solches Treffen findet nicht statt", trug Schäubles Sprecherin am Mittwochmittag ein Dementi vor. Das Ministerium weise den Bericht zurück, der von einem "Krisentreffen" schreibe, "weil es gar keine Krise gibt". Man befinde sich in konstruktiven Gesprächen über die Fortschritte, die Griechenland bei der Umsetzung der Reformen und Verpflichtungen mache. Und an Spekulationen wolle sich das Ministerium nicht beteiligen. Die Frage, ob Schäuble zu dem Treffen am Freitagabend eingeladen und später abgesagt habe, ließ die Sprecherin ebenso unbeantwortet wie die, wann die Gespräche nachgeholt werden sollen. Die Geheimniskrämerei im Bundesfinanzministerium wirkt befremdlich. Zunächst, weil einige der eingeladenen Gäste zuvor ihre Reisepläne bestätigt hatten. Und auch deshalb, weil offensichtlich ist, dass die Zeit drängt.

Über neue IWF-Kredite soll vor dem Amtsantritt von Trump entschieden werden

Die Verhandlungen über die Beteiligung des IWF an den Krediten für Griechenland finden in einem ungünstigen politischen Umfeld statt. IWF-Chefin Lagarde muss Mitte Dezember in Frankreich vor Gericht. Der früheren französischen Finanzministerin wird Fahrlässigkeit vorgeworfen. Es besteht der Verdacht, Lagarde könne in ihrer Zeit als Ministerin regelwidrig eine Entschädigungszahlung von 400 Millionen Euro an den Geschäftsmann Bernard Tapie möglich gemacht haben. Lagarde hatte der Vorladung widersprochen, das Kassationsgericht wies ihren Einspruch aber ab. Damit muss sich die IWF-Chefin vor dem Gerichtshof der französischen Republik verantworten. Die Vorladung schwächt ihre Position, zumal bereits zwei europäische Vorgänger im Amt, der Spanier Rodrigo Rato und der Franzose Dominique Strauss-Kahn, sich vor Gericht verantworten mussten.

Unklar ist zudem, was Donald Trump mit dem IWF vorhat. Lagarde hatte vor den "desaströsen" Folgen gewarnt, die eine Wahl Trumps für die Weltwirtschaft haben würde. Die Amerikaner sind die größten Anteilseigner des Fonds. Nicht nur die Bundesregierung dringt deshalb darauf, noch vor dem Einzug des nächsten US-Präsidenten in das Weiße Haus über neue IWF-Kredite für Athen zu entscheiden.

Dafür braucht es auch konkreten Fortschritt in Griechenland. Am Dienstag reiste das IWF-Team aus Athen ab, das die Umsetzung der Reformen überprüft hatte. Die Experten halten die Maßnahmen vor allem bei der Steuer- und der Arbeitsmarktpolitik noch nicht für ausreichend. Kommende Woche finden dazu weitere Abstimmungen statt. Der IWF beharrt darauf, dass die Regierung in Athen nachweisen muss, mit welchen konkreten Maßnahmen sie den geplanten Haushaltsüberschuss von jährlich 3,5 Prozent über zehn Jahre erreichen will. Auf diesem Überschuss basieren die Kreditrechnungen.

Unterdessen ist der Streit über schnelle Schuldenerleichterungen abgeflaut. Der IWF besteht zwar darauf, dass die Schulden tragfähig sein müssen. Die Europäer haben allerdings zugesagt, dass sie Schulden erleichtern werden, sobald Athen mehr als ein Fünftel seiner Wirtschaftsleistung für den Schuldendienst verwenden müsste. Das heißt, sobald man sich über die IWF-Beteiligung geeinigt hat, ist alles eine große Rechenaufgabe.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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