Die Versicherer haben es eilig: In wenigen Wochen, "auf jeden Fall vor der Sommerpause", will der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ein neues Standardangebot für Riester-Verträge vorlegen. Damit sollen Privatleute einfacher und billiger privat für das Alter vorsorgen können. Mit der Sache beschäftigt sich der mächtige Präsidialausschuss des Verbands. "Der Druck auf uns ist enorm", sagte ein beteiligter Manager. Es gehe um eine drastische Entschlackung der bisherigen Verträge. "Die Kosten werden sehr deutlich reduziert, natürlich auch die Beratung." Voraussetzung dafür sei, das bisher sehr komplexe System der staatlichen Zulagen zu ändern.
Das zentrale Motiv der Versicherer: Sie wollen der Politik zuvorkommen. Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist es her, dass der damalige bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer die Riester-Rente für "gescheitert" erklärt hat. Für ihn hat sich seither einiges verändert. Er ist jetzt von Berlin aus für die bundesdeutsche Heimat zuständig, statt von München aus für die bayerische. Die Riester-Rente aber ist geblieben, was sie schon immer war: ein Problemfall.
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Viele Bürger gehen davon aus, dass sie künftig mehr Geld in die Rentenkasse zahlen müssen. Die neue Bundesregierung will beruhigen, doch ein zukunftssicheres Konzept hat sie nicht.
Die Provisions- und Verwaltungskosten sind hoch, die Renditen gering, und nach wie vor sorgen zu wenige Deutsche privat fürs Alter vor - obwohl die Riester-Rente gedacht war als Ausgleich für das politisch gewollte sinkende Niveau der gesetzlichen Rente. Schon im Sommer 2017 sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Deutschen Verbrauchertag, sie halte es für "sehr wichtig", ein Standardprodukt in der Altersvorsorge zu entwickeln. Auch in den neuen Koalitionsvertrag hat es das Thema geschafft: "Es ist ein Dialogprozess mit der Versicherungswirtschaft anzustoßen mit dem Ziel einer zügigen Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts." Das schwarz-grün regierte Hessen ging im März noch einen Schritt weiter und forderte in einem Bundesratsantrag "ein staatlich organisiertes Standardprodukt", die "Deutschlandrente".
Das aber wäre für die Versicherungsbranche die schlimmstmögliche Variante. Kein Wunder also, dass sie in Vorleistung treten will. "Wenn die Versicherungswirtschaft willens und bereit ist zu einem Standardprodukt, kann ich das nur begrüßen", sagte der rentenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Weiß (CDU). Allerdings warnte er vor zu vielen Baustellen und verwies auf das Betriebsrentenstärkungsgesetz aus der vorigen Legislaturperiode, das gerade erst in Kraft getreten ist. "Das ist noch nicht angekommen bei den Leuten, das muss bekannter gemacht werden", sagte Weiß.
Dorothea Mohn, Finanzexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), blickt deutlich skeptischer auf die Initiative der Versicherungswirtschaft. Ihr Verband setzt, ähnlich wie Hessen, auf eine staatlich gelenkte private Altersvorsorge. Damit am Ende eine "vernünftige Rendite" herauskomme, sei es wichtig, die Verwaltungs- und Vertriebskosten deutlich zu senken, sagt Mohn. Außerdem müsse die private Altersvorsorge "raus aus den Versicherungen", stattdessen solle direkt am Kapitalmarkt investiert werden. Der VZBV verweist regelmäßig auf Schweden, wo es staatlich organisierte Fonds zur privaten Altersvorsorge mit sehr niedrigen Verwaltungskosten gibt. Über die Riester-Rente einen Teil der Altersvorsorge kapitalgedeckt zu organisieren, sei eine politische Entscheidung gewesen. "So etwas muss aber nicht über private Anbieter laufen." In Schweden schreibt der Staat die Verwaltung der Fonds aus, private Spezialisten übernehmen diese Aufgabe dann zu sehr geringen Gebühren.
Auch bei den Grünen haben die Versicherer wenige Freunde. Bei ihnen würden immer hohe Kosten und Provisionen anfallen, glaubt der Grünen-Abgeordnete Markus Kurth. Seine Partei setzt daher auf einen öffentlich-rechtlich organisierten "Bürgerfonds", mit Zulagen speziell für Geringverdiener und einem "vertrauenswürdigen Träger" wie etwa der Bundesbank.
Die Deutschen haben 2017 satte 87 Milliarden Euro an Beiträgen für Lebensversicherungen gezahlt. Ein kleiner Teil davon dient dem Risikoschutz für Familien im Todesfall oder der Absicherung gegen Berufsunfähigkeit. Beim weit überwiegenden Teil aber handelt es sich um Spareinlagen, mit denen die Kunden für die Zukunft vorsorgen wollen. Die Erträge fallen wegen der niedrigen Zinsen immer geringer aus - aber die Kostenbelastung bleibt hoch.
2017 zahlten die Versicherer 6,8 Milliarden Euro allein an Abschlusskosten, das sind vor allem Provisionen für Makler und Vertreter. Dazu kommen noch Verwaltungskosten und laufende Provisionen. Das alles zahlt immer der Kunde mit seinen Beiträgen oder mit geringeren Gewinnbeteiligungen.
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Einzelne Versicherer verkaufen sogar Riester-Verträge mit einer Abschlusskostenbelastung von sechs Prozent aller Beiträge, einschließlich der staatlichen Zuschüsse. Mit solchen Provisionssätzen wollen sich Anbieter die Makler und Vertriebsorganisationen gewogen halten. Wer einen derartigen Vertrag abschließt, muss mehr als 20 Jahre sparen, ehe er die Kosten verdient hat - von einer Rendite für sein Alter ganz zu schweigen.
Kein Wunder also, dass die Zahl der Riester-Verträge seit 2014 stagniert. Mitte 2017 waren es knapp 17 Millionen, 11 Millionen davon Versicherungsverträge. Die übrigen Riester-Sparer nutzen Investmentverträge, Wohnriester- und Banksparverträge. Doch gefördert vom Staat wurden nur 11 Millionen Personen - viele Riester-Sparer zahlen nicht mehr ein oder kapitulieren vor dem komplexen Zulagenverfahren.
Mit dem von ihnen selbst entwickelten Standardprodukt geben die Versicherer jetzt zu, dass sie bisher zu kompliziert und zu teuer sind. Allerdings: Verpflichtend soll es natürlich nicht werden, Kunden können weiter teure und renditeschwache Verträge kaufen - und dazu werden ihnen viele wortgewaltige Vermittler auch raten.