Es ist einfach, gegen den Kapitalismus zu wettern. Wenn es ins Detail geht, wird es allerdings rasch nebulös. Die ersten Schwierigkeiten tauchen auf, wenn es darum geht zu definieren, was den Kapitalismus eigentlich genau ausmacht. Definitionen gibt es viele, eine der kürzesten findet sich im Duden. Das bekannteste Nachschlagewerk der deutschen Sprache definiert Kapitalismus als "Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, deren treibende Kraft das Gewinnstreben Einzelner ist". Das lässt viel Raum für Interpretationen - und die gibt es reichlich. Und auch an Kritik mangelt es nicht. Die Sache ist kompliziert.
Noch komplizierter wird es, wenn die Frage auftaucht, ob denn nun das ganze System oder nur einzelne Teile davon zu verdammen seien. Die größte Herausforderung besteht aber unbestritten darin, Vorschläge zu machen, die helfen, den Kapitalismus zu reformieren, oder gar ein System zu entwickeln, das ihm überlegen ist.
Modelle für einen sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Wandel
Die Süddeutsche Zeitung hat Ökonomen, Wissenschaftler und Unternehmer befragt, die dazu eigene Ideen entwickelt haben und sich der Diskussion stellen. Ihre Vorschläge sind höchst unterschiedlich, konzentrieren sich meist auf einzelne Aspekte und Bereiche, lassen sich in einigen Fällen auch kombinieren. Weitgehend einig sind sie sich darüber, dass das Monstrum Kapitalismus sehr schwer zu zähmen ist. Zu groß sind die Widerstände und die Trägheit der Masse, die großen Veränderungen eher ablehnend gegenübersteht. Nach dem Motto: besser beim Altbewährten bleiben, anstatt neue unwägbare Risiken einzugehen. Radikal und vollkommen brechen mit dem System Kapitalismus will jedoch, bis auf den französischen Wissenschaftler Serge Latouche, keiner der Befragten, weil überzeugende Alternativen nicht in Sicht seien. Die Zeiten, in denen Monarchen hemmungslos ihr Volk knechten durften oder die sozialistische Planwirtschaft mehr schlecht als recht den Mangel verwaltet hat, wünscht sich keiner zurück.
Die Experten sehen jedoch die Notwendigkeit für tief greifende Reformen einer kapitalistisch geprägten Weltwirtschaft. Sie richten den Blick auf eine Gesellschaft, die am Anfang eines großen Umbruchs steht und sich von alten Denkmustern befreien muss. Klimawandel, das Ende des Erdölzeitalters und die wiederkehrenden Finanzkrisen sind Herausforderungen, die mit dem Dogma aufräumen, dass sich mit Wirtschaftswachstum alle Probleme lösen lassen. Die Welt stößt an ihre Wachstumsgrenzen, Rohstoffvorräte gehen zur Neige. Ressourcen wie Böden und Wasserreserven werden rücksichtlos ausgebeutet. Der Nachschub an Nahrung ist gefährdet, und die Kluft zwischen Arm und Reich wächst.
Für all diese Probleme bietet das kapitalistisch geprägte System nach Ansicht seiner Kritiker keine nachhaltigen und überzeugenden Lösungen an. Doch genau die werden dringend benötigt. Die von der SZ befragten Experten haben Modelle für einen sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Wandel entwickelt. Der wird aber nur funktionieren, wenn es Bürger und Staat schaffen, die Allmacht des Kapitals zu brechen und die Solidarität der Völkergemeinschaft zu stärken.