Luftfahrt:"Wir wissen, dass es nicht nur die eine Lösung gibt"

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Sabine Klauke ist Technologiechefin im Airbus-Vorstand. (Foto: oh)

Vor 25 Jahren träumte Sabine Klauke als junge Ingenieurin von einem Wasserstoff-Flugzeug. Als Airbus-Technologiechefin muss sie es jetzt entwickeln. Und damit die Zukunft ihres Arbeitgebers sichern.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Es gab eine Zeit bei Airbus, da kündigten massenweise Ingenieure. Sie konnten einfach nicht mehr. 2006 sollte der erste Airbus A380 an Singapore Airlines ausgeliefert werden, doch stattdessen kämpften die Mitarbeiter mit zu kurzen Kabeln in der Kabine des Riesen-Flugzeuges und inkompatiblen Software-Programmen der verschiedenen Standorte. Durchgearbeitete Nächte waren lange Alltag, bis das Problem mehr als ein Jahr und Milliarden-Ausgaben später einigermaßen im Griff war.

Sabine Klauke war damals eine junge Ingenieurin und zuständig für einen Teil der Kabineninstallation im Werk Hamburg-Finkenwerder. Die heute 48-Jährige hat im Gegensatz zu manchem Kollegen damals durchgehalten und es hat sich offenbar gelohnt. Seit Juli sitzt Klauke als Technologiechefin im Airbus-Vorstand, sie ist die oberste von 11 000 Ingenieurinnen und Ingenieuren. Sie muss in ihrer Rolle nichts weniger als die Zukunft von Airbus vorbereiten. Was sie und ihre Leute entwickeln, entscheidet vor allem darüber, ob der Flugzeugkonzern den dringend notwendigen Sprung in eine nachhaltigere Luftfahrt schafft.

"Als ich bei Airbus angefangen habe, arbeiteten wir an einem Cryo-Plane-Konzept, ein mit Wasserstoff angetriebenes Verkehrsflugzeug", erinnert sich Klauke. "Damals sagten wir, bis zur Einsatzreife der Technologien wird es noch 20 bis 25 Jahre dauern. Und genau da sind wir jetzt." Wasserstoff soll nun tatsächlich eine der tragenden Säulen im Zukunftskonzept von Airbus werden: Im Jahr 2035 will der Konzern ein Flugzeug mit einem solchen Antrieb auf den Markt bringen und damit die Energiewende vorantreiben.

Airbus hat Anfang des Jahres drei Konzeptstudien vorgestellt - ein Regionalflugzeug, ein Modell, das dem heutigen Kurz- und Mittelstreckenjet A320neo sehr ähnelt und ein sehr futuristisch wirkender Nurflügler. Doch Klauke will sich noch nicht festlegen, welche der drei Ideen weiterverfolgt wird oder ob es überhaupt eine der drei sein wird. "Wir glauben definitiv, dass 2035 realistisch ist. Aber es ist noch zu früh, zu entscheiden, wie genau das Wasserstoff-Flugzeug aussehen wird", so die Technologiechefin.

"Wir wissen, dass es nicht nur die eine Lösung gibt, um die Luftfahrt nachhaltig zu gestalten."

14 Jahre klingen nach einer langen Zeit, aber für die Art von Technologiesprung, die Airbus nun vorhat, ist es nicht viel. Denn nie zuvor hat ein Unternehmen in der Luftfahrt versucht, grundsätzlich von traditionellen Energieträger Kerosin auf einen neuen umzustellen. Es braucht Platz für einen Tank, in dem flüssiger Wasserstoff stark gekühlt transportiert werden kann. Er wird sich wohl im hinteren Teil des Rumpfes befinden. Die Motoren müssen verändert werden, Systeme und Flugzeug so ausgelegt sein, dass das heutige Sicherheitsniveau mindestens gehalten werden kann. Der Wasserstoff selbst muss in großen Mengen und nachhaltig produziert werden, sonst ist in Sachen Umweltverträglichkeit wenig gewonnen.

Eine Airbus A350 1000 auf dem Flughafen von Cardiff, Wales: Die Branche muss nachhaltiger werden - zum Beispiel mit Wasserstoff. (Foto: oh)

Und doch ist klar, dass der Umbau mit Wasserstoff alleine nicht gelingen wird. "Wir wissen, dass es nicht nur die eine Lösung gibt, um die Luftfahrt nachhaltig zu gestalten," sagt Klauke. "Wir schauen uns flüssigen Wasserstoff als eine vielversprechende Lösung an, aber wir arbeiten auch an nachhaltigem Treibstoff, sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF), die wir für die Langstrecken brauchen werden." Bislang können die Flugzeuge nur eine Mischung von maximal 50 Prozent SAF betanken, der Rest muss herkömmliches Kerosin sein. Bis Ende des Jahrzehntes aber soll es möglich sein, nur noch synthetischen oder Bio-Treibstoff zu tanken. Je nachdem, wie nachhaltig der dann produziert wird, kann der Kohlendioxid-Ausstoß damit drastisch reduziert werden.

Gerade erst hat die Europäische Union verpflichtende Beimischungsquoten beschlossen, die US-Regierung will den Aufbau von Produktionskapazitäten mit Milliarden-Hilfen unterstützen. Bislang können die nachhaltigen Treibstoffe nur einen winzigen Bruchteil der Nachfrage abdecken und sind noch deutlich zu teuer. Daher "heißen wir die Initiativen der EU und der USA sehr willkommen," sagt Klauke.

Nicht alles hat Airbus selbst in der Hand, viele Dinge müssen zusammenspielen, damit die Luftfahrt schnell genug die Transformation schafft. Andrew Murphy, beim Umweltverband Transport and Environment für die Luftfahrt zuständig, machte am Mittwoch bei einer Airbus-Technologietagung klar, dass aus seiner Sicht die Branche den Wettlauf gegen die Zeit zu verlieren drohe, wenn sie nicht schnell genug handele. In diesem Fall werde die Sache schlicht über die Nachfrage geregelt, sprich die Zahl der Flüge durch Richtlinien oder über den Preis begrenzt.

Klaukes Ingenieure sind deswegen nicht nur mit Zukunftsvisionen beschäftigt. Am Mittwoch etwa präsentierten sie den ersten fertigen Prototypen des "Flügels von morgen". Die Tragfläche ist aus Faserverbundwerkstoffen und nicht mehr wie bei der A320neo aus Metall gefertigt und aerodynamisch optimiert. So ein Flügel könnte schon deutlich früher, etwa bei einer modernisierten Variante der A320neo-Familie, eingesetzt werden.

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