Selm:„Erschreckende Aufnahmen“: Verdacht des illegalen Schächtens

Lesezeit: 2 min

Die Veterinärbehörden ermitteln wegen des Verdachts des illegalen Schächtens Hunderter Schafe und Rinder in einem Schlachthof im westfälischen Selm. "Wir gehen...

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Selm (dpa/lnw) - Die Veterinärbehörden ermitteln wegen des Verdachts des illegalen Schächtens Hunderter Schafe und Rinder in einem Schlachthof im westfälischen Selm. „Wir gehen nach bisherigen Erkenntnissen dem Verdacht nach, dass es neben dem regulären Schlachtbetrieb eine Linie gab, bei der in den frühen Morgenstunden ohne entsprechende Genehmigung Tiere illegal geschächtet wurden“, sagte ein Sprecher des Kreises Unna am Mittwoch. Schon vor Jahren hatte es Hinweise auf Schwarzschlachtungen ohne Betäubung in dem Hof gegeben, später fehlten aber die Beweise.

In Abstimmung mit dem Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz (Lanuv) sei der Hof nach Hinweisen einer Tierrechtsorganisation am vergangenen Donnerstag von den Behörden geschlossen worden. Die Tierrechtsorganisation „Soko Tierschutz“ hatte Videoaufzeichnungen aus dem Hof gemacht und die mutmaßlichen Verstöße angezeigt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund sagte am Mittwoch, das umfangreiche Videomaterial werde noch geprüft, um einen Anfangsverdacht auf Verstöße gegen das Tierschutzrecht zu begründen. Mehrere Medien hatten zuvor berichtet.

In einem schriftlichen Bericht für den Landtag befasst sich auch das Umweltministerium mit dem Vorgang: „Eine erste Sichtung des Videomaterials lässt erschreckende Filmaufnahmen über Aufhängen von Tieren bei vollem Bewusstsein und Töten durch Kehlschnitt ohne Betäubung erkennen.“ Demnach ist nach Informationen der Tierrechtsorganisation die Rede davon, dass allein in diesem Jahr mindestens 117 Schafe und 31 Rinder nachts außerhalb der regulären Schlachtzeiten ohne amtliche Schlachttier und Fleisch-Untersuchungen geschächtet wurden.

Nach Ministeriumsangaben werden bei dieser Schlachtform nach „rituellen Regeln einer Glaubensgemeinschaft“ die Tiere ohne vorherige Betäubung mittels Halsschnitt getötet. Sie sterben, in dem sie noch bei Bewusstsein ausbluten. „An der Erheblichkeit des Leidens von Tieren beim Schächten kann kein Zweifel bestehen“, stellt der Bericht grundsätzlich klar.

Der gesamte Schlachtbetrieb auf dem Hof sei weiterhin untersagt, so der Kreissprecher. Den beiden Betreibern wurde zudem der Umgang mit Tieren verboten. Zur Zeit prüfe man unter anderem, wohin das Fleisch geliefert wurde, und versuche den Sachverhalt aufzuklären.

Bei dem betroffenen Betrieb handelt es sich den Angaben der Behörden zufolge es sich um ein kleineres Unternehmen, bei dem monatlich etwa 100 Tiere regulär unter amtlicher Überwachung geschlachtet werden. Es beliefere den Einzelhandel in der Dortmunder Region. Die Tierrechtsorganisation „Soko Tierschutz“ verwies in einer Mitteilung von Mittwoch auf Bildmaterial aus dem Schlachthof, das dokumentiere, wie Rinder und Schafe „systematisch“ und bei vollem Bewusstsein geschlachtet wurden. Die Tierrechtler kritisieren außerdem, dass die Veterinäre so lange nicht eingeschritten seien.

„Wir müssen davon ausgehen, dass schon früher und damit auch mehr Tiere geschächtet wurden, als in den nun gefilmten Fällen“, sagte der Kreissprecher. Es habe bereits im Jahr 2002 Hinweise auf betäubungsloses Töten von Rindern und Schafen auf dem Hof gegeben. Das folgende Verfahren sei aber mit einem Vergleich zu Ende gegangen. Ein erneuter Versuch, den Verdacht zu beweisen, sei dann gescheitert. „Unsere Mittel sind begrenzt“, so der Kreissprecher. Die Behörden hatten laut Kreissprecher in den vergangenen Jahren jeweils Fleischabfälle umgeleitet und untersucht - konnten aber beim zweiten Mal nicht mehr nachweisen, dass die Tiere ohne Betäubung getötet wurden. Das Videomaterial aus dem Stall lege nun nahe, dass die schon sterbenden Tiere mit einem Bolzenschussgerät betäubt wurden, sagte der Sprecher. So soll die illegale Praxis vertuscht worden sein.

In Deutschland ist das Schlachten ohne vorherige Betäubung grundsätzlich verboten. Der Tierschutz verlangt eine Betäubung, die das Schmerzempfinden der Tiere sicher ausschaltet. Um zugleich die Religionsfreiheit mit entsprechenden Glaubensvorschriften zu gewährleisten, sind Ausnahmen möglich. In Nordrhein-Westfalen sei eine Ausnahmegenehmigung noch nie erteilt worden, betonte das Landesumweltamt. Die tierschutzrechtlichen Hürden dafür seien sehr hoch.

© dpa-infocom, dpa:210324-99-949711/4

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: