Kolumne: Darf man das?:Exzessiv kochen

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Man kann Nachbarn nicht vorschreiben, wie oft sie Gerichte mit Zwiebeln oder Knoblauch kochen dürfen. Wenn allerdings Essensgeruch den Nachbarn den Schlaf raubt, kann das zu Streitigkeiten führen, die manchmal sogar vor Gericht landen. (Foto: Rob Stark/Imago)

Essensgerüche führen häufig zu Streit. Im Freien haben Hobbyköche weniger Freiheiten als in der Wohnung. Aber auch drinnen geht nicht alles.

Von Stephanie Schmidt

Paradiesische Zeiten sind das, in denen wir leben - jedenfalls für alle, die gerne kochen. In Lebensmittelgeschäften und auf Märkten gibt es eine beeindruckende Auswahl an Gewürzen und Kräutern aus aller Welt - und eine Fülle von Rezepten für exotische Gerichte noch dazu. Also nichts wie auf in die Küche und ein neues Wok-Gericht ausprobieren. Wie köstlich das duftet! Doch plötzlich klingelt der Nachbar und klagt: "Da weht ein unerträglicher Geruch zu mir rüber!"

Weil das angeblich schon öfter der Fall war, droht er, sich an den Vermieter zu wenden. Doch dürfen die Nachbarn einem verbieten, zu Hause seine Vorliebe, zum Beispiel für asiatische Speisen, auszuleben? "In der Wohnung darf ich in meiner Küche kochen, was ich möchte", sagt Julia Wagner, Leiterin Zivilrecht des Verbands Haus & Grund in Berlin. "Der Vermieter darf bei den Zutaten, etwa den Gewürzen, keine Einschränkungen machen." Gerichte nach eigenem Gusto zuzubereiten, gehöre zur üblichen Nutzung der Wohnung. Auf diesen Standpunkt stellte sich auch das Amtsgericht Essen: Dass Nachbarn zu den unterschiedlichsten Zeiten und jeweils nach ihrem Geschmack kochen, sei grundsätzlich zu dulden, auch wenn dies nicht unbedingt den Vorstellungen anderer entspreche (Az. 10 S 491/98).

Andererseits muss man immer auch Rücksicht auf die Nachbarn nehmen und sich beim Kochen angemessen verhalten. Das heißt: Wenn intensiver Zwiebeldunst fast jeden Tag von ganz unten durchs Treppenhaus bis nach oben in den sechsten Stock zieht, weil der Hobbykoch im Erdgeschoss die Fenster seiner Wohnung so gut wie immer geschlossen hat, dann darf der Vermieter ihn ermahnen, korrekt zu lüften. Mal ganz abgesehen davon, dass ansonsten Schimmel in der Wohnung entstehen könnte.

Wie oft man draußen kochen darf, hängt nicht nur von der Toleranz der Nachbarn ab

Es kann im Einzelfall passieren, dass man sich zurücknehmen muss, weil andere argumentieren, dass sie ihre Wohnung wegen des Essensgeruchs nicht mehr adäquat nutzen können: Das war in einem Mehrfamilienhaus der Fall, in dem die Mieter wach lagen, weil der Nachbar sich so gern nachts an den Kochtöpfen austobte. Die Richter verpflichteten den Vermieter, die Störung der Nachtruhe durch Gerüche zu unterbinden; außerdem hielten sie eine Mietminderung von zehn Prozent für angemessen (Az. 122 C 156/21).

Und wenn man im Sommer lieber draußen Speisen zubereitet? Diejenigen, die von der neuen Outdoor-Küche, die sie im eigenen Garten oder auf dem Balkon installiert haben, so begeistert sind, dass sie fast täglich dort kochen, sei es deutsche Hausmannskost oder ein fernöstliches Curry, müssen damit rechnen, dass ihnen dafür womöglich bestimmte Regeln auferlegt werden. "Wenn man in einer Outdoor-Küche auf dem Balkon oder im Garten sehr oft zum Beispiel einen intensiv riechenden Eintopf kocht, könnte es Einschränkungen geben. Etwa, dass man das nur noch vier- oder fünfmal im Monat machen darf. Solche Regelungen legen die jeweiligen Richter im Einzelfall fest", so Wagner.

Auch beim Thema Grillen gebe es vergleichbare Regelungen, die jeweils individuell festgelegt würden. Zum Vergleich: Bei anderen Arten von Gerüchen gibt es keine derartigen Kompromisse - wenn etwa der Biomüll auf dem Balkon zum Himmel stinkt. "Dann kann der Vermieter das untersagen", betont Wagner. Denn ein Mülleimer darf nur dann auf dem Balkon platziert werden, wenn er keine üblen Gerüche verbreitet.

Kann man die Miete mindern, wenn im Nachhinein eine Garküche einzieht?

Ist der neue Nachbar ein Gastronomie-Profi, kann eine echte Leidenssituation entstehen: Man ist in eine Stadtwohnung gezogen, unter der sich ein klassisches Tagescafé befand, in dem nur ein paar Snacks sowie Kaffee und Kuchen serviert wurden. Eines Tages nistet sich am gleichen Ort eine Garküche ein - und penetrante Gerüche dringen in die eigene Wohnung. Hier könne Paragraf 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Anwendung finden, sagt Julia Wagner. Bezogen auf diese spezielle Situation heißt das: Wenn man gewusst hätte, dass im gleichen Gebäude eine Garküche einzieht, hätte man wohl kaum den Mietvertrag unterzeichnet. Immerhin stehen in dem Fall zumindest die Chancen auf eine niedrigere Monatsmiete nicht schlecht.

Manchmal gelingt es nach einem versöhnlichen Gespräch, den Konflikt zu beenden - der eine kocht seltener draußen, und wenn doch, zeigt sich der andere tolerant. Falls ein Mieter aber einfach kontaktlos beschließt "Ich mindere jetzt mal die Miete", sei das keine gute Idee, findet Wagner. "Wenn man nicht rechtzeitig miteinander redet, kann gerade das Thema Essensgeruch zu dauerhaftem Streit führen - und zur Eskalation: Der Vermieter kann dem Mieter ab einem bestimmten Punkt kündigen, wenn er unberechtigt immer weiter die Miete mindert."

Das Thema Essensgeruch ist auch schon deshalb so kompliziert, weil es viel mit subjektivem Empfinden zu tun hat, was gut riecht und was schlecht. So kann es sein, dass zwei verschiedene Vermieter gar nicht nachvollziehen können, warum sich ihre Mieter wegen der Vorliebe des einen für Szegediner Gulasch bekriegen. "Manche Konflikte lassen sich nicht lösen", weiß Julia Wagner aus Erfahrung. "Dann ist es manchmal das Beste, wenn man auszieht."

Die Autorin saß gern auf ihrem Balkon - solange bis neben ihm ein Außenaufzug installiert wurde. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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