Bier als Dünger? Mit Tee gießen? Tabak gegen Blattläuse? Im Internet kursieren die wildesten Gerüchte zum Thema Garten- und Balkonbepflanzung. Eine Empfehlung hält sich ziemlich hartnäckig: Mit Pflanzen müsse man sprechen.
Silvia Appels Pflanzen wachsen auch ohne persönlichen Zuspruch. Die Hobbygärtnerin aus Würzburg betreibt den Blog " Garten Fräulein" und hat ein Buch zum Thema veröffentlicht. Darin beschreibt die 29-Jährige, wie sie Setzlinge pikiert, Samen vorzieht oder Gänseblümchen-Sirup selbst macht.
SZ: Frau Appel, gibt es Menschen, die einfach keinen grünen Daumen haben?
Silvia Appel: Völliger Quatsch. Jeder Mensch hat einen grünen Daumen! Es gibt nur Leute, die sich mit ihren Pflanzen beschäftigen und andere, die das nicht tun. Es kann ja auch nicht jeder Mensch automatisch Gitarre oder Schlagzeug spielen. Das braucht Übung und Geduld. Genauso ist es mit den Pflanzen: Eine Gurke oder Basilikum hochzuziehen, ist kein Hexenwerk, man muss es nur ausprobieren und sich an ein paar Regeln halten.
Welche Regeln sind das?
Zum Beispiel werden Kräuter nicht wild durcheinander gepflanzt, weil sich manche nicht vertragen. Die verschiedenen Arten haben unterschiedliche Ansprüche an Erde, Standort und Wasserzufuhr. Deshalb sollten mediterrane Kräuter, die wenig Wasser brauchen, wie Rosmarin, Salbei oder Thymian, nicht in einen Topf mit Schnittlauch oder Basilikum, die mehr Wasser benötigen. Generell sollte man die Anforderungen der Pflanzen kennen. Wie groß muss das Pflanzgefäß sein, welchen Standort braucht die Pflanze und wieviel Wasser tut ihr gut?
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Frisches Basilikum schmeckt besser als fertiges Tomate-Mozzarella-Dressing, ein Tee aus selbst gezogener Minze frischer als die Trockenmischung aus dem Beutel. Kräuter sind vielseitig einsetzbar. Wie wachsen sie auf kleinem Raum am besten? Tipps für den Anbau auf dem Balkon.
Angenommen, ich halte mich an alles. Wo können trotzdem Fehler passieren?
Oft geht bei der Ernte etwas schief. Vor allem bei Kräutern ist das schnell passiert. Viele schneiden Basilikum unten direkt am Trieb ab. Dabei sollte man die Blätter an den Blattachseln abtrennen, also dort, wo sich zwei Blätter teilen. Nur so können neue nachwachsen. Beim Abernten muss man außerdem aufpassen, andere Blüten oder Früchte an der Pflanze nicht zu beschädigen. Welke Blüten sollten sofort entfernt werden. Das fördert die neue Blütenbildung. Viele Fehler passieren außerdem bei der Überwinterung. Pflanzen brauchen auch im Winterquartier ab und zu einen Schluck Wasser.
Kann man Pflanzen auch überpflegen?
Ja, vor allem kann man sie übergießen. Mehr Pflanzen gehen ein, weil sie ertrinken und nicht, weil sie vertrocknen. Außerdem kann man Pflanzen falsch gießen. Viele Blätter mögen es nicht, wenn sie von oben gegossen werden.
Selbst wenn ich alles richtig mache, gehen meine Pflanzen kaputt. Was tun gegen Schädlinge?
Auf deutschen Balkonen hat man häufiger mit Blattläusen zu tun. Wenn man die erste Blattlaus erspäht, wirft man den Trieb am besten sofort in den Müll. Dann besteht noch die Chance, der Läuseinvasion zu entgehen. Wenn es schon zu spät ist, helfen ein paar alte Hausmittel. Ich besprühe befallene Pflanzen täglich mit Seifenlauge oder einem Tabaksud (1 EL Tabak mit 1 Liter Wasser mischen, aufkochen und ein bis zwei Tage stehen lassen) - das wirkt Wunder. Robuste Pflanzen kann man auch in die Badewanne stellen und die Blattläuse abbrausen. Wenn gar nichts mehr hilft, bestelle ich mir im Internet Nützlinge, gegen Blattläuse etwa Marienkäferlarven.
Der Sonneneinfall spielt eine wichtige Rolle. Was muss ich beachten, wenn ich einen Nordbalkon habe, was beim Südbalkon?
Beim Einkauf darf man nicht nur nach der Optik gehen, sondern muss das Etikett studieren, für welchen Balkon die Pflanze geeignet ist. Außerdem hilft die Überlegung, woher die Pflanzen ursprünglich kommen. Dann weiß man auch, ob sie viel Sonne brauchen oder nicht. Natürlich wachsen mediterrane Kräuter oder Gemüse wie Thymian oder Tomaten auch auf einem Nordbalkon - aber nicht so schnell und ertragreich wie auf einem sonnigen Balkon. Es gibt auch spezielle Schattenpflanzen wie Funkien, Farne, Bergenien, Bärlauch, Begonien oder das fleißige Lieschen. Ein Tipp für den Südbalkon: Große Pflanzenkübel verwenden, die Wasser länger speichern können.
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Was halten Sie von Spezialerde?
Eigentlich nichts. Sinn macht ausschließlich spezielle Kräutererde. Kräuter bevorzugen einen nährstoffarmen Boden, deshalb sollte man dafür tatsächlich keine herkömmliche Erde verwenden. Ansonsten finde ich Spezialerden für die normale Balkonbepflanzung unnötig. Das ist nur Marketing. Ich verwende für meine Pflanzen ausschließlich Bio-Erde, die ist torffrei und ohne chemische Zusätze, denn Torf brauchen die Pflanzen nicht. Produkte, die Torf enthalten, sind zwar günstiger, aber am Ende zahlt die Natur: Für den Torfabbau werden Moore trockengelegt.
Der Trend geht zur Obst- und Gemüsezucht auf dem Großstadtbalkon. Mit welchen Sorten kommen auch Anfänger zurecht?
Kräuter brauchen wenig Wasser, das sollte auch für gestresste Manager zu schaffen sein. Ich habe auf meinem Balkon einen kleinen Feigenbaum, der benötigt wenig Platz und Pflege. Auch Beeren sind sehr genügsam. Ich habe zum Beispiel einen Brombeer-Strauch, der am Geländer entlang rankt und daher sehr platzsparend ist. Auch Erdbeeren machen neue Balkongärtner glücklich. Gemüse ist generell sehr leicht anzubauen. Es empfiehlt sich, im Frühjahr mit einer Jungpflanze zu starten und nicht mit einem Saatkorn. Ein Botanik-Neuling sollte es erst einmal mit Pflücksalat, Tomaten oder Chili versuchen. Das kriegt wirklich jeder hin.