Kolumne "Eigener Herd":Gold in Gläsern

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Als Marmelade schmecken Mirabellen besonders gut mit Rosmarin oder Lavendel. (Foto: peppi/imago/Panthermedia)

Kriecherl, Renekloden, Mirabellen: Im Spätsommer haben kleine Pflaumen Hochsaison. Und was macht man daraus? Ganz klar: Marmelade. Oder noch besser: Die umwerfende georgische Barbecue-Soße Tkemali.

Von Marten Rolff

Zwischen Juli und September ist Pflaumenzeit, und die ist so schön wie kompliziert. Derart viele Unterarten haben Saison, dass auch Interessierte den Überblick verlieren. Allein die zwölf populäreren Zwetschgensorten auseinanderzuhalten, die im Erntekalender der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau gelistet sind, erfordert Orientierungssinn. Und auch im großen Kreis der kleinen, kugeligen Edelpflaumen, von denen viele im August reif werden, sind Verwechslungen die Regel. Die gute Nachricht: Schmecken tun sie alle.

Und auch wenn Kochbuchautoren (oft zu Recht) auf die unterschiedlichen Eigenschaften einzelner Unterarten oder Sorten verweisen (süßer, saurer, steinfest oder nicht, hart oder weich), allzu orthodox muss man bei der Verwendung nicht vorgehen. Auch Früchte derselben Sorte können von Baum zu Baum, Region zu Region oder Jahr zu Jahr geschmacklich variieren. Am besten also, man experimentiert beim Einkochen und Backen ein wenig, gleicht aus, schmeckt ab - und genießt eine Sortenvielfalt, wie es sie nur noch selten gibt.

Verwirrend: Dieselbe Pflaumensorte hat rote, gelbe und grüne Varianten

Da wäre die süße Reneklode (auch Reineclaude oder - österreichisch - Ringlotte), die ihren Namen entweder der französischen Königin Claudia (Reine Claude) oder dem Pomologen René Claude verdanken soll und die - Verwirrung! - rot, gelb oder grün sein kann. Da wäre die gelbe Mirabelle, die reif nach Honig duftet, aus Vorderasien stammt, ihre Hochburg aber in Frankreich hat: In Lothringen stehen 250 000 Bäume, die 70 Prozent der Weltproduktion liefern. Und es gibt das wilde, nicht veredelte, also wurzelechte Kriecherl aus dem Alpenraum, das mal blau ist und mal gelb-grünlich, weniger süß und bodenständig im Geschmack. Aus all diesen Pflaumen lässt sich sehr gut Röster oder Marmelade kochen. Wobei das Kriecherl die mit Abstand meiste Frucht und Säure mitbringt.

Die Mirabelle eignet sich für elegantere Marmeladen, parfümiert mit etwas Rosmarin oder Lavendel etwa. Dafür nimmt man 1 kg entsteinte Mirabellen, reibt die Schale einer Biozitrone hinein, püriert alles und kocht es mit 500 Gramm Gelierzucker (1:2) für vier Minuten sprudelnd auf, wobei man die Blüten von 3 bis 4 frischen Lavendelrispen mitkochen lässt. Man kann die Blüten später einfach drinlassen. Wer keine Stückchen möchte, püriert den Lavendel mit, dann bekommt die Marmelade aber einen leichten Grauschleier. Alternativ lässt man die Rispen in einem Teeei oder Gewürzei mitkochen und entfernt sie später. Vorsicht: Nicht zu viel Lavendel nehmen, weil die Marmelade sonst seifig schmeckt. Die süße Reneklode funktioniert als Konfitüre übrigens toll mit Riesling (500 Gramm entsteinte Renekloden auf ¼ Liter Riesling, den Saft von 2 Zitronen, 2 Stangen Zimt und 1 Kilo Gelierzucker 1:1).

Spannender ist es aber, die Pflaumen herzhaft auszubauen, und zwar zu Tkemali, einer georgischen Würz- und Barbecuesoße, für die man jedes Ketchup stehen lässt. In Georgien ist Tkemali eine Nationalzutat, die zu Gemüse (wie etwa zu roher Bete, fein geraspelt!) wie zu Fisch oder Grillfleisch gereicht wird und aus unreifen (grün) oder reifen (rot) Kirschpflaumen gekocht werden kann, enge Verwandte der Mirabelle. Vor allem in Youtube-Tutorials hat man aber schnell den Eindruck: Nahezu jede Pflaume eignet sich für Tkemali, es kommt auf die Balance aus Frucht, Süße, Säure, Knoblauch, Salz und Kräutern an. Manchmal wird mit Zucker nachjustiert, meist wird er weggelassen.

Ein gutes Basisrezept stammt aus dem wunderbaren Kochbuch "Tasting Georgia" von Carla Capalbo. Dafür 600 g Pflaumen im Ganzen in einem Topf mit Wasser bedecken (eventuell mit ein paar Stängeln Minze würzen) und je nach Größe etwa 15 Minuten kochen, sodass sie weich sind, aber noch nicht zerfallen. Die Pflaumen in einem Sieb über einer Schüssel abtropfen und auskühlen lassen. Kochwasser beiseite stellen. In einem Mörser einen 3/4 TL Koriandersaat, 1/4 TL Fenchelsaat und 1/4 TL Salz zerstoßen und mit 3 großen Knoblauchzehen und nach Geschmack mit frischer Chili (rot) vermengen. In vielen Rezepten wird auch 1/2 TL Bockshornklee (blau!) oder die Gewürzmischung Khmeli Suneli zugegeben. Die Pflaumen ohne Steine aber mit Schale durch die Flotte Lotte drehen, sodass ein sämiges Püree entsteht (eventuell mit wenig Kochwasser strecken) und mit der Gewürzpaste verrühren. Am Ende mit 30 g fein gehackten Kräutern mischen (Pflicht sind Koriander, Dill und Minze, aber auch Basilikum ist toll), mit Salz abschmecken und bei Bedarf mit dem Pürierstab glatt rühren. Im Glas hält sich Tkemali ein bis zwei Wochen im Kühlschrank. Wer die fertige Soße noch einmal aufkocht, kann sie auch in sterile Gläser füllen und einwecken. Dann am besten mit doppelter oder dreifacher Rezeptmenge planen.

Das braucht man für Tkemali

- 600 g Pflaumen

- 3/4 TL Koriandersaat

- 1/4 TL Fenchelsaat

- 1/4 TL Salz

- 3-4 Knoblauchzehen

- 30 g Kräuter (etwas mehr ist sicher kein Fehler): Koriander, Minze, Dill

- nach Gusto: rote Chili, 1/2 TL Bockshornklee blau, Chili-Pulver, Basilikum

Das braucht man für Mirabellen-Marmelade

- 1 Kilo entsteinte Mirabellen

- Abrieb einer unbehandelten Zitrone

- 500 g Gelierzucker (1:2)

- 3-4 frische Lavendel-Rispen (Alternativ: 2 Rosmarinzweige)

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