Kooperationen von Modemarken:Vereinte Kräfte und gegenseitiges Befruchten

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Rick Owens für Birkenstock, Gosha Rubchinskiy für Burberry: Marken-Paarungen sind in der Mode gerade sehr angesagt. Klar, doppeltes Logo sorgt für doppelte Aufmerksamkeit. Nur übertreiben sollte man es nicht.

Von Silke Wichert

Der amerikanische Designer Virgil Abloh ist ziemlich polygam unterwegs. Er entwirft die Herrenlinie für Louis Vuitton und für seine eigene Marke Off-White, hat aber auch Sneaker für Nike und Türstopper für Ikea gestaltet. Und dieser durchsichtige Rimowa-Koffer, der ist natürlich auch von ihm. Rimowa wiederum hat dieses Jahr schon mit Fendi sowie mit der Streetwear-Marke Supreme zusammengearbeitet, die ja wiederum letzten Sommer dieses irre erfolgreiche Intermezzo mit Louis Vuitton hatte. Die Konkurrenz von Gucci kooperiert derweil mit dem New Yorker Schneider Dapper Dan. Und mit der Videospiel-Marke Sega.

Dass zwei Marken sich zusammentun, ist im Prinzip nichts Neues. Es geht um vereinte Kräfte und gegenseitiges Befruchten, am Ende stehen zwei Logos auf der Verpackung. Doppelt hält zwar nicht besser, macht aber meist mehr Eindruck. Die sogenannte Capsule Collection - auf Deutsch etwas pharmazeutisch "Kapsel" genannt - kommt dann meist mit großem Marketingwirbel auf den Markt, damit das Techtelmechtel für den Medienrummel sorgt, der im Idealfall auch zu mehr Verkäufen führt.

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Angefangen hat das große Paaren einst mit Jil Sander, die 1998 einen Sneaker mit Puma entwarf, Adidas legte 2002 mit einer Kollektion von Yohji Yamamoto nach. Und dann kam zwei Jahre später die schwedische Modekette H&M auf die Idee, Karl Lagerfeld zu verpflichten. Unerhört war das, vor allem unerhört erfolgreich. Die bekannteste alljährliche Designerkooperation hat in ihrer Wirkung mittlerweile etwas nachgelassen, was zum einen daran liegt, dass die Schweden von Versace bis Balmain fast alle großen und mit Erdem im letzten Jahr auch etwas kleinere Namen durchhaben. Zum anderen hat die Konkurrenz von Uniqlo bis zur Kaufhauskette schon längst nachgezogen. Wohin das führte, ist bekannt: Tchibo x Michael Michalsky, Wolfgang Joop x Galeria Kaufhof, Sodom x Gomorra. Spätestens damals wurde der Aus-zwei-mach-eins-Trend für tot erklärt.

So richtig weg ging er allerdings nie, und seit vergangenem Jahr gibt sich die Mode sogar so paarungswütig wie nie. "Die Zahl der Kooperationen explodiert förmlich", sagt Volker Ketteniss, Menswear Director bei der Trendforschungsagentur WGSN. "Weil der Markt ständig nach Neuem verlangt, sind schnelle Koops ein probates Mittel und längst zum Standard geworden." Der Unterschied zu früher: Während es lange Zeit vor allem um die Kreuzung "Discount trifft Luxus" ging, wird jetzt in alle Richtungen kombiniert: Rick Owens mit Birkenstock, Jeff Koons mit Louis Vuitton, Glenn Martens vom Newcomer-Label Y/Projekt mit Diesel, Converse mit JW Anderson. Riese trifft Riese, Old School trifft Avantgarde. Vor allem: Luxus trifft Streetwear.

Als Anfang letzten Jahres Gerüchte über "Louis Vuitton x Supreme" die Runde machten, hielten viele das noch für einen Scherz - die piekfeinen Franzosen mit diesen amerikanischen Skatern, die man zuletzt wegen eines Boards mit LV-Logo verklagt hatte? Kann nicht sein! Ein paar Monate später setzte dann der sehr reale Beschaffungskampf ein, vor den Pop-up-Stores standen die Kunden weltweit die ganze Nacht lang Schlange, um Sweatshirts für rund 600 Euro zu erstehen. Hinterher wurden sie für ein Vielfaches auf Ebay oder Vestiaire Collective angeboten.

Auch Burberry heuerte einen eher Streetwear-lastigen Designer für eine Frischzellenkur an: Das russische Wunderkind Gosha Rubchinskiy entwarf für diesen Sommer und nächsten Herbst eine Sonderkollektion - lustigerweise genau in dem Stil, wie die britische Marke ihn einst unbedingt loswerden wollte. Leicht prollig, mit Karo im ganz großen Stil. Der Effekt ist so simpel wie wirkungsvoll: Die Traditionsmarke bekommt einen neuen Anstrich, die Konsumenten erhalten ein frisches Produkt, beide Labels haben plötzlich Zugang zur Zielgruppe des anderen. Aber wird zu viel Austausch nicht irgendwann austauschbar?

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(Foto: Rimowa)

Zwei Traditionsmarken, die sich die Street Credibility mit Hilfe eines Gastdesigners verschafft haben: Koffer von Virgil Abloh für Rimowa, ...

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(Foto: Burberry)

... ein Outfit von Gosha Rubchinskiy für Burberry.

"Im Grunde hat das Prinzip ein bisschen zu gut funktioniert", sagt Trendforscher Ketteniss. "Früher oder später kommt der Sättigungspunkt, an dem sich nur noch die Kooperationen verkaufen, die Kunden wirklich ansprechen." Etwa Produkte, die ohne die Expertise des anderen nie möglich gewesen wären, oder wirklich spektakuläre, durchdachte Paarungen statt schnellen Co-Brandings, um höhere Preise verlangen zu können. Da könnten die Kunden mittlerweile sehr gut unterscheiden, glaubt Ketteniss.

Andererseits gewöhnen sich vor allem die Millennials durch Internet und Social Media immer mehr daran, dass alles miteinander vernetzt ist. Jeder verbindet sich mit jedem, zitiert und tagged die halbe Welt. Schwarmintelligenz statt Solonummer. Die Musik macht es der Mode längst vor: In der Hip-Hop-Kultur, deren Einfluss auf die Mode so stark ist wie nie, "featured" ständig einer den anderen, Teamwork ist alles. Dass Aerosmith 1986 zusammen mit Run-DMC "Walk this way" schrien, ist rückblickend wie eine Marschrichtung zu verstehen. Mittlerweile holt sich jedes Popsternchen alle Nase lang jemanden ins Studio, damit die Alben nicht immer gleich klingen. Laut dem Magazin Economist stammt ein Drittel der amerikanischen Hitsingles mittlerweile von mehreren Künstlern. So wie der Total-Look (nur ein Label am Leib) in der Mode immer mehr an Bedeutung verliert, werden co-designte, also quasi vorab zusammengemischte Kollektionen immer selbstverständlicher.

US-Designer Heron Preston entwarf eine Kollektion mit der New Yorker Müllabfuhr

Vor allem das umjubelte Label Vetements hat die Kunst des Kooperierens noch einmal auf ein ganz neues Level gehoben: In ihrer Sommerkollektion 2017 zeigten die Designer ganze 18 "Collabs", von Levi's über Champion bis Alpha Industries, weil sie festgestellt hätten, dass ihnen bei gewissen Sachen schlicht die Expertise fehle. "Die Bomberjacken, die wir ursprünglich selbst in Italien gefertigt hatten, hatten so viele technische Mängel, dass wir nur hoffen können, dass niemand damit je ein Cockpit bestiegen hat", erklärte Designer Demna Gvasalia damals. Von Vetements kam natürlich auch das DHL-T-Shirt, das erst einmal gar keine Zusammenarbeit, sondern irgendwas zwischen Parodie und Hommage war. Am Ende kooperierten sie aber tatsächlich mit dem Paketdienst und setzten wieder einen neuen Standard: Nicht "gleich und gleich gesellt sich gern bringt Aufmerksamkeit" - sondern: "je abwegiger, desto besser". Der amerikanische Designer Heron Preston entwarf kürzlich eine nachhaltige Kollektion in Zusammenarbeit mit der New Yorker Müllabfuhr. Das Model Kendall Jenner trug den orangefarbenen Trainingsanzug prompt. Berührungsängste? Kann sich die Mode längst nicht mehr leisten.

Nur wenige Marken bleiben auch weiterhin lieber unter sich. Bei Saint Laurent oder Céline etwa gab es bislang keine nennenswerten Kooperationen. Chanel hingegen entwarf vergangenen November bekanntlich einen limitierten Sneaker in Zusammenarbeit mit Pharrell Williams und Adidas, der im Wiederverkauf das Zehnfache der ursprünglichen 1000 Euro kostete. Wie singen die Pet Shop Boys so passend? "I've Got the Brains, You've Got the Looks, Let's Make Lots of Money".

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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