Dieser Sommer war bislang ein sehr ereignisreicher im Leben der Französischen Bulldogge Chloe. Gerade posierte sie vor einem Eis, serviert vom Fahrdienst Uber, das in einem Becher gereicht wurde, der perfekt mit ihrer pinkfarbenen Leine harmonierte. Sie starrte zuvor sinnierend in eine Kiste voller "Emoji"-Cupcakes und erwähnte dabei netterweise Sony Pictures, die den Film gleichen Namens gemacht haben. Sie saß vor einem Tablett mit Lippenstift und Nagellack von Urban Decay Cosmetics. Sie besuchte Gucci in Mailand, wobei ihr Fell glänzte. Vielleicht lag das an ihrem neuen Dyson-Föhn, von dem sie unlängst schwärmte.
Chloe lebt in New York, reist viel, und was sie so treibt, lässt sich bei Instagram verfolgen, dem natürlichen Habitat einflussreicher Tiere im Internet. Petfluencer heißen sie in Anlehnung an Influencer, also Menschen, die irgendetwas bei Instagram, Facebook und Youtube machen, was mindestens 50 000 Follower interessiert, was wieder Firmen interessiert, die einflussreiche Markenbotschafter suchen.
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Die Bulldogge, die auf Instagram unter dem Namen "cloetheminifrenchie" als Hobbys Reisen, Essen und Mode angibt, hat 173 000 Abonnenten, was solide ist, aber nicht bahnbrechend, bedenkt man, dass die mürrische Grumpy Cat 2,3 Millionen Fans hat und Tuna, ein Mix aus Dackel und Chihuahua mit Überbiss, 1,9 Millionen.
Interessant an Chloe ist eben auch ihre Besitzerin Loni Edwards, die The Dog Agency in New York betreibt, eine Agentur, die sich um werberelevante Hunde im Netz kümmert. Mehr als 100 Dogfluencer sind bei ihr unter Vertrag, auch Tuna und Dackel Crusoe. Wie viel Potenzial in einem Hund steckt, sagt Edwards, habe sie gemerkt, als sie vor vier Jahren Chloes Account bei Instagram gestartet hätte. Sehr schnell hätten sich Sponsoren gemeldet.
Wenn Konzerne wie Merck, Nikon oder Google sich mit Tieren bekannter machen wollen, rufen sie Loni Edwards an. Sie bekomme "Berge von Anfragen". Ihre Hunde mit mehreren Millionen Followern könnten 10 000 bis 15 000 Dollar nehmen für einen Post, in dem ein Produkt platziert ist.
Werbung mit Tieren ist nun wirklich kein neues Phänomen. 1973 kam die lila Milka-Kuh zur Welt. Affe Charly verzog 1990 erstmals für den Sportkleidungshersteller Trigema die Schnute. Der Spot für den Toffeedrops Rolo mit der späten Rache eines Dickhäuters ("Elefanten vergessen nie") ist längst ein Klassiker der Tierwerbung.
Petfluencer kombinieren zwei Vorteile. "Gleich nach Babys und hübschen Frauen erzielen Hunde und Katzen in der Werbung die höchste Aufmerksamkeit und Sympathie beim Zuschauer", sagt Dörte Spengler-Ahrens, Kreativchefin von Jung von Matt. Zudem gehörten Hunde- und Katzenvideos im Internet "zum beliebtesten Content". Tiere gehen also immer, im Internet noch mehr, vor allem, weil die Videos gerne geteilt werden und die Reichweite steigt, was Firmen interessiert.
Niedlich, unschuldig, lustig, sucht: Follower
Jung von Matt drehte 2016 einen viralen Spot, in dem Katzen, die berühmten Internetkatzen wie Grumpy Cat huldigen, in einem Netto-Discounter einkaufen und sich vor Gurken erschrecken. Innerhalb von sechs Tagen wurde der Clip bei Facebook 9,4 Millionen Mal angeklickt, bei Youtube 4,5 Millionen Mal. Ob nach dem Spot alle Netto für einen supercrazy Ort halten, ist nicht geklärt, aber eine Spur sympathischer ist der Supermarkt doch geworden.
"Es ist die Sehnsucht der Menschen, in dem ganzen Wahnsinn, der uns täglich begegnet, auch mal etwas Niedliches, Unschuldiges, Lustiges zu sehen", sagt Dörte Spengler-Ahrens. Gute Stimmung hebt auch die Kaufbereitschaft. Aber einfach so ein Tier in einen viralen Spot zu verpflanzen, ohne Idee, schafft der Kreativchefin zufolge noch keinen anhaltenden Erfolg. Auch müsse man abwarten, ob der Trend, der vorrangig in den USA vertreten ist, überhaupt anhalte. Wenn überall Tiere lustige Dinge machen in ungewöhnlichen Kontexten, ist die Überraschung futsch.
Auf der Seite furcard.com kann man die Stars unter den Petfluencern besichtigen. Fast alle kommen aus den USA, einige aus Japan und Großbritannien. Die Auswahl deutscher Petfluencer ist dürftig, neben Beagle Rocky oder Mops Konrad, deren Fans handverlesen sind, gibt es vor allem Mr. Pokee, einen Wiesbadener Weißbauchigel mit 303 000 Followern bei Instagram. Er bietet eine Kollektion mit Igel-T-Shirts feil und postet Handyzubehör.
Ist Deutschland kein Ort für Petfluencer? Christoph Kastenholz ist Gründer von Pulse, einer Agentur für Influencer-Marketing, die auch die Modebloggerin Chiara Ferragni mit 10,1 Millionen Instagram-Followern vertritt. Dass es nur wenige deutsche Tieraccounts in den sozialen Medien gibt, erklärt er mit einem Mentalitätsunterschied. "Selbstdarstellung ist in den USA und Großbritannien ein größeres Thema", sagt Kastenholz.
Ist der Mensch expressiver, betrifft das auch sein Tier. Zudem nutzten Amerikaner und Briten soziale Medien umfassender als Deutsche. Ab und an seien aber bei den vielen Bewerbungen neuer Influencer bei Pulse auch Tierbesitzer dabei. Tiere allein seien für ihn aber selten interessant, sagt Kastenholz. "Ein Tier-Account hat es schwer, eine spezielle Zielgruppe aufzubauen, weil Hunde oder Katzen Menschen jeden Alters ansprechen." Ein Fashion-Influencer kann versiert über Mode reden. Aber ein Hund?
Rechtsstreit um Affen-Selfie:"Ich wünschte, ich hätte die verdammten Fotos nie gemacht"
Der Fotograf hinter dem berühmten Affen-Selfie bereut das Bild inzwischen und ist offenbar pleite, weil ihn die Tierschutzorganisation Peta verklagt. Der Streit geht längst über den Tierschutz hinaus.
Der erfolgreichste Petfluencer bislang ist Grumpy Cat, die es auch als Wachsfigur bei Madame Tussauds gibt. Dass die mürrische Katze seit 2013 im Geschäft ist, zeigt sich an der Verteilung der Follower. Sie hat 2,3 Millionen Fans bei Instagram, ist aber stärker bei Facebook mit 8,5 Millionen Followern, weil es früher die beliebtere Plattform war. Erfolgreich ist sie allemal: Angeblich hat Grumpy Cat ihrer Besitzerin mehrere Millionen Dollar eingebracht.
Neben den Einnahmen aus Werbejobs und Umsatzbeteiligungen über Einkaufslinks auf ihren Seiten in den sozialen Medien haben Petfluencer oft eigenes Merchandise. Das nackte Meerschwein Ludwik vertritt die Fraktion der Petfluencer mit Charakter ("I am unik") und verkauft Socken mit seinem Foto. Tuna, nun mit fettem Werbedeal mit dem Body Shop, hat seine Memoiren geschrieben: "The Underdog with the Overbite". Die Schweine Priscilla und Poppleton verkaufen Kinderbücher.
Aber es ist vor allem Grumpy Cat, die perfekt verkörpert, was der Sozialpsychologe Robert Cialdini, der vor vielen Jahren den Begriff des Influencers erfand, als eine Bedingung für den Erfolg der Meinungsmacher definierte: Konsistenz. Keine Überraschungen im Verhalten, verlässliche Vorlieben, sonst wird sich keiner mit ihnen identifizieren und ihrer Meinung folgen. Grumpy Cat schaut immer gleich griesgrämig. Dackel Crusoe verkleidet sich ständig. Chloe geht reisen und shoppen. Und Choupette? Trägt nur Chanel und fährt sonderbarerweise Opel. Die Birmakatze von Karl Lagerfeld war eine der ersten einflussreichsten Katzen im Netz, an diesem Samstag wird sie sechs Jahre alt. Heute ist sie mit 101 000 Followern bei Instagram gut im Mittelfeld, aber von der jungen Konkurrenz abgehängt.
Viele der Tiere sind so erfolgreich, weil sie auf den geposteten Fotos wie Menschen Chips essen oder Kleidung tragen. Die Tiertrainerin Katja Elsässer betreute den Netto-Katzen-Spot und kümmerte sich um eine Ziege namens Dörte Hansen, die als furzender "Zie IO" von Tchibo Kaffee testete. In Kleidung will sie ihre Klienten nicht stecken. "Meine Tiere mögen keine Pullover, eigentlich mag kein Tier sie", sagt sie. Vermenschlicht würden im Internet vor allem Hunde, die machten ihrem Wesen entsprechend mit, um ihren Besitzern zu gefallen. Sie selbst sehe Tiere als Kollegen, die artgerecht behandelt werden müssten, aber auch herausgefordert sein dürfen, sagt Katja Elsässer. Wenn es einem Tier am Set nicht gefalle, sehe man das sofort. "Und das schadet der Marke."
Die Windhunde von Kylie Jenner - nur 460 000 Fans
Wenn Hund und Katze bei Laune sind, können sie für Marken vorteilhaft sein. Es geht kein Risiko von ihnen aus, dass sie betrunken pöbeln oder pickelig beim Bäcker von einem Leserreporter gestellt werden. Gleichwohl ist genau das auch ihr Nachteil. Ihr Wirken auf Events beschränkt sich zumeist auf ein gelangweiltes Gähnen in Herrchens oder Frauchens Armbeuge. "Ein Tier kann ein Sympathieträger sein, aber glaubwürdiger ist ein Mensch, der erklären kann, warum er ein Produkt gut findet", sagt Christoph Kastenholz von Pulse. Darum hätten Menschen viel mehr Einfluss als Tiere - und auch mehr Follower.
Gut sieht man das an Kylie Jenner aus dem Kardashian-Clan. Sie führt einen der weltgrößten Accounts mit 96,7 Millionen Followern bei Instagram. Ihre Windhunde Norman und Bambi, die einen eigenen Auftritt haben und ganz hübsch sind, haben vergleichsweise maue 460 000 Fans. Seit einiger Zeit greift Jenner ihren instagramschwachen Hunden unter die Pfoten. Sie posiert sehr freizügig mit ihnen auf dem Arm und schreibt dazu Sätze wie: "Put me down u fucking whore", was übersetzt nur wenig schöner klingt: "Lass mich runter, verdammte Hure." Die Zahl der Hundefollower nimmt langsam zu.