Rechtsstreit um Affen-Selfie:"Ich wünschte, ich hätte die verdammten Fotos nie gemacht"

Rechtsstreit um Affen-Selfie: Tausendfach veröffentlicht, selten bezahlt: Das freundliche Selfie eines indonesischen Schopfmakaken.

Tausendfach veröffentlicht, selten bezahlt: Das freundliche Selfie eines indonesischen Schopfmakaken.

(Foto: David J. Slater)

Der Fotograf hinter dem berühmten Affen-Selfie bereut das Bild inzwischen und ist offenbar pleite, weil ihn die Tierschutzorganisation Peta verklagt. Der Streit geht längst über den Tierschutz hinaus.

Von Laura Hertreiter

Manchmal sieht das Verhängnisvolle dem großen Glück zum Verwechseln ähnlich. Und so hielt David Slater das freundliche Affengrinsen, mit dem diese irre Geschichte begann, erst einmal für seinen größten Erfolg.

Jenes Grinsen breitete ein indonesischer Affe über sein haariges Gesicht aus, direkt vor der Kamera des Tierfotografen, dann legte er einen Finger auf den Auslöser, klick, klick, klick, so entstanden die spektakulären Bilder, die später um den Globus gingen. Und David Slater offenbar in den Ruin stürzten.

Die Tierrechtsorganisation Peta hat den 52-jährigen Briten im Namen des abgebildeten Affen verklagt. Weil der den Auslöser gedrückt hat, sollen ihm die Urheber- und Lizenzrechte zustehen, argumentieren die Aktivisten, also letztlich: das Geld. Klingt nach Affentheater, hat aber tragische Konsequenzen. David Slater hört sich müde an am anderen Ende der Leitung. "Ich wünschte, ich hätte die verdammten Fotos nie gemacht", sagt er. "Sie haben mich finanziell und emotional ruiniert." Er könne seiner Tochter kein Fahrrad mehr kaufen, Reisen zu Wildtieren seien nicht drin. "Egal", er seufzt, "die Lust am Fotografieren ist mir sowieso vergangen."

Dabei begann alles so gut: David Slaters Affenporträts waren eine Sensation, weil das Tier selbst den Auslöser gedrückt hatte: So nah hatte man vom Aussterben bedrohte Schopfmakaken selten gesehen, und so freundlich vermutlich noch nie. Das Grinsen wurde auf Magazinen, Tassen und T-Shirts gedruckt, im Internet hunderttausendfach geteilt, geherzt, kommentiert. Ein Affe stellt auf dem vorläufigen Höhepunkt der Selfiefotografie grinsend seine Zahnreihen bloß - und damit die Lächerlichkeit des Selfies an sich.

Zugleich, und das ist die dunkle Seite der Sensation, tauchten juristische, ja philosophische Fragen auf. Kann Slater überhaupt die Rechte an den Sensations-Selfies haben, wo doch der Affe den Auslöser gedrückt hatte? Kann auch ein Tier ein Fotograf sein und die entsprechenden Rechte besitzen? Oder ist es bloß Objekt?

Die Tierrechtsorganisation Peta zog 2015 vor Gericht

Als einige Webseiten, darunter Wikipedia, begannen, die Bilder unter Berufung auf die Grauzone ohne Bezahlung zu veröffentlichen, geriet Freiberufler Slater in einen Rechtsstreit mit der Wikimedia Foundation. Er verlor. Das amerikanische Urheberrechtsamt entschied, dass weder ihm noch dem Affen Rechte zustehen. Jeder dürfe das Foto frei veröffentlichen. "Verheerend war das", sagt der Fotograf heute.

Und dann kamen die Tierschützer. Peta, nach eigenen Angaben mit mehr als fünf Millionen Unterstützern die weltgrößte Tierrechtsorganisation, zog 2015 im Namen des Affen gegen Slater vor Gericht. Der Name des Tieres, Naruto, ist seither ein Kampfbegriff.

Der Einsatz für Tierrechte war schon immer ein Kampf um Aufmerksamkeit. Je mehr Aufmerksamkeit, desto mehr Spenden. Früher reichten Biolatschenträger, die Flugblätter verteilten und Kunstblut in die Fußgängerzonen kippten. Heute, wo sich die Aufmerksamkeit in Klicks bemisst, müssen spektakuläre Fälle her, radikale Thesen, starke Bilder.

Der Fall ist ist aus zwei Gründen ernsthaft spannend

Spektakulär ist, dass Peta diesmal nicht gegen einen angeblichen oder tatsächlichen Tierquäler in die juristische Schlacht gezogen ist, sondern gegen einen Tierfotografen, der sich selbst der Dokumentation seltener Arten widmet. Das starke Bild ist, klar, das Selfie, die steile These lautet: Weil Naruto den Auslöser gedrückt hat, soll er die Rechte am Bild haben. Peta als gesetzlicher Vertreter will den Erlös laut eigenen Angaben zum Schutz des Affen, seiner Artgenossen und Heimat verwenden.

Der Fall wird in der Öffentlichkeit als Kuriosität verhandelt, "Affe verklagt Fotograf", hihi, aber er ist aus zwei Gründen ernsthaft spannend: zum einen, weil die Frage, welche nichtmenschlichen Wesen welche Rechte haben, tatsächlich drängt in Zeiten, in denen indischen Flüssen der Rechtsstatus von Menschen zugesprochen wird, und in denen Maschinen mit künstlicher Intelligenz längst mehr vermögen als Bilder zu knipsen. Zum anderen ist der Fall interessant, weil die Frage mitverhandelt wird, ob jeder im Namen irgendeines Tieres prozessieren kann - was Munition für Tierschützer sein könnte. Und verhängnisvoll für Menschen wie Slater, der über sich sagt: "Ich bin Tierfotograf geworden, weil mich nichts mehr fasziniert, als in Freiheit und Würde lebende Tiere."

Wie bewusst war sich der Affe seines Verhaltens?

Inzwischen wird sein Fall vor einem Berufungsgericht in San Francisco verhandelt, das in den kommenden Monaten eine Entscheidung treffen will. Gerade erst waren Anhörungen. Slater saß zuhause in England und schaute die Übertragung. Eine Reise zum Prozess - zu teuer.

Das Gericht beschäftigt sich vor allem damit, wie die umstrittenen Bilder im Dschungel entstanden sind, wie bewusst sich der Affe seines Verhaltens war.

David Slater sagt: "Ja, der Affe hat den verdammten Auslöser gedrückt. Aber das hat er ja nicht einfach so getan." Dann erzählt er, wie er auf die Insel Sulawesi reiste, wo die Schopfmakaken in einem Reservat leben. "Ich habe mich ihnen für einige Tage angeschlossen, um sie aus der Nähe fotografieren zu können", sagt er. "Als sie Vertrauen gefasst haben, interessierten sich einige von ihnen für das Klicken der Kamera." Er habe das Gerät auf einen Stativ montiert und die Affen mit Futter angelockt. "Bis sie begannen, Selfies zu knipsen."

"Unglaubhaft", entgegnet Peta. Krishna Singh ist Justiziar beim deutschen Peta-Ableger, auf Fragen zum Fall antwortet er ausführlich. Es sei klar, "dass Naruto die Fotos selbst aufgenommen hat, und zwar absichtlich, zielgerichtet und ohne Hilfe".

Die Wahrheit kennen letztlich nur der Fotograf und der Affe. Naruto lebt in einem indonesischen Reservat und hat sich bislang nicht geäußert. Dafür hat Primatologin Antje Engelhardt Brisantes zu sagen. Die deutsche Wissenschaftlerin kennt Naruto seit seiner Geburt, sie forscht seit mehr als 20 Jahren über Makaken, auch auf Sulawesi. Peta fragte sie deshalb vor Prozessbeginn als Rechtsbeistand für Naruto an, wie ihn sonst Kinder vor Gericht haben. Gern, sagte sie, weil das Glück dem Verhängnis oft zum Verwechseln ähnlich sieht. "Ich dachte, das sei das Beste für Naruto." Heute bereut sie das.

Ihr Vertrauen in Peta sei enttäuscht worden, sagt die Primatologin

In der Zusammenarbeit mit Peta habe sie sich mehr und mehr unwohl gefühlt. Sie wägt jedes Wort ab. Dass Peta klagefreudig ist, weiß sie selbst am besten.

Ihr Vertrauen sei enttäuscht worden, formuliert sie vorsichtig, die Situation sei eskaliert. Im Mai 2016 zog sie sich aus dem Prozess zurück. Streng genommen fehlt Peta seither die Legitimation, für Naruto zu prozessieren, damit könnten die Chancen der Organisation sinken.

Antje Engelhardt klingelte nach der Eskalation bei dem amerikanischen Peta-Anwalt, mit dem sie zusammengearbeitet hatte, "um die Dinge zu klären". Der rief die Polizei und ließ sie in Handschellen wegen Belästigung und Hausfriedensbruch abführen. Seither steht auch sie vor Gericht. "Das Verfahren läuft und kostet viel Geld."

Weil in den USA nicht automatisch der Verlierer eines Prozesses die Kosten trägt, rechnet David Slater längst nicht mehr mit einem Happy End. Er arbeitet nun als Tennislehrer. Und gerade, sagt er, frage er in der Nachbarschaft herum, ob jemand zum Hunde-Ausführen gebraucht wird. Er würde gern wieder mit Tieren arbeiten.

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