Food-Trend:Mode mit Menü

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Daneben wirkt die Ware nur noch wie Deko: die Gin-Bar der britischen Männermarke Hackett. (Foto: Ed Reeve)

Designer eröffnen eigene Restaurants in Boutiquen, Online-Versandhändler veranstalten Food-Events: Alles nur, damit der Kunde mal wieder in echt vorbeikommt.

Von Dennis Braatz

Das klingt jetzt natürlich ein bisschen komisch: Die Mode hat den Food-Trend für sich entdeckt. Schon deshalb, weil man den meisten Vertretern der Branche nachsagt, dass sie nicht wirklich gerne essen würden. Die wenigsten übrigens sind aus Figurgründen abstinent, die meisten tun es ganz einfach nur in der Öffentlichkeit nicht gern, weil man sich im Termin- und Eventgerangel schnell das teure Outfit vollkleckert.

Umso erstaunlicher, dass Designer für Luxusmode in ihren Boutiquen auf der ganzen Welt zuletzt Cafés, Bistros und Restaurants eröffnet haben. Nicht etwa in abgesperrten Bereichen, sondern eben mitten zwischen Kaschmirschals, Kroko-Taschen und bestickten Abendkleidern.

11 Euro für ein Stück Kuchen

In Shanghai zum Beispiel erst im Juli, bei Gucci. "1921" heißt der Laden im Laden, für jeden Tisch gibt es einen Exklusiv-Kellner. Serviert wird typisch Italienisches, also Linguine mit Bio-Basilikumpesto oder Calamari mit Tomaten-Carpaccio und Salsa Verde. In Tokio hatte kurz zuvor Bulgari sein Echtschmuck-Sortiment um Schokoladenkuchen erweitert. Das Stück kostet umgerechnet elf Euro, in die Glasur ist das Markenlogo eingearbeitet. Angeblich bestellen Kunden den Kuchen mittlerweile für private Feiern vor.

In London gibt es seit Juni im Flagshipstore von Burberry das "Thomas's". Es liegt strategisch klug direkt neben der Geschenkeabteilung, hat sieben Tage die Woche geöffnet und bietet Nachmittagstee und Hummer von der heimischen Küste. Und in New York gehen seit gut einem Jahr sehr viele Menschen ins "Ralph's", so heißt der Coffeeshop von Ralph Lauren, den sich der Designer in den zweiten Stock seines Polo-Geschäfts bauen ließ, inklusive eigener Röstung.

In die Läden locken

Lorna Hall, Trendforscherin bei der Agentur WGSN, nannte in einem Interview mit der Fashion-Plattform businesoffashion.com einen schlichten Grund für diese Hinwendung zum Gastronomischen, nämlich, dass immer mehr Menschen ihre Mode online von zu Hause aus bestellen und immer seltener in die Boutiquen kommen. "Viele Firmen versuchen, ihren Kunden deshalb gerade in der analogen Welt einen Mehrwert zu bieten, den sie digital nicht bekommen", glaubt Hall.

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Tatsächlich stagnierte der in Kaufhäusern und Fußgängerzonen erzielte Umsatz von Modefirmen 2014 im dritten Jahr in Folge, zumindest in Deutschland; im ersten Quartal 2015 ist er sogar um fünf Prozent gesunken. In vielen anderen Ländern sieht das nicht anders aus. Überall aber gilt ausnahmslos, dass das Online-Geschäft boomt, weshalb die Gruppe der reinen Ladenkäufer stetig kleiner wird.

Zudem kämpfen viele Händler mit dem Problem des "Showrooming", also der neuen Angewohnheit von Kunden, Kleider im Geschäft nur noch anzuprobieren, um sie dann günstiger online zu kaufen. Luxusgiganten wie Burberry oder Gucci mit weltweit je mehr als 400 Filialen müssen da natürlich gegenhalten.

Die Gastronomie-Welle bringe aber nicht nur einfach wieder mehr Kunden in die Geschäfte, erklärt Hall weiter: "Am Ende steigert sie auch ihre Verweildauer und damit den Umsatz sogar noch mehr als gedacht." Auch klar: Je länger sich ein Mensch im Geschäft aufhält, desto mehr Produkte sieht er - und desto mehr Geld gibt er folglich auch aus.

Für das Marketing-Team der britischen Männermarke Hackett ist das alles keine News mehr. Als im Oktober 2013 ein neues Geschäft in London eröffnete, fiel auch gleich der Startschuss für die hauseigene Gin-Bar. Sie ist so in die Verkaufsfläche für Accessoires und Krawatten eingebaut, dass die dort angebotene Ware eigentlich nur noch wie Deko wirkt.

Kaffee und Champagner beim Einkauf

"Wir haben uns zu diesem Schritt entschieden, weil Männer nun mal einfach nicht gern viel Zeit in Modegeschäften verbringen", erklärt Managing Director Vicente Castellano. An der Bar würden sich Kunden, Verkäufer und Schneider auch ganz ungezwungen näherkommen und eine Beziehung zueinander aufbauen. (Ganz davon abgesehen, dass es sich mit ein paar Drinks intus auch leichtsinniger shoppt.)

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Die Bar ist in London mittlerweile für ihren "Elderflower Cooler" bekannt, ein Cocktail aus Holundersirup und Apfelsaft. Und weil das alles so glänzend funktioniert, hat Hackett inzwischen auch in anderen Filialen kleine Bar-Bereiche eingerichtet, wo Champagner, Kaffee, Tee und natürlich Gin serviert werden. Für viele Branchenexperten ist der Herrenausstatter damit zum Trendsetter geworden.

Nun ist gut zubereitetes Essen ganz klar eine der Dienstleistungen, die das Internet nicht stemmen kann. Andererseits gilt das für Pediküre, Massage oder Schuheputzen ganz genauso. Nur lässt sich dabei nicht vorführen, wofür eine Marke steht. Mit Haute Cuisine, regionalen Produkten, veganen Gerichten oder starkem Kaffee geht das schon viel besser. Essen fördert soziale Kontakte und ist zum Statussymbol geworden. Es wird so bewusst und hochwertig konsumiert wie nie, zum Beispiel in Supperclubs oder auf Streetfood-Märkten.

Selbst reine Online-Händler sehen im realen Leben mittlerweile die Chance für mehr Umsatz. Zalando beispielsweise hat am vergangenen Wochenende in München einen Ice Cream Market veranstaltet. Angekündigt waren "lokale Eismanufakturen", die neben veganen Sorten und handgeschöpftem Eis am Stiel auch neue Geschmacksrichtungen anboten, Leberwurst-Geschmack und Cheeseburger zum Beispiel.

Eiscreme als Unterscheidungsmerkmal

9000 Besucher überschwemmten den Markt, doch der Veranstalter war vorbereitet: Bereits im Juni und Juli kamen in Berlin und Hamburg mehr als 8000 Besucher. Ein ziemlicher Coup, bedenkt man, dass Zalando die Veranstaltung gleichzeitig nutzte, um eine Kollektion vorzustellen, aus der jeder Besucher unter Beratung von Stylisten seine Lieblingsstücke gleich an Ort und Stelle kaufen konnte.

Der Online-Händler nutzt das Food-Event, um sich in der analogen Welt überhaupt erst als Marke zu positionieren. Dass es im Netz ein Überangebot an Versandhändlern gibt (Aboutyou, Asos, Fashion ID und so weiter), kurbelt den Umsatz des einzelnen nicht eben an. Mittlerweile gibt es zwischen den Anbietern aber auch kaum noch Unterschiede, was sie für Kunden oft beliebig macht. Wenn Zalando also durch Deutschland tourt und sich in jeder Stadt mit lokalen Eis-Künstlern schmückt, schärft das Unternehmen gleichzeitig auch sein Profil.

W-Lan für die Kundenbindung

Die Expansionskurse von Gucci bis Zalando sind wiederum eine echte Konkurrenz für all jene Geschäfte, die neben verschiedenen Modemarken schon immer ein kleines Café oder Bistro hatten: die Concept Stores. Aber auch sie rüsten bereits auf. Im Berliner "The Store" gibt es auf 2800 Quadratmetern nicht nur ein Restaurant, sondern auch ein integriertes Friseur- und Beauty-Department.

"Die meisten Kunden kommen nicht zum Shoppen, sondern um Zeit zu verbringen", sagt Alex Eagle, Kreativdirektor des Geschäfts im Erdgeschoss des Soho House. "Sie arbeiten übrigens auch hier." Dafür wurde extra ein Lounge-Bereich eingerichtet, angeboten werden Tagespässe fürs Wlan.

Moment mal - Wlan? Wenn da am Ende nicht doch wieder online geshoppt wird.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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