Adenauers Garten:"Es wird durchgeblüht"

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Konrad Adenauer war nicht nur der erste Kanzler der Bundesrepublik, sondern auch ein passionierter Gärtner. Wer seinen denkmalgeschützten Terrassengarten besucht, kann viel lernen.

Von Claudia Fromme

Alles hängt mit allem zusammen. Das kann man auch von Konrad Adenauer lernen. Sein Wohnhaus in Rhöndorf bei Bonn liegt derart in einen alten steilen Weinberg geklemmt, dass er in den ersten Jahren bei Hitze jedes Mal vierzig Gießkannen Wasser zu den Rosen schleppen musste, die auf mehrere Ebenen über 4500 Quadratmeter verteilt waren. Einerseits.

Andererseits war da eine schöne Nebenwirkung der Hanglage. Wer Adenauer besuchen wollte, musste 58 Stufen durch den Vorgarten bis zur Haustür hinaufschnaufen. So erging es auch Franz Josef Strauß und Ludwig Erhard nebst anderen Politikern der jungen CDU und CSU an einem schwül-warmen Sonntag im August 1949. Der Hausherr erwartete die keuchenden Gäste entspannt in der Tür. Nach einem opulenten Mahl und einem Gang durch den mit weiteren Treppen versehenen Garten erklärte der 73-Jährige den überrumpelten Parteifreunden seinen Anspruch auf die Kanzlerschaft. Vier Wochen später wurde er vereidigt. Die Wurzeln der Bundesrepublik liegen hier, in diesem Garten am Hang.

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Dass der erste Kanzler der Bundesrepublik ein Rosenfreund war, ist bekannt. Wer nach Rhöndorf fährt, dem steigt auch als Allererstes der zarte Duft der Blumen in die Nase. Dass er akribisch Gartenliteratur studierte, bereits als Kind versuchte, Geranien mit Stiefmütterchen zu kreuzen (erfolglos) und überdies seinen Garten bis ins Detail geplant hatte, bevor ein Stein seines Wohnhauses stand, wissen schon weniger. Der Autor Christian Feyerabend hat diese Lücke mit dem Fotografen Roland Breitschuh geschlossen. Der mit viel Liebe zum Detail gestaltete Bildband "Adenauer. Der Garten und sein Gärtner" ist unlängst im Greven-Verlag Köln erschienen und widmet sich so kurzweilig wie kenntnisreich dem grünen Daumen des CDU-Politikers.

Alles hängt mit allem zusammen

Lange her? Mag sein. Aber wenn man diesen Garten besucht, lässt sich viel lernen. Über Adenauer, über die Bundesrepublik, über das Gärtnern an sich. Alles hängt mit allem zusammen.

Auch wenn er immer wieder politische Gäste durch seinen Garten führte, war er Adenauers wichtigster Rückzugsort. Es gibt Fotos vom ihm als Kanzler, auf denen er mit Schlips und Kragen im Garten posiert und nicht so wirkt, als kniete er sich selbst in die Scholle. Er tat es tatsächlich, obwohl er fast durchweg Gärtner beschäftigte. "Er hat hier malocht", sagt Christian Feyerabend. Als Ausgleich - aber auch, weil er, wie als Politiker, immer die Kontrolle behalten wollte.

Adenauer plante, pflanzte, wässerte und jätete - manchmal auch aus pädagogischen Gründen. "Haben Gärtner Unkraut im Beet stehen lassen, hat Adenauer es herausgerissen und auf den Weg gelegt, damit sie ihren Fehler direkt sehen", sagt Feyerabend beim Gang durch den Garten. Der Autor ("Garten ist Krieg") hat einen Kleingarten am Kölner Grüngürtel. Ohne Adenauer würde es diese grüne Lunge nicht geben. Als Oberbürgermeister schuf er die Parkanlagen nach dem Ersten Weltkrieg als Erholungsort für Arbeiter und Angestellte. "Er hatte schon immer eine grüne Seele", sagt Feyerabend. Er riecht im Vorbeigehen an den Rosen, blickt versonnen auf die blauen Schmucklilien in den Kübeln, obwohl er schon so oft hier war. Der Garten zieht jeden sofort in seinen Bann.

Er war für Adenauer ein Ort der Zerstreuung, aber auch einer, an dem man in Krisenzeiten lernt, sich zu gedulden. Ein Gedanke, den gerade wieder viele haben, die sich auf Wartelisten für Kleingärten setzen lassen und Gartenmärkte stürmen. Als John K. Patterson, der Stadtkommandant der U. S. Army für Köln, Adenauer im Mai 1945 anbot, erneut Oberbürgermeister von Köln zu werden (die Nazis hatten ihn 1933 abgesetzt und zeitweise inhaftiert), fragte der nur: "Haben Sie einen Garten?" Der Offizier fragte zurück: "Warum sollte ich einen Garten haben?" Adenauer erwiderte in seinem typischen rheinischen Tonfall: "Da können Se Jeduld lernen." Für einige Monate übernahm er das Amt, bis die Briten, unzufrieden mit seiner Amtsführung, ihn wieder entließen.

Schnelle Erfolge sind im Garten wie in der Politik eher selten, und fertig ist in beiden Bereichen eigentlich nie etwas. Adenauer gestaltete seinen Garten ständig um, wie er auch seine Politik der Zeit anpasste. "Wer mit seinem Garten schon zufrieden ist, hat ihn nicht verdient", mahnte Karl Foerster, der Berliner Gartenphilosoph und Staudenzüchter, dessen Werke Adenauer früh studierte.

Wer in Rhöndorf das wohlkomponierte Grün auf sich wirken lässt, sieht Foersters Handschrift überall. Da ist zum Beispiel seine Idee, dass ein Garten die Wohnräume ins Freie erweitert, dass die Trennung zwischen Innen und Außen aufgehoben ist. Ruhig gestaltetes Grün in Raumgröße liegt in Rhöndorf vor dem Schlafzimmer, ein Paradegarten vor dem Haupteingang als Spiegelbild des Besucherzimmers drinnen. Links und rechts in dem streng symmetrisch gestalteten Rechteck sind duftende Hochstammrosen mit kräftiger Blüte, darunter Iris, Lavendel und Schleierkraut, in der Mitte englischer Rasen mit Trittsteinen, die auf einen gläsernen Pavillon zuführen. Dort schrieb Adenauer seine Memoiren, von dort aus blickte er in seinen Garten, der in jeder Jahreszeit anders blühte, mit Forsythien, Tulpen, Hortensien, Rosen, Blauregen, Astern, Christrosen und Schneeball. Foersters Maxime war auch seine: "Es wird durchgeblüht!"

Adenauer pflanzte Hunderte Rosen bis Anfang der Sechzigerjahre, setzte im Krieg 40 Obstbäume, baute für seine Großfamilie Kartoffeln und Kohl an. Und er erfand Dinge, nützliche und kuriose. Er hielt das Patent auf ein Notzeitbrot mit Maismehl und Sojawurst, dazu erfand er eine Gießkanne mit Klappbrause, eine Harke mit einem Hammerkopf zum Zerkleinern von Erdschollen und einen elektrischen Insektentöter. Zum Patent schaffte es keine dieser Erfindungen für den Garten, den Insektentöter lehnten die Prüfer kategorisch ab. Sie fanden ihn lebensgefährlich. Es war ein Tapezierpinsel, durch den unter Strom gesetzte Lauge floss. Adenauer testete ihn an seinen Rosenbüschen: Die Schädlinge waren tot, die Rosen allerdings auch. Sie gingen in Flammen auf.

Die klimatischen Bedingungen hier sind fast mediterran, die Lage am Südhang des Siebengebirges schützt vor rauen Nord- und Ostwinden, aus dem Süden und Westen strömt warme Luft. Der Naturforscher Alexander von Humboldt nannte Bad Honnef, zu dem Rhöndorf gehört, das "rheinische Nizza", weil es ihn wegen des ganzjährig milden Klimas an die Côte d'Azur erinnerte. Adenauer hat Trockenmauern als Terrassen bauen lassen, in die Löcher setzte er Hauswurz und Goldlack. Sein geliebter Feigenbaum trägt gerade reich und köstlich, die Aprikosen nebenan sind zuckersüß. Es ist der Baum, nach dem sich Adenauer noch auf dem Sterbebett erkundigte. "Blüht der Aprikosenbaum schon?", fragte er seine treue Mitarbeiterin Anneliese Poppinga in jenem April 1967.

Adenauer begründete seine Liebe zu den Rosen damit, dass sie "dankbar" seien, also reich blühend und pflegeleicht, was in weniger mildem Klima nicht zutrifft. Dass er Hochstammrosen bevorzugte, hat einen einfachen Grund: Als er 1937 das Haus bezog, war er bereits 61 Jahre alt. Es ist kommoder, im Stehen Rosen zu beschneiden oder an ihnen zu riechen. "Ein Rosenzüchter aber war er nie", sagt Christian Feyerabend. Auch wenn sich das Gerücht hartnäckig halte. Vielleicht auch, weil der Züchter Tantau 1953 eine Edelrose mit tiefroter Blüte nach dem Kanzler benannte.

Der Garten ist wie das Wohnhaus denkmalgeschützt. Keiner darf ohne guten Grund Hand an den fast vier Meter hohen Feigenbaum legen, die Aprikose, die Trockenmauern, die gelbe Kletterrose New Dawn, die mächtig an der Talseite des Hauses wächst und mutmaßlich von Adenauer stammt. Vieles andere ist neueren Datums, was nicht wundert, schließlich wäre die Originalbepflanzung heute mindestens 60 Jahre alt.

Corinna Franz verwaltet als Geschäftsführerin der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, die das Privatanwesen als Museum betreibt, auch das gärtnerische Erbe. "Wir suchen Rosen aus, die Adenauer gefallen hätten. Neue Sorten, die aber die charakteristischen Elemente haben, die Adenauer so schätzte: schöne Blüten, klare Farben, starker Duft." Heute blühen hier Edelrosen wie Nostalgie, Wintersun und ja, auch Roy Black. Adenauers geliebte President Herbert Hoover und Gloria Dei nicht, sie sind krankheitsanfälliger als moderne Züchtungen. Die nach ihm benannte Rose, die hinter dem Haus am Fuße einer Statue des Kanzlers mit dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle wächst, musste der Gärtner zurückschneiden. Mehltau.

Adenauer mochte die weite Aussicht über das Rheintal mit seinen Fachwerkhäusern. Und doch wirkt der Garten seltsam entrückt von den Fahrradtouristen, die unten im Café Profittlich ein Stück Herrentorte bestellen, die so köstlich nach Bonner Republik schmeckt. Adenauer brachte barocke Steinputten aus Cadenabbia am Comer See mit, wo er gern im Urlaub weilte. Eine Bocciabahn mit Flutlicht lädt zum Spiel in der Dämmerung ein. Eine Hanfpalme erinnert wirklich an Nizza, am Eck steht der Rumpf von Adenauers geliebter Paulownia, dem ursprünglich aus Asien stammenden Blauglockenbaum, den er bei seinem Einzug 1937 aus Köln mitgebracht und eingepflanzt hatte. Ein Ableger des Baumes, der am Ende 15 Meter maß und morsch war, wächst daneben.

Wer hier einen deutschen Garten sucht, wird keinen finden. Als Politiker suchte Adenauer die europäische Integration, trat für die Westbindung ein, wirkte als Kanzler auf der Weltbühne. Sein Garten spiegelte das wider. "Was Gartendinge anging, war Adenauer ein Kosmopolit", sagt Christian Feyerabend.

Den Garten plante er in Gedanken - und in einem Schulheft. Füllen andere Hobbygärtner Seite um Seite mit elegischen Betrachtungen zur eigenen grünen Oase, notierte Adenauer äußerst knapp in schwarzer Tinte und Bleistift. "Enziane nicht zu sonnig", schrieb er 1940, "Stiefmütterchen schön". Farben mussten bei ihm klar sein. Im Heft liest es sich dann so: "Blass. Unschön. Schlechtes Blau. Entfernen. Fort." Wie in der Politik war er auch beim Gärtnern kein Freund großer Worte. Er soll einmal gesagt haben: "Et reden allein hilft ja allet nisch." Man müsse auch was machen.

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