Zweitligist 1860 München:Folgen eines Geburtsfehlers

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Die Investorenlösung hat sich bei 1860 München bislang nur finanziell ausgezahlt - die Kommunikation zwischen Klubpräsidium und Investor klappt indes überhaupt nicht. Streng genommen wäre der Kooperationsvertrag zwischen den "Löwen" und Hasan Ismaik sogar ein Fall für die DFL.

Gerald Kleffmann

Ein halbes Jahr, nachdem der Einstieg des ersten arabischen Investors bei einem deutschen Profiklub fixiert wurde, steht fest, dass im Grunde nichts feststeht. Fast jede Gestaltungsfrage ist noch Verhandlungssache zwischen den Eigentümern 1860 und Hasan Ismaik, der in München von dem Investmentbanker Hamada Iraki vertreten wird, was zur Frage führt: Wie konnte es so weit kommen, dass die Löwen nach dem Schuldenschnitt, dem ewiges Theater vorausgegangen war, schon wieder so ein erbärmliches Bild abgeben?

Schwierige Zusammenarbeit: Investor Hasan Ismaik (links im Bild) und 1860-Präsident Dieter Schneider. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)

In den Debatten, die im Internet ablaufen, lässt sich erkennen, wie verzwickt die Lage ist. Die einen kreiden Klubpräsident Dieter Schneider an, die Geister gerufen zu haben, die er nun stur zu kontrollieren versucht. Er selbst solle den Weg freimachen für eine Zukunft, die Ismaik mit seiner Überweisung von 18,4 Millionen Euro ermöglicht hat. Andere werfen Ismaik und Iraki vor, den Verein unter ihre Kontrolle bringen zu wollen, um ein Profit Center aus ihm zu machen; Schneider solle für Sechzig weiterkämpfen.

Geschäftsführer Robert Schäfer muss damit leben, dass ihn viele nur noch als Zuarbeiter des Investors sehen, als einen, der die eigene Karriere über die Aufgabe seines Amts stellt. So wenig, wie die Fans eine Einheit bilden, so wenig haben die Protagonisten zueinander gefunden. Der Kooperationsvertrag verdient den Namen bisher nicht.

Wenn eine Einigung aber nicht möglich ist, wenn 1860 sich in zentralen Punkten nicht durchsetzen kann, wenn Ismaik der bestimmende "Mehrheitseigner" ist, wie Iraki betont (weil er zu den 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile die elf Prozent der stimmlosen addiert), müsste das streng genommen die Deutsche Fußball-Liga (DFL) auf den Plan rufen. Denn der Verein, der wegen der 50+1-Regel Mehrheitseigner sein muss, wäre es ja dann nicht mehr - und der Verstoß offenkundig. Sollte es für die DFL nicht ein Leichtes sein, regulierend einzugreifen? Ist es nicht.

Bisher schweigt sie, sie könnte sich schließlich selbst belasten mit der Erkenntnis, bei der Zustimmung zum Kooperationsvertrag trotz mehrerer Einsichten die 50+1-Regel nicht ausreichend abgesichert zu haben. De facto ist es ja so, dass 1860 nicht in der Lage ist, seinen Geschäftsführer zu entlassen. Der eingeführte Beirat, der das einzig darf, ist paritätisch mit je zwei Vertretern des Vereins und des Investors besetzt, nur die Mehrheit zählt. Bedenkt man, dass der Geschäftsführer im operativen Bereich jeden Tag die Richtung vorgibt, ist das mindestens eine Blockierung, wenn nicht eine Aushebelung der 50+1-Regel.

So ist es mal wieder wie vor der neuen Partnerschaft: Überall bei 1860 stehen Vorwürfe im Raum, die Zukunft liegt lahm. Rückblickend betrachtet muss Schneider den Vorwurf hinnehmen, viel zu sehr auf ein harmonisches Miteinander aller vertraut zu haben, wobei die Ismaik eingeräumten Machtbefugnisse auch als Zugeständnisse zu werten sind. Die Rettungsaktion im April/Mai fand unter enormem Zeitdruck statt. Die Folgen dieses Geburtsfehlers sind nun deutlich. Offenbar ging doch alles zu schnell. Für alle.

© SZ vom 21.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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