WM-Silber für Felix Neureuther:Emanzipiert vom Elternhaus

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Der Schatten seiner Ski-Familie bedeutete lange großen Druck für Felix Neureuther. Doch zuletzt haben sich Rosi Mittermaier und Christian Neureuther zurückgezogen, um ihren Sohn nicht noch mehr zu belasten. Damit hat Deutschlands bester Skifahrer in Schladming einen wichtigen Prozess abgeschlossen.

Ein Kommentar von Michael Neudecker

Felix Neureuther hat mal diese Geschichte erzählt: Wie er zu einem Jugend-Rennen kam, wie jemand dort ein Olympiabuch dabei hatte, in dem auch Bilder der Doppel-Olympiasiegerin Rosi Mittermaier waren, und wie er das Buch sah und fragte: Was macht denn die Mama da drin? Wie Kinder sich entwickeln, liegt zu einem großen Teil an der Erziehung und der Vorbildfunktion der Eltern, das gilt in speziellem Maß für Kinder prominenter Eltern und in noch speziellerem Maß für Kinder, die denselben Beruf ausüben wie die prominenten Eltern. Rosi Mittermaier und Christian Neureuther waren erfolgreiche Skirennfahrer.

Rosi Mittermaier ist gar eine der erfolgreichsten in der deutschen Alpingeschichte überhaupt, sie wollten nicht unbedingt, dass ihr Sohn auch Skirennfahrer wird. Weil sie wussten, was das bedeutet: ständige Vergleiche, ständige Fragen nach den Eltern. Tochter Ameli haben diese Fragen schon in der Jugend genervt, womöglich hat das eine Rolle gespielt, dass sie sich gegen eine Ski-Karriere und für ein Leben als Designerin entschied. Für Felix Neureuther waren die Vergleiche und die Fragen ein ständiger Begleiter. Bis jetzt.

Am Sonntag hat der 28-Jährige das wichtigste Rennen seiner Karriere bestritten, den WM-Slalom in Schladming. Bei solchen Rennen werden im Fernsehen ständig die Eltern der Skirennfahrer gezeigt, manche Eltern geben sogar Interviews, aber Rosi Mittermaier und Christian Neureuther waren nicht da.

Es ist nicht leicht, als Sportler prominente Sport-Eltern zu haben, es ist ein einziges Leben als "Der Sohn von", Variationen nach Geschlecht und Verwandtheitsgrad beliebig, Beispiele gibt es ausreichend. Der Enkel von Uwe Seeler, Levin Öztunali, hat sich soeben gegen den Klub seines Großvaters, den HSV, entschieden und damit einen öffentlichen Disput hervorgerufen, und Tom Kühnhackl, der Sohn des Eishockeyspielers Erich Kühnhackl, ist auch wegen der Last des Nachnamens vor drei Jahren nach Nordamerika gegangen, er spielt in der kanadischen Juniorenliga.

Wie man hört, entwickelt er sich prächtig. Als Felix Neureuther in Schladming die Silbermedaille um den Hals hängen hatte und nach den Eltern gefragt wurde, sagte er: Er wisse nicht, wo sie seien, er habe noch nicht mit ihnen gesprochen.

Rosi Mittermaier und Christian Neureuther haben sich nicht immer so zurückgehalten wie jetzt, aber sie haben gelernt, und dass sie bei Rennen selten präsent sind, sondern wie am vergangenen Sonntag zuhause in Garmisch, das ist ein wichtiger Bestandteil des Prozesses, den Felix Neureuther in Schladming abgeschlossen hat. Er hat sich emanzipiert von seinen Eltern. Es ist sogar keine völlige Utopie mehr, dass man eines Tages fragt: Rosi Mittermaier, ist das nicht die Mutter von Felix Neureuther?

© SZ vom 19.2.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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