WM-Qualifikation:Die DFB-Elf soll mehr Kimmich wagen

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Bundestrainer Joachim Löw hat eine Idee, wie er den verletzten Mario Gomez in der WM-Qualifikation ersetzen und den DFB-Sturm beleben will.

Von Christof Kneer, München

Vielleicht hilft es ja, wenn die deutsche Mannschaft gleich in den ersten Minuten ganz oft aufs Tor schießt. Nicht auszudenken, wie die DFB-Elf bei der EM in Frankreich abgeschnitten hätte, wenn ihr Bundestrainer diese interne Erhebung schon früher in Auftrag gegeben hätte. Jetzt weiß man's nämlich, jetzt ist es bewiesen: Rund ein Dutzend Torschüsse braucht Joachim Löws Mannschaft, um ein Tor zu erzielen - je früher die Spieler also ihr Dutzend Versuche voll haben, desto früher müsste es eigentlich beim Gegner klingeln. Geht so nicht: Mathematik?

Nachdem Löw diese Statistik Anfang der Woche auf den Markt geworfen hat, wird man die Sportnation in den nächsten Tagen wohl beim Mitzählen erwischen. Erster Schuss, zweiter Schuss, dritter Schuss. . . Für die deutsche Nationalmannschaft geht es in den beiden WM-Qualifikationsspielen gegen Tschechien (Samstag) und Nordirland (Dienstag) nicht nur darum, sechs von sechs möglichen Punkten aufs Qualifikationskonto zu überweisen; mindestens genau so sehr geht es darum, noch einmal den beim letzten Qualifikationsspiel in Norwegen gepflegten Spielstil aufs Feld zu bringen.

Vielleicht hat es die EM gebraucht, um Löws Idee zur Reife zu bringen

Vor fünf Wochen, beim sehr selbstverständlichen 3:0 in Oslo, hat die Elf nach Herzenslust ihr Naturell verleugnet: Die Spieler haben Schüsse in Richtung Torwart abgegeben anstatt Querpässchen zum Mitspieler rüberzustreicheln, und statt Kringel zu drehen, haben sie Sprints angezogen, sogar Toni Kroos.

Joshua Kimmich
:Er will, er will, er will

Joshua Kimmich gehört wie selbstverständlich zum DFB-Kader - dabei ist er gar keiner dieser gestandenen Männer. Der Bayern-Spieler stellt einiges auf den Kopf.

Von Christof Kneer

Die Tore seien "dann irgendwie fällig gewesen", hat Löw nach diesem Spiel mit anerkennender Miene gesagt. Man sah ihm nicht an, ob er ausschließlich zufrieden war, oder ob unter seiner anerkennenden Miene nicht doch noch eine verborgene Unzufriedenheit lauerte. Denn das mit dem Spielstil, ehrlich gesagt, das hätten sie bei der EM ja auch schon haben können.

Vielleicht hat es aber auch erst dieses Turnier in Frankreich gebraucht, um Löws Idee zur Reife zu bringen. Für die EM hatte Löw zwei Sturm-Varianten entwickelt, eine mit dem Linienschleicher Mario Götze, eine mit dem Strafraumathleten Mario Gomez. Für die aktuellen Spiele hat Gomez nun aber verletzt absagen müssen, und mehr Namen hat Löw nicht zu bieten - das leidige Dauerthema, dem der Trainer nun offenbar dadurch begegnen will, dass er sich von Namen emanzipiert. Er weiß zwar, dass er immer den Hilfs-Mittelstürmer Thomas Müller aktivieren kann und dass er auch in der U 21 ein paar Angriffstalente findet (Timo Werner, Davie Selke); aber er ist sich nicht so sicher, ob deren Talent wirklich für die große Bühne reicht.

Also versucht Löw einstweilen, keinen Namen, sondern einen Spielstil als Mittelstürmer aufzustellen. Gerader, direkter und zielgerichteter sollen seine Artisten Sport treiben, "die Chancenverwertung", meint Löw, sei "auch eine Sache der Konzentration im Abschluss und der Mentalität".

Die ganze Elf soll mehr Kimmich wagen - der grimmige Ehrgeiz treibt dieses schmale Bübchen neuerdings mit Macht in die torgefährlichen Räume, selbst beim DFB, wo der junge Bayern-Profi zumeist als Rechtsverteidiger zweckentfremdet wird. Als solcher hat er in Oslo übrigens eines der drei Tore geschossen.

Deutsche Nationalelf
:Löw: "Sind in fast allen Bereichen besser als 2014"

Kuriose Feststellung des Bundestrainers: Trotz der Probleme bei der vergangenen EM hält Joachim Löw seine Elf derzeit für stärker als damals in Brasilien. Defizite sieht er nur vorne.

Die Mannschaft dürfe ihr "großes Potenzial nicht leichtfertig verschenken", hat Teammanager Oliver Bierhoff am Mittwoch zum Thema gesagt. Er ist eine glaubwürdige Instanz in dieser Sache. Seine Zeit als Spieler zeigt ja, dass man am Ende einer Karriere sogar noch mehr Tore als Potenzial haben kann.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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