Joshua Kimmich:Er will, er will, er will

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Jetzt auch noch Torjäger: Joshua Kimmich feiert seinen Treffer gegen den Hamburger SV. Seine Abschluss-Qualität entdeckte er erst kürzlich. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Joshua Kimmich gehört wie selbstverständlich zum DFB-Kader - dabei ist er gar keiner dieser gestandenen Männer. Der Bayern-Spieler stellt einiges auf den Kopf.

Von Christof Kneer

In der wechselvollen Geschichte des DFB-Aufgebots hat es immer wieder Spieler gegeben, die von den jeweiligen Bundestrainern ignoriert wurden. Manchmal ergab das hübsche, kleine Skandale, man hat sich jedenfalls immer gut unterhalten gefühlt. In diesem Sinne muss man nun kritisch anmerken, dass der aktuelle Bundestrainer Joachim Löw mit den Jahren eine rechte Spaßbremse geworden ist. Zuletzt musste man schon aus Dortmund kommen, um in Löws Kadern wenigstens noch Spurenelemente von Skandalpotenzial nachzuweisen. Wer wollte, konnte dann zum Beispiel Marcel Schmelzer vermissen. An diesem Freitag hat sich der BVB nun erneut zu Wort gemeldet, diesmal in Person des Trainers Thomas Tuchel, der es "eine große Enttäuschung" nannte, dass Gonzalo Castro im Kader der Nationalelf fehle. Er sei "zu 100 Prozent" von einer Berufung ausgegangen.

Tatsächlich hätte es Castro zu zirka 99 Prozent verdient gehabt, ebenso wie Lars Stindl oder Daniel Didavi. Aber wer Löws konservativen Ansatz kennt, hätte zu 102 Prozent vorhersagen können, dass er seine sorgsam gepflegte Kaderhierarchie nicht mit Mitt- und Endzwanzigern durcheinanderbringt. Experimente? Für so was gibt's doch Chemiker, für so was braucht's doch keinen Bundestrainer. Wenn Löw etwas Neues wagt, dann nur mit sehr jungen Menschen, ansonsten vertraut er seinen gestandenen Männern. Und natürlich Joshua Kimmich.

Kimmich, 21, ist immer noch die erstaunlichste Personalie im Nationalteam. Man hat ja fast vergessen, dass der Kerl noch ganz neu ist, beim Blick aufs Aufgebot sticht er schon kaum mehr ins Auge. Er steht da halt, so wie da halt der Khedira oder der Kroos steht. Klar steht der Kimmich im Kader, was für eine Frage.

Der junge Mann hat inzwischen ein Alleinstellungsmerkmal, er ist der einzige Spieler, der im EM-Jahr von null auf elf durchgestartet ist. Natürlich hat er es auch den mangelnden Alternativen zu verdanken, dass er bei der EM rechts hinten in Löws Stamm-Elf gerutscht ist, aber er hat das günstige Schicksal schon auch auf seine Seite gezwungen. Kimmich hat sich quasi selbst aufgestellt, er will, will, will, und seine brachiale Tatkraft äußert sich neuerdings sogar in Stürmer-Laufwegen. Kimmich schießt jetzt auch Tore, und zwar genau die, die Toni Kroos nicht braucht. Kroos sieht nicht ein, warum er in Richtung zweiten Pfosten sprinten soll, er ist doch auch ohne so 'nen lästigen Sprint Weltklasse. Kimmich sieht nicht ein, warum er das lassen soll.

Kimmich ist dabei, die historische Reihenfolge zu verändern. Er macht das anders als die Generationen vor ihm, er versucht, sich in der Nationalelf für den Klub aufzudrängen. Beim FC Bayern steht in ein, zwei Jahren ein Kader-Umbruch bevor, und wenn es so weit ist, dann will, will, will der junge Mann eine wichtige Rolle spielen.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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