Goran Pandev und Nordmazedonien:Der Präsident trägt sein Trikot

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Wachsam: Goran Pandev (Mitte) im Champions-League-Finale 2010 gegen den FC Bayern zwischen Mark van Bommel (li.) und Philipp Lahm. (Foto: Imago)

Goran Pandev besiegte einst mit Inter Mailand zweimal den FC Bayern - heute ist er immer noch Kapitän des DFB-Gegners Nordmazedonien und dort Repräsentant eines neuen Nationalstolzes.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Er sieht noch aus wie damals. Schütteres Haar, dazu der melancholische, fast teilnahmslose Blick. Als würde ihn das alles nichts angehen, dieser ganze Klamauk und Trubel rund um den Ball. Trotzdem ist er immer noch dabei. Oder vielleicht genau deswegen: Goran Pandev, der schon vor zehn Jahren wie der 37-jährige Fußballer wirkte, der er heute ist. Ein Traumwandler mit der Seriosität eines Buchhalters. Und lange Zeit einer der unscheinbarsten Hauptdarsteller der Branche.

Womöglich greift Bundestrainer Joachim Löw deshalb auch auf historisches Archivmaterial zurück, wenn er die Nationalelf per Videostudium auf das WM-Qualifikationsspiel gegen Nordmazedonien an diesem Mittwoch vorbereitet. Im Grunde kann Löw damit ja nichts verkehrt machen. Die junge Balkanrepublik ist auch im Fußball noch eine große Unbekannte, über ihren gealterten Volkshelden findet sich aber gewiss einiges im längst digitalisierten Spionagezentrum des DFB. Der Bundestrainer könnte also den Suchbegriff "Pandev + FC Bayern München" eingeben, auf Enter drücken und wäre damit über den wichtigsten Mann und Kapitän des Gegners bereits hinreichend informiert. Pandev, inzwischen in Diensten des italienischen Erstligisten CFC Genua, spielt nämlich noch genauso wie früher: Mal hier, mal da, und das immer im gleichen Tempo. Er ist aber weiterhin ein Angreifer von gefährlicher Schläfrigkeit, weil er über eines der feinsten linken Füßchen verfügt, die es in der vergangenen Dekade gegeben hat.

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Pandev gewann mit Inter das Triple im Finale gegen den FC Bayern

In München wissen sie jedenfalls noch bestens Bescheid darüber. Der Mittzwanziger-Pandev war ja Teil eines Ensembles, das die Bayern einst das Fürchten lehrte, als Dauerläufer bei der zynisch-defensiven Internazionale. Vor ziemlich genau zehn Jahren gelang den Mailändern der letzte Streich, ein 3:2-Sieg in der Fröttmaninger Arena im Achtelfinale der Champions League. Der entscheidende Torschütze damals, kurz vor dem Schlusspfiff: Pandev, mit einem herrlichen Schuss in den Winkel. Inter sicherte sich durch diesen Treffer das Weiterkommen, aber die goldene Generation war bereits über ihren Zenit hinaus, das inoffizielle Ende dieser so kurzen wie gloriosen Ära besiegelte nur wenige Wochen später ein spektakuläres Debakel: eine 2:5-Heimpleite gegen den FC Schalke.

Der Höhepunkt lag da nicht mal ein ganzes Jahr zurück. "La notte magica", die magische Nacht von Madrid. Das von José Mourinho trainierte Inter besiegte im Finale der Königsklasse 2010 den FC Bayern mit 2:0, der Name des Doppeltorschützen Diego Milito ruft innerhalb der bajuwarischen Anhängerschaft noch heute seelische Leiden hervor. Die Nerazzurri vollendeten in dieser Nacht das Triple, bestehend aus Champions League, Meisterschaft und Pokal. Als erstes und immer noch einziges italienisches Team der Geschichte. Aus Sicht der Tifosi hat deshalb jeder Heldenstatus erlangt, der damals dabei war, es war ein Triumph des Kollektivs. Und kaum einer aus dem damaligen Team steht so sehr dafür wie Pandev.

Er war nur ein halbes Jahr zuvor hinzu gestoßen, ablösefrei von Lazio Rom, wo er trotz großer Verdienste behandelt wurde wie ein Aussätziger. Pandev hatte seinen Vertrag nicht verlängern wollen, vom eigenwilligen Lazio-Präsidenten Claudio Lotito war er deshalb suspendiert und verklagt worden. So tickt Lotito eben, doch Pandev wehrte sich und erwirkte vor Gericht wegen Mobbings den Transfer zu Inter - zu dem Verein, der ihn schon als Jugendlichen nach Italien holte und dann auf Leihexpeditionen durch die Provinz schickte, ehe man ihn an Lazio weitergab. Bei seiner Rückkehr in die Lombardei war er noch ein klassischer "fantasista", so nennen sie in Italien ihre begabtesten, aber auch etwas phlegmatischen Interpreten des Spiels. Wenig später hatte Mourinho aus Pandev bereits einen gewissenhaften Arbeiter geformt.

Sogar der nordmazedonische Ministerpräsident ist ein Fan des Angreifers

Dieser Einfluss prägte den einstigen Solisten auch auf seinen späteren Stationen in Neapel, Istanbul und jetzt eben in Genua. Auf seine alten Tage muss Pandev zwar die ein oder andere Kunstpause mehr einlegen, in der ligurischen Hafenstadt ist er aber weiter ein wichtiger Protagonist. Und in seiner Heimat sowieso. "Góce", wie ihn seine Landsleute rufen, ist mit 114 Einsätzen Rekordspieler der kleinen und jungen Nation, die bis 1991 eine Teilrepublik Jugoslawiens war und bis 2019 mit Griechenland einen Konflikt um ihren Namen ausgetragen hat.

In Nordmazedonien ist Pandev eine Symbolfigur, der Repräsentant eines neuen Nationalstolzes. Gegen Deutschland wird er vorne wohl wieder vieles alleine richten müssen, weil sein Mitspieler Ilija Nestorovski aus dem Aufgebot gestrichen wurde. Der Stürmer von Udinese Calcio hatte am Sonntag nach einem Treffer beim 5:0-Sieg gegen Liechtenstein eine Schimpftirade in die Kamera abgelassen, offenbar eine Botschaft an Menschen, die laut eigenen Angaben seine Familie bedrohen.

Über Pandev sind derlei Geschichten nicht bekannt, im Gegenteil. Sogar der nordmazedonische Ministerpräsident Zoran Zaev gehört zu seinen Fans. Nachdem sich die Nationalelf im vergangenen Herbst für die EM und damit zum ersten Mal für ein großes Turnier qualifiziert hatte, empfing Zaev die Fußballer am Flughafen. Er trug ein rotes Trikot mit der Nummer 10 und dem Namen Pandev auf dem Rücken, dem Torschützen beim 1:0-Sieg im Play-off-Spiel gegen Georgien. "Der größte Erfolg in meiner Karriere", sagte Pandev hernach. Und das will bei seiner Vita schon was heißen.

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