WM 2010: Nationalmannschaft:Spiel ohne Bauch

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Die planvolle Arbeit des Trainers Löw hat die DFB-Elf auf neue Höhen geführt. Um auf der höchsten Stufe anzukommen, muss es die kopflastige Mannschaft schaffen, die Ur-Instinkte der Sportart zu aktivieren.

Christof Kneer

Am 8. Juni 2012 geht es wieder los, im Nationalstadion Warschau. Am 8. Juni 2012 geht es aber auch weiter westlich wieder los, in Deutschland. Städte und Gemeinden werden die Großleinwände aus den Rathauskellern holen, unschuldige Straßen und Plätze werden wieder gezwungen, Fanmeilen zu sein, und die Lebenserwartung der Grillwurst wird wieder dramatisch sinken. Deutschland wird sich beflaggen, Feste feiern, die Nationalmannschaft lieb haben. Die wird sich bis dahin souverän für die EM in Polen/Ukraine qualifiziert haben, und auch im Turnier wird sie die Menschen überwiegend glücklich machen. Und im Halbfinale wird die Elf´... - ja, was eigentlich?

Der Kopf einer kopflastigen Mannschaft: Bastian Schweinsteiger. (Foto: dpa)

Wer einen Blick auf die Turniere 2006, 2008 und 2010 wirft, erkennt hinter all der Partystimmung eine Linie, die nicht das Partyvolk, sondern die Experten beschäftigen dürfte. Wie kommt es, dass die deutsche Elf erst Lust & Laune, im entscheidenden Moment aber ein Gefühl von Ernüchterung und Entzauberung hinterlässt? Warum hört der Spaß immer im entscheidenden Moment auf? Die seriöse, planvolle Arbeit des Trainers Löw hat die Elf auf neue Höhen geführt, aber auf der höchsten Höhe ist die Luft noch zu dünn.

Es gibt keinen Zweifel an jenem Weg, den Löw mit seinem Team geht, aber wenn sich der Bundestrainer nun an die Inventur macht, wird er auch sich selbst ein paar konkrete Fragen stellen müssen. Wie kommt es, dass die Elf in entscheidenden Turnierspielen auf etwa anderthalb Torchancen kommt? Wie kommt es, dass im Mittelfeld nur Bastian Schweinsteiger die nötige Wettkampfhaltung und Wehrhaftigkeit entwickelt hat? Wie kommt es, dass nur der Gegner Gefahr aus Eck- und Freistößen zieht?

Fragen wie diese wird Löws akademisch veranlagte Crew nur beantworten können, wenn sie auch mal den Computer beiseite legt. Um auf der höchsten Stufe anzukommen, fehlt dem kopflastigen deutschen Spiel gelegentlich der Bauch. Es ist die Gefahr einer Elf, die so sehr nach Plan spielt: Wenn die Elf der Plan verlässt, wenn er nicht aufgeht oder der Gegner zu gut für den Plan ist - dann gelingt es der Internats-Generation nicht, die Ur-Instinkte dieser Sportart zu aktivieren. Die Hoffnung ist: Es gelingt ihr noch nicht.

© SZ vom 09.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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