WM 2010: DFB-Elf:Klose und sein letzter Fan

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Angreifer Miroslav Klose hat eine miserable Saison hinter sich. Kaum Einsatzzeiten im Verein, schlechte Leistungen in den Testspielen. Doch alles deutet daraufhin, dass er gegen Australien beginnt. Warum hält Löw an Klose fest?

Thomas Hummel, Johannesburg

Joachim Löw ist bei seinen Interviews nach einem Länderspiel als freundlicher Mann bekannt. Der 50-Jährige stellt sich da zwischen Delling und Netzer oder zwischen Müller-Hohenstein und Kahn, wackelt ein wenig mit seinem Mikrofon umher und gibt mit badischem Akzent höfliche Antworten. Nach dem letzten Testspiel vor der WM gegen Bosnien-Herzegowina allerdings änderte sich das. Da überfiel den Bundestrainer merklich der Unmut. Der Grund: Ein Reporter hatte ihn gefragt, ob Miroslav Klose nun seinen Stammplatz verloren hat.

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Joachim Löws Lippen spitzten sich daraufhin gefährlich zu, die dunklen Augenbrauen zogen sich weit hinunter, und ganz entgegen seiner Gepflogenheit wollte er seinen Gegenüber gar nicht mehr ansehen. Löw sagte: "Der Miro ist ein wichtiger Spieler." Selbst auf die Intervention des irritierten Fragestellers, Klose sei im Vergleich zum Konkurrenten Cacau doch erheblich abgefallen, wollte Löw nicht von seinem Stürmer abrücken. Die Aussage blieb: Miroslav Klose wird noch kommen!

Der 32-jährige Stürmer ist die umstrittenste Personalie im deutschen Team. Klose hat eine schlimme Saison beim FC Bayern München hinter sich, kam in der exquisit besetzten Offensive fast immer als Letzter auf den Platz. Noch hinter seinem Nationalmannschafts-Kollegen Mario Gomez. Klose schoss nur sechs Pflichtspieltore für die Münchner und auch in den Testspielen des Jahres 2010 glänzte er mit der Fähigkeit, sich zwischen den gegnerischen Abwehrspielern unsichtbar machen zu können. Gegen Argentinien, Ungarn und gegen Bosnien kam Löw nicht drumherum, Klose auszuwechseln.

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Gemeinsam hatten alle drei Partien 2010, dass mit Kloses Auswechslung plötzlich ein neuer Geist in den deutschen Angriff kam. Dieser Geist hörte zumeist auf den Namen Cacau, manchmal auch auf den Namen Gomez. In den Minuten nach dem Bosnien-Test hätte niemand im deutschen Fußballland einen Knopf darauf verwettet, dass Klose an diesem Sonntag in Durban beim ersten WM-Gruppenspiel gegen Australien von Beginn an ins Moses Mabidha Stadium laufen würde. Bis zu Löws Interview.

Schon dort wie auch in späteren Aussagen weigerte sich der Bundestrainer zwar, sich ohne definitiv auf Klose als einzige Spitze in seinem 4-2-3-1-System festzulegen. Er ließ aber durchklingen, welche Präferenz er hat: Klose. Noch bei seinem einzigen Auftritt im Hotel Velmore in der vergangenen Woche betonte Löw: "Es war klar zu sehen, dass er sich körperlich viel wohler fühlt. Er zeigt sich im Training sehr beweglich und schnell in seinen Aktionen. Ich habe ein gutes Gefühl, dass er langsam in Form kommt und seine körperliche Frische findet. Dies ist für sein Spiel ganz wichtig."

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Damit verfolgt Löw wie gewohnt eine von ihm für gut befundene Strategie. Der 50-Jährige lässt sich einfach nicht umstimmen, setzt sich über den Alltag hinweg - und wenn der Druck von außen (Öffentlichkeit) oder von innen (Leistung) noch so groß ist. Beispielhaft sind die Fälle Podolski, Kuranyi, Hummels, ein bisschen auch Frings. Nach dem Motto: Wir wissen, was wir tun, und lassen uns von niemandem reinquatschen, nur weil heute die Tendenz eine andere ist als gestern!

Löw schätzt an Klose dessen Fähigkeit, am Kombinationsspiel zu partizipieren, mit großem Laufpensum Löcher in der gegnerischen Abwehr für seine Mitspieler zu öffnen - und zu allererst natürlich Kloses Begabung, in wichtigen Partien Tore zu schießen. Zuletzt beim entscheidenden Qualifikationsspiel in Russland. Deshalb hat Löw schon zu Jahresbeginn angedeutet, dass er mit ihm plane, egal was passiert. Denn schon da hatte sich ja abgezeichnet, dass Klose in München nicht mehr viele Spielminuten bekommen würde. Klose müsse eben stattdessen im Training an die Leistungsgrenze gehen, meinte Löw.

"Es geht aufwärts"

Außerdem baute Löw von Beginn an darauf, dass er Kloses größtes Problem im Wohlfühlbecken Nationalmannschaft schnell beheben kann: Dessen leicht depressive Erscheinung, wenn es nicht gut läuft. Gegen Bosnien haderte der Stürmer schon nach wenigen Minuten mit ungenauen Anspielen und wirkte ohne jedes Selbstvertrauen. Jetzt beschwört Löw fast eine Aufhellung seines seelischen Zustands: Er sei "psychologisch im Aufwind. Es geht aufwärts. Ich merke, dass er diese Woche die Handbremse löst."

Es ist nicht auszuschließen, dass Löw seinem Lieblingsstürmer schon vor Monaten eine Einsatzgarantie für das Australien-Spiel gegeben hat. Denn Klose wirkte trotz seiner miserablen Auftritte zuletzt nach außen hin selbstsicher: "Der entscheidende Moment ist das erste WM-Spiel gegen Australien. Daran lasse ich mich sehr gerne messen", sagte Klose.

Und auch für seinen Bundestrainer ist Kloses Leistung nicht unwichtig. Denn wer solch fast einsame Entscheidungen gegen jede Tendenz trifft, macht sich bei Misserfolg entsprechend angreifbar. Sie erfordern von einem Trainer aber auch Mut und Überzeugung, was kein Nachteil sein muss für den Auftritt der deutschen Mannschaft bei dieser WM. Und im Notfall weiß Löw: Er kann immer noch Cacau einwechseln.

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