WM:Der blamabelste Abend des US-Fußballs

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Am Boden: Christian Pulisic verpasst mit den USA die WM. (Foto: AFP)

Die USA scheitern in der WM-Qualifikation an Honduras, Panama und Costa Rica. Der Grund: Fußball ist dem Land immer noch ziemlich egal.

Kommentar von Jürgen Schmieder

Hier sind ein paar Leute, die US-Fußballfans als Schuldige dafür ausgemacht haben, warum sich die Nationalelf nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert hat: Trainer Jürgen Klinsmann, der den Laden auseinandergenommen, nicht rechtzeitig wieder zusammengesetzt hat und deshalb während der Qualifikation entlassen worden ist. Sein Nachfolger Bruce Arena, ein Fußballrelikt aus längst vergangener Zeit. Verbandchef Sunil Gulati, der erst Klinsmann und dann Arena eingestellt hat. Die Schlingel aus Trinidad und Tobago, die als Spielfeld einen Untergrund wählten, der eher nach Schwimmbad aussah denn nach Rasen. Die Mexikaner, die gegen Honduras groteske Gegentreffer kassierten und (absichtlich?) verloren. Die Costa Ricaner, denen gegen Panama (absichtlich?) Ähnliches passierte. Ach ja: Der Fußballgott hatte seine Hände ebenfalls im Spiel, als er einen Schuss von Clint Dempsey an den Pfosten lenkte.

Schuldzuweisungen und auch ein paar Verschwörungstheorien sind nach einem derart desaströsen Scheitern verständlich. Sie taugen jedoch nicht als Analyse dafür, warum der amerikanische Fußballverband, der sich so gerne mit Brasilien, Belgien und Argentinien messen würde, nach Niederlagen gegen Mexiko und Costa Rica nun gegen Trinidad und Tobago den blamabelsten Abend seiner Geschichte erlebt hat. Die Gründe dafür liegen viel tiefer.

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Die Mehrzahl der Amerikaner behandelt Fußball so, wie die meisten Deutschen mit Disziplinen wie Rudern, Curling und Kugelstoßen umgehen: Alle vier Jahre ist das spektakulär und interessant, dazwischen eher nicht. Während einer WM frönen die Amerikaner wochenlang ihrer Liebe zum Heimatland, sie versammeln sich in Kneipen und auf Fanmeilen - nicht unbedingt, weil ihnen Fußball gefällt, sondern weil sie als Nationalflaggen verkleidet "U-S-A, U-S-A" brüllen dürfen.

Dieser Umgang betrifft nicht nur die Nationalelf. Wer sich die sündhaft teure fußballerische Ausbildung in einem profitorientierten Klubs nicht leisten will, der muss sich auf öffentliche Ligen verlassen. Die Trainer dort sind Väter, die selbst nie Fußball gespielt und vor der Saison schnell einen Online-Kurs absolviert haben. In den Schulen dominieren noch immer die traditionellen US-Sportarten sowie olympische Kerndisziplinen, warum sollte sich ein talentierter Jungathlet ausgerechnet für Fußball entscheiden? Es ist das Gegenteil strukturierter Talentförderung - und die Laufbahn von Christian Pulisic bestätigt das: Als seine Eltern, beide Fußballspieler und -trainer, ihn nicht mehr selbst ausbilden konnten, schickten sie ihn in die Jugendakademie von Borussia Dortmund.

Statt einzelne Schuldige zu suchen oder Verschwörungstheorien zu entwickeln sollte der amerikanische Verband aus dieser Blamage vor allem eines lernen: Niemand darf sich mit den Besten der Welt messen, wenn er die populärste Disziplin der Welt wie eine Alle-vier-Jahre-Sportart behandelt.

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