WM 2010: Torwart:Neuer statt Lehmann

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Bundestrainer Löw wird Jens Lehmann nicht in das DFB-Team zurückholen. Allein schon, um zu vermeiden, dass dieser mit Tim Wiese sechs Wochen in einem Hotel wohnt.

Philipp Selldorf

Jens Lehmann hat das Buch über seine Lebenserinnerungen als Fußballer und Exzentriker fertig, der Verlag verschickt schon Abschriften an Rezensenten. Aber man könnte notfalls noch ein paar lose Blätter mit einem Extrakapitel beilegen, das garantiert interessieren würde. Titel: Wie ich doch noch Weltmeister wurde. Oder: Wie ich doch noch fast Weltmeister geworden wäre.

Manuel Neuer. (Foto: Foto: Getty)

Was spräche dagegen? Jedenfalls nicht die Tatsache, dass Jens Lehmann bereits eine kleine Lichtung auf dem Kopf spazieren führt und 40 Jahre alt ist. Das Alter ist nicht sein Hindernis, das hat er während der Rückrunde nachgewiesen, in der seine exzellenten Auftritte mit dem VfB Stuttgart verdächtig nach einer Bewerbung fürs WM-Tor ausgesehen haben.

Er hat seine Klasse und den Wert seiner Routine unter Beweis gestellt, und an seiner Bereitschaft, den Sommer im afrikanischen Winter zu verbringen, gibt es auch nicht viele Zweifel. Dass Lehmann es am Dienstag abgelehnt hat, René Adlers Unglück zu kommentieren, sagt eigentlich alles. Lehmann würde mitreisen, wenn ihn der Bundestrainer fragen würde, und natürlich hielte er sich für die passende Nummer eins.

Aber der Bundestrainer wird ihn nicht fragen. Joachim Löw hat sich schon nach der EM 2008 darauf festgelegt, dass künftig Jüngeren das deutsche Tor gehören müsse, und er hat nach Adlers Ausfall fürs Turnier keinen Grund, von dem Vorsatz abzuweichen. Abgesehen davon würde er zwar ein interessantes Experiment eingehen, wenn er Jens Lehmann und Tim Wiese sechs Wochen unter dasselbe Hoteldach stecken würde, aber produktiv wäre diese Versuchsanordnung allenfalls für eine lebendige Krawallberichterstattung.

Löw wird sich einen anderen dritten Mann suchen als Lehmann, er wird dem Gebot des Leistungsprinzips die Garantie einer friedlichen Lösung vorziehen und deswegen eher den stillen Jörg Butt als die ehrgeizigen Timo Hildebrand und Roman Weidenfeller auswählen. Schließlich wird er nach Beratung mit seinem Fachreferenten Andreas Köpke Tim Wiese oder Manuel Neuer als neuen Stammtorwart der Nationalelf bestimmen.

Es wäre erstaunlich, wenn ihre Wahl dann nicht auf Manuel Neuer fiele. Neuer hat nicht nur all die Qualitäten, die ein herausragender Torwart haben muss, er besitzt auch das technische Vermögen und die Übersicht eines Feldspielers, wobei dieser Feldspieler nicht der Vorstopper, sondern ein Gestalter wäre. Sein Stil sieht manchmal abenteuerlich und gewagt aus, aber er ist effektiv, er stellt kein Schauspiel dar. Und was sein Alter betrifft, gilt für den jungen Neuer das gleiche wie für den alten Lehmann - es bleibt Nebensache.

© SZ vom 5.5.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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