Schwimmen:Wellbrocks Puzzle um den finalen Spurt

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Rang vier über 800 Meter Freistil: Florian Wellbrock. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Bei der Olympia-Premiere der 800 Meter Freistil kann Florian Wellbrock am Ende das Tempo nicht halten - und landet auf Rang vier. Was heißt das für seinen Traum, am Sonntag Olympiasieger zu werden?

Von Claudio Catuogno, Tokio

Olympiasieger werden? Als deutscher Schwimmer? Die letzten beiden, denen das bei den Männern gelang, waren Michael Groß, 57, und Uwe Daßler, 54, bei den Spielen 1988 in Seoul. Der eine für Westdeutschland, 200 Meter Schmetterling, der andere für die DDR, 400 Meter Freistil, mit Weltrekord, so war das damals. 33 Jahre her.

Aber wenn einer der aktuelle Weltmeister ist, sogar Doppelweltmeister im Pool und im Freiwasser, ist es trotzdem kein verwegener Traum, den Florian Wellbrock, 23, sich in den Kopf gesetzt hat. Im Schwimmen sind allerdings ein paar mehr Konkurrenten auf Augenhöhe dabei als, bei allem Respekt, etwa beim Dressurreiten oder Kanuslalom. Und deshalb kann es auch für den Weltmeister ganz anders ausgehen, am Sonntag im Finale über 1500 Meter Freistil. Zum Beispiel so wie am Donnerstag über 800 Meter Freistil.

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Die 800 Meter sind in Tokio eine neue olympische Strecke, bisher schwammen sie nur die Frauen, die Männer dafür nur die 1500 Meter. Jetzt schwimmen beide beides, man wollte nicht länger den Eindruck erwecken, Frauen könnten es im Becken nur halb so weit schaffen. Der Konkurrenzdruck wird schnell größer auf Strecken, auf denen man jetzt auch Olympiasieger werden kann, doch das Finale am Donnerstag war letztlich ein Klassentreffen der 1500-Meter-Elite: Wellbrock schwamm vorne mit, sein italienischer Dauerrivale Gregorio Paltrinieri, der Ukrainer Michailo Romantschuk. Und ein neues Gesicht: der Amerikaner Robert Finke, 21.

Paltrinieri wie ein Schaufelraddampfer, Wellbrock wie ein U-Boot: So ging es im Becken von Tokio voran

Wellbrocks Rennen lief lange Zeit exzellent - und damit ganz anders als bei der WM 2019 in Gwanju, wo er über 800 Meter das Finale verpasst hatte, ehe er über 1500 triumphierte. Paltrinieri wälzte sich auf seiner Außenbahn voran wie ein Schaufelraddampfer, Wellbrock glitt wie ein schmales U-Boot dahin - wer etwas über die Vielfalt der Schwimmstile bei Olympia erfahren möchte, muss bloß diesen Beiden beim Kraulen zusehen.

Diesmal schien Wellbrock alles im Griff zu haben, bei 750 Metern kam er sogar als Erster aus der letzten Wende. Dann wurde es doch nur Rang vier in 7:42,68 Minuten, hinter dem Überraschungs-Olympiasieger Finke (7:41,87), Paltrinieri (7:42,11) und Romantschuk (7:42,33). Es war immer noch Wellbrocks zweitbeste je geschwommene Zeit. Aber langsamer als der deutsche Rekord, den er am Dienstag im Vorlauf aufgestellt hatte (7:41,77).

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Woran hat es gelegen? War nicht eigentlich der Spurt auf der letzten Bahn immer seine Stärke? Und was heißt das jetzt für die 1500 Meter am Sonntag?

"Heute hat's hintenraus nicht gereicht", sagte Wellbrock, "normalerweise müsste ich den Paltrinieri auf den letzten 50 im Griff haben." Bei 650 Metern habe er "das Tempo hochgenommen, weil ich gesehen habe, es wird alles sehr eng" - vielleicht sei das "ein Tickchen zu doll, ein Tickchen zu früh" gewesen. Alles in allem habe sich das Rennen aber "sehr, sehr gut angefühlt, bloß der vierte Platz ist ärgerlich".

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Es ist immer ein großes Puzzle, im Nachhinein einen solchen Auftritt zu analysieren. Wie waren die Zwischenzeiten? Wie war die Armfrequenz? Wann wurde das Tempo verschärft? Wann der Beinschlag intensiviert? Das wird Wellbrock jetzt mit seinem Trainer Bernd Berkhahn und den Team-Analysten angehen. Berkhahn hatte am Donnerstag auch schon eine Theorie: "Florian hat seine Grundschnelligkeit nicht genutzt und ist das Rennen in der ersten Hälfte zu ruhig angegangen", sagte er. "Da war mehr drin." Wenn man weiß, woran es lag, kann man es ja vielleicht beim nächsten Mal besser machen.

Wellbrock wirkte jedenfalls nicht beunruhigt: "Ich habe 2019 gezeigt, dass ich nach einem nicht so guten 800-Meter-Rennen sehr gute 1500 abliefern kann", sagte er. Damals hatte Berkhahn aber schon auf der ersten Bahn bemerkt, dass die gesamte Wasserlage nicht passte. Diesmal passte alles, bis auf die Endgeschwindigkeit.

Was Wellbrock jetzt sicher weiß: dass mit Paltrinieri wieder zu rechnen ist - obwohl der Italiener daheim noch vor wenigen Wochen vom Pfeifferschen Drüsenfieber niedergestreckt worden war. "Ich hätte vor zwei Wochen noch keinen Euro gewettet, dass ich hier schwimmen kann", sagte er nach dem Finale, geschweige denn Silber gewinnen. Aber jetzt sei er doch wieder optimistisch - "auch für die 1500 Meter am Sonntag".

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