Basketballer Johannes Voigtmann:Einer für die Harlem-Globetrotters-Trickkiste

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Wieder einer drin: Johannes Voigtmann in der Partie gegen Frankreich. (Foto: Getty Images)
  • Bei der Basketball-WM zeigt Johannes Voigtmann im ersten Spiel gegen Frankreich, wie gut er inzwischen ist.
  • Der Center des deutschen Nationalteams hat sich zu einem der besten großen Spieler Europas entwickelt.

Von Jonas Beckenkamp

Als die deutschen Basketballer bei der Niederlage gegen Frankreich zum WM-Start in der Anfangsphase alles daneben warfen, fand immerhin einer sein Händchen. Johannes Voigtmann, der Lange mit dem feinen Wurf, brachte es in der Auftaktpartie auf stolze 25 Punkte - so gut traf seit Dirk Nowitzki kein Deutscher mehr bei seinem WM-Debüt. Beim großen Blonden waren es 2002 gegen China 30 Zähler, am Ende holte Deutschland Bronze.

Bis zu einer Medaille ist es diesmal noch verdammt weit, durch das 74:78 (20:36) im ersten Vorrundenspiel gegen die unerbittlichen Franzosen hat sich die Lage verkompliziert. Denn: Deutschland muss nun seine beiden restlichen Gruppenspiele gegen die Dominikanische Republik (diesen Dienstag 10.30h/ Liveticker SZ.de) und Jordanien gewinnen, um weiterzukommen. An Voigtmann lag es nicht, dass gegen Frankreich phasenweise alles vom Ring (oder von Rudy Gobert) abprallte, er machte seinen Job, nutzte die Freiräume an der Dreierlinie und versenkte Schüsse wie ein Wurfroboter. Trotzdem war auch er hinterher ziemlich niedergeschlagen. "Das tröstet mich null", sagte der 26-Jährige. Eigene Punkte sind eben wenig wert, wenn man verliert.

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"Ich hatte das Gefühl, wir hatten ein bisschen zu viel Respekt", meinte Voigtmann, "vier Punkte im ersten Viertel, das war viel zu wenig." Gerade zu Beginn wirkten die Deutschen ja schläfrig, gar mutlos. Bis Voigtmann von der Bank kam und seine Kollegen mit seiner Trefferserie mitreißen konnte. Dass ausgerechnet er der beste Deutsche zum WM-Start sein würde, war nicht unbedingt absehbar. Voigtmann stand nach einer ordentlichen Vorbereitung nicht in der Anfangsformation von Bundestrainer Hendrik Rödl - und das, obwohl er der einzige echte Center im Kader ist.

Stattdessen vertraute Rödl auf Maxi Kleber und Daniel Theis auf den großen Positionen. Aber Voigtmann ist einer, dem eine Rolle aus der zweiten Rolle nichts ausmacht, er ist so teamdienlich, wie ein Basketballer nur sein kann. Für einen langen Mann kann er passen wie kaum ein Zweiter, mancher Beobachter vergleicht ihn bei der WM schon mit der serbischen Spektakelmaschine Nikola Jokic. Der Mann von den Denver Nuggets spielt gerne Pässe aus der Harlem-Globetrotters-Trickkiste - Fähigkeiten, die auch Voigtmann besitzt. Gegen Frankreich pinselte er Robin Benzing ein Zuspiel in den Lauf, das auch ein Football-Quarterback kaum besser hinbekommen hätte.

Mit seiner Vielseitigkeit und seinem mobilen, modernen Spiel ist der gebürtige Thüringer längst auch den Experten im Weltbasketball aufgefallen. Er hat sich prächtig entwickelt, seit er vor drei Jahren die Frankfurt Skyliners verließ und nach Spanien zum Euroleague-Klub Vitoria wechselte. Im Baskenland lernte er, Basketball auf europäischem Topniveau zu spielen, Woche für Woche gegen die besten Lulatsche des Kontinents aus Barcelona und Madrid anzutreten und selbst seine Würfe zu suchen. Noch im Mai schwärmte er im Gespräch mit der SZ von der "ganz besonderen Atmosphäre" in Vitoria, wo es ihm "richtig gut" gefiel, wie er sagte.

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Dann kam der Sommer und mit ihm eine aufgeregte Wechselphase, in der kurzzeitig sogar ein NBA-Engagement Voigtmanns auf dem Plan stand. Die Washington Wizards schienen ernsthaft interessiert zu sein, ihn zu holen - damit wäre er Teamkollege der Nationalteam-Spezis Isaac Bonga und Moritz Wagner (beide schafften es nicht in den endgültigen WM-Kader) geworden. Doch es spricht für Voigtmann, dass er es sich genau überlegte und dann doch absagte. "Ich habe mich gegen die NBA entschieden, weil meine Rolle nicht klar gewesen wäre", sagte er damals der Thüringischen Allgemeinen. "Ich hätte sicher auch Lust auf die NBA gehabt." So ging er schließlich zum amtierenden Euroleague-Champion ZSKA Moskau. "Nur um am Ende sagen zu können - 'ich spiele NBA' - hätte ein Wechsel keinen Sinn ergeben", fand er.

Den Wechsel nach Russland habe er "irgendwie mal gebraucht", gab er zu, "als das Angebot von Moskau kam, fühlte ich mich natürlich geehrt", so Voigtmann. "Sie haben eine Kultur, in der es immer ums Gewinnen geht. Das ist eine Situation, in der man gern sein möchte." Sein Realismus, seine Cleverness und seine Ernsthaftigkeit sind Voigtmanns prägendste Charakter-Eigenschaften, er ist einer, der keine Faxen macht, sondern mit aufrichtigem Sport überzeugt. Seine Rolle kennt der 2,11-Meter-Mann ganz genau. "Ich versuche, das zu machen, was nötig ist, damit andere Leute gut aussehen", sagt er. Voigtmann spielt gern uneigennützig, er teilt den Basketball gerne mit den Mitspielern - zur Not auch mal hinter dem Rücken oder ohne vorher zu "Blinken".

"Er hat sicherlich wie viele andere Spieler eine großartige Entwicklung genommen", sagt Bundestrainer Rödl über seinen Längsten im Team, "er hat den ganzen Sommer schon sehr, sehr gut gespielt." Gegen Frankreich lief am Ende nichts mehr ohne ihn, auch Dennis Schröder suchte stets die sichere Wurfhand seines heißgelaufenen Kollegen. "Er war der, der das Spiel offensiv verändert hat", beobachtete Rödl, dem es aber sicher lieber gewesen wäre, wenn sich neben Schröder (23 Punkte) und Voigtmann noch andere in den Vordergrund gedrängt hätten.

Dass Deutschlands Center so filigran mit dem Basketball umgehen kann, liegt auch an seiner Jugend. Als er kleiner war, spielte er in seiner Heimat Eisenach Handball, so lernte er das schnelle Passen, die Kunst des Durchsteckens zum Nebenmann und die Koordination auf dem Parkett. Dank seiner soliden Ausbildung ist er heute einer der besten Großen der Euroleague - und das, obwohl andere vielleicht mehr Muskeln haben.

Doch all die Lorbeeren bedeuten ihm wenig, wenn er mit der DBB-Auswahl Spiele so unnötig verliert, wie gegen Frankreich. So ärgerte er sich über die verpasste Chance nach dem Kaltstart ins WM-Turnier. "Wir haben die Sachen gemacht, die wir machen wollten. Wir haben es nur ohne Überzeugung gemacht", erklärte der 63-malige Nationalspieler und hofft, dass sich schon gegen die Dominikaner alles umkehrt: "Wir müssen jetzt entscheiden, ob wir das Gesicht zeigen wollen, dass wir Anfang der ersten und zweiten Halbzeit gezeigt haben, oder das andere. Wenn wir das andere zeigen, dann haben wir immer noch eine Chance, hier was zu reißen." Er selbst wird in bester Manier vorangehen.

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