VfL Wolfsburg vor dem Spiel gegen Bayern:Finanzstark, aber unter dem eigenen Wert

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Sie waren der letzte Meister, der nicht Bayern oder Dortmund hieß. Doch mittlerweile geben sie einen ziemlich trostlosen Haufen ab. Mit viel Geld versucht der VfL Wolfsburg jetzt, wieder ein Spitzenteam zu formen - im Pokal-Halbfinale beim FC Bayern wird sich zeigen, wie weit er davon noch entfernt ist.

Von Boris Herrmann, Wolfsburg

Der FC Bayern und Borussia Dortmund, so ist zur hören, beginnen sich in der Bundesliga zu langweilen Vier Jahre in Serie haben sie nun die Meisterschaft untereinander aufgeteilt, weitgehend unbehelligt vom Rest des Landes. Nun soll laut Bayern-Präsident Uli Hoeneß nach Lösungen geforscht werden, um die Konkurrenz wieder konkurrenzfähiger zu machen. Ein erster Lösungsvorschlag könnte sein, dem letzten Meister wieder auf die Beine zu helfen, der nicht Bayern oder Dortmund hieß. Zur Erinnerung, weil das aus heutiger Sicht doch reichlich absurd klingt: Dieser Meister war der VfL Wolfsburg.

Wie wäre es denn zum Beispiel, wenn die Münchner auf dem kleinen Dienstweg ihren Stürmer Mario Mandzukic (15 Tore in 21 Ligaspielen) wieder nach Niedersachsen schicken würden? Und wenn sie dafür dessen kroatischen Landsmann Ivica Olic (sieben Tore in 27 Spielen) zurücktauschten - wäre das nicht eine Arbeitsgrund- lage, um die Lücke zwischen Bayern und Wolfsburg zu verringern? Mit Geldspenden braucht man dem Meister von 2009 jedenfalls nicht kommen, davon hat der sportliche Ableger des VW-Konzerns schon viel zu viel in den Sand gesetzt.

Was Wolfsburg von Hoeneß brauchen könnte, um mittelfristig wieder um einen Titel mitspielen zu können, wären Sachspenden: Thomas Müller, Franck Ribéry, Javi Martínez, um nur einige Geschenkideen zu nennen. Kurzfristig, so ist zu befürchten, wird das aufgrund bürokratischer Wechsel- fristen allerdings nicht mehr hinhauen.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Adrett im Schonungs-Kabinett

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Aus dem Stadion von Saskia Aleythe

Das ist zu bedauern, denn am Dienstag um 20.30 Uhr empfängt der FC Bayern im Halbfinale des DFB-Pokals ausgerechnet den VfL Wolfsburg. Es könnte ein richtig spannendes Duell auf Augenhöhe werden - wenn das Team von Dieter Hecking beispielsweise mit der Mittelachse Naldo-Martínez-Mandzukic bestückt wäre.

Falls nicht noch ein Transfer-Wunder geschieht, kommen Martínez und Mandzukic aber im Trikot des FC Bayern zum Einsatz. Denn der will im Gegensatz zum 4:0 vom vergangenen Samstag gegen Nürnberg wieder mit seiner ersten Elf antreten (lediglich Ribéry ist gesperrt). Bei Wolfsburg dürften sich dann Spieler wie Slobodan Medojevic oder Maximilian Arnold um ein Pokalwunder bemühen. Und neben dem Innenverteidiger Naldo spielt dann wohl Alexander Madlung.

Der ewige Madlung, tausend Mal verbannt, tausendundeinmal begnadigt, hat im Übrigen einen ganz eigentümlichen Blickwinkel auf dieses Halbfinale. Er sagt: "Das ist wie ein vorgezogenes Endspiel."

Unter diesem Begriff mag jeder etwas anderes verstehen. Uli Hoeneß würde womöglich ein Champions-League-Halbfinale zwischen Bayern und Barcelona als "vorgezogenes Endspiel" bezeichnen. Joachim Löw eher ein WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Spanien. Und Arjen Robben vielleicht ein beliebiges Halbfinale, bei dem auf beiden Seiten Arjen Robben mitspielt. Aber wahrscheinlich kommt nur Madlung auf die Idee, das auf eine Partie zu beziehen, in der Wolfsburg mitmacht. Fester Bestandteil des vorgezogenen Endspiels war bislang, dass dabei zwei sehr gute Mannschaften aufeinandertreffen.

Unter dem eigenen Wert: Auch Spieler wie Diego (links neben Bayerns Philipp Lahm) verleihen dem finanzstarken VfL Wolfsburg nicht mehr Klasse. (Foto: AFP)

Wer wissen will, ob sich der VfL im Moment für eine sehr gute Mannschaft hält, der muss nur Manager Klaus Allofs ein Weilchen zuhören. Am Samstag, nach dem sechsten sieglosen Ligaspiel in Serie, sagte er solche Sätze: "Wir verfallen immer wieder in denselben Trott." Oder: "Die Mannschaft muss schneller lernen." Und: "Wir sehen uns in ganz Europa nach guten Spielern um." Allein: Weder er noch seine Vorgänger Felix Magath, Dieter Hoeneß und Armin Veh haben seit dem Meistertitel 2009 allzu viele gute gefunden.

Wolfsburg unterhält den größten Kader der Liga und hat zudem 17 eigene Spieler über ganz Europa verteilt verliehen. 13 kehren nach Lage der Dinge im Sommer zurück, davon kann man sich gegenwärtig aber allenfalls den Augsburger Ja-Cheol Koo in der Startelf vorstellen. Das macht Allofs' doppelte Hauptaufgabe nicht einfacher. Sie lautet: den Kader deutlich zu verkleinern und ihn gleichzeitig überdeutlich zu verbessern. Abgesehen vom Abwehrturm Naldo, dem Torhüter Diego Benaglio sowie dem etwas antiquierten, aber immer noch begnadeten Spielmacher Diego tummelt sich in diesem Team aber vor allem Mittelmaß.

Auch unter dem Duo Allofs und Hecking ist bislang keine klare Linie zu erkennen. Und so steht der VfL nach quälend langen Jahren, die von stets wieder einstürzenden Neubauten geprägt waren, mit einer Mannschaft da, die einen ziemlich trostlosen Haufen abgibt. Hecking ist jetzt gut hundert Tage im Amt. Wenn er alle Euphorie zusammenkratzt, dann fällt seine Bilanz immerhin so aus: "Es ist nach wie vor eine hochspannende Aufgabe, diesen VfL auf Touren zu bringen." Als abgemacht gilt, dass der Freiburger Mittelfeldrenner Daniel Caligiuri im Sommer nach Wolfsburg kommt. Das wäre immerhin ein Anfang.

Hecking sagt im Abgleich mit allen Wahrscheinlichkeitsrechnungen, er werde sich nun nicht hinstellen und behaupten, "dass wir die Bayern 4:0 weghauen". Er ist sich indes mit seinem Münchner Kollegen Jupp Heynckes einig, dass in einem Spiel immer alles möglich ist. Heynckes warnt pflichtschuldig: "Es wird kein Selbstläufer." Wenn es aber tatsächlich spannend werden sollte, dann wäre es fast genau so spannend, ob Uli Hoeneß dann wirklich zufrieden lächelnd auf der Tribüne säße.

© SZ vom 16.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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