Xabi Alonso und Sebastian Hoeneß:Gemeinsam größer werden

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Zwei, die den Fußball ähnlich verstehen: Leverkusens Trainer Xabi Alonso (links) und VfB-Coach Sebastian Hoeneß. (Foto: Philippe Ruiz/Imago)

Der VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen sind die Trainermannschaften der Bundesliga. An beiden Standorten wachsen Spieler und Trainer miteinander und aneinander - die Frage ist nur, wie lange noch.

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Üblicherweise freuen sich Trainer, wenn sich ihre Fachkenntnis auf großer Bühne widerspiegelt. Ausnahmen bestätigen in diesem Fall die Regel, etwa beim Trainer Bruno Labbadia, dessen Fachkenntnis auf der Formulierung "Das wird ein brutal schwerer Weg" aufbaut; er dürfte also maximal ein masochistisches Vergnügen dabei empfinden, wenn ihm der Fußball wieder mal Recht gegeben und der schwere Weg ihn den Job gekostet hat - wie im April dieses Jahres, als sie beim VfB Stuttgart beschlossen, den Rest des Weges ohne Labbadia zu bestreiten.

An Labbadias Stelle übernahm Sebastian Hoeneß den damaligen Tabellenletzten - ein Trainer, der schon vor Labbadia beim VfB im Gespräch gewesen war. Aber im Klub kamen sie damals zu dem Schluss, dass Labbadia doch die sichere Lösung wäre.

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Ein gutes Jahr später stand der Stuttgarter Erfolgstrainer Sebastian Hoeneß nach einem 1:1 gegen den Tabellenführer Bayer Leverkusen vor den Kameras und empfand ein maximal bittersüßes Vergnügen dabei, Recht gehabt zu haben. Auch die Prognosen des gegnerischen Trainers, Xabi Alonso, hatten sich als richtig erwiesen, und auch er wusste nicht so genau, ob ihm diese Erkenntnis als Tagesertrag genügen sollte.

"Meine Spieler sitzen enttäuscht in der Kabine, und ich glaube, ich finde das gut", sagt Sebastian Hoeneß

Der VfB sei "eine der besten Mannschaften der Liga", hatte Alonso während der Woche immer wieder gesagt, und auch Sebastian Hoeneß war vor dem Aufeinandertreffen beider Teams tagelang damit beschäftigt gewesen, den Gegner zu rühmen und zu preisen. Herauskam ein Spiel, in dem die erste Halbzeit zur Illustrierung der Alonso-These diente (VfB = größter Herausforderer), während die zweite Halbzeit das Hoeneß-Gutachten ins Bild setzte (Leverkusen = kleines Manchester City). Gemäß der Arithmetik des Fußballs bedeutete dies, dass beide Teams am Ende je einen Punkt für die Tabelle gutgeschrieben bekamen.

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"Meine Spieler sitzen enttäuscht in der Kabine, und ich glaube, ich finde das gut", sagte Hoeneß später mit einem kleinen Schmunzeln. Kaum ein Satz hätte die kuriose, furiose Entwicklung des VfB besser beschreiben können als dieser. Dem Abstiegskandidaten vom April ist es einerseits noch ein bisschen unangenehm, wenn er sich plötzlich anmaßt, die ungeschlagenen Leverkusener zu besiegen. Andererseits: Hätte man zur Halbzeit nicht schon 3:0 führen können? Chris Führichs Führungstor (40.) war zu diesem Zeitpunkt heftig verdient und in seiner Entstehung fast schon frech - mit klaren, direkten Pässen ging es übers Zentrum hinaus auf den rechten Flügel, von wo der Außenverteidiger Josha Vagnoman dann wiederum Führich im Zentrum bediente.

Ein Angriff, der doppelt originell war: Er zeigte, dass es auch Torjägertore geben kann, die gar nicht von den Torjägern erzielt werden - aber Leverkusens Verteidiger Odilon Kossounou war so hin- und hergerissen von einem naheliegenden Gewissenskonflikt (Lücke schließen oder doch Torjäger Serhou Guirassy bewachen?), dass Führich am Ende enorm freistand. Aber vor allem war es ein Angriff, wie ihn sonst Leverkusen spielt. Und wie ihn Leverkusen kurz nach der Pause dann auch spielte: Granit Xhaka, Victor Boniface, Florian Wirtz, das ging von innen nach außen nach innen und zu schnell für den VfB (1:1, 47. Minute).

Sind diese Spieler schon immer so gut - oder ist es das Werk ihrer Trainer?

Am Ende waren sich sowohl parteiische als auch unparteiische Beobachter einig in ihrem Urteil, ein sogenanntes Spitzenspiel gesehen zu haben. Und wer sich fragte, warum so eine Partie auch ohne Beteiligung des FC Bayern oder von Borussia Dortmund zustandekommen kann, der landete bei der überwölbenden Erkenntnis dieses Abends: Das Spitzenspiel war auch ein Spitzentrainerspiel. Leverkusen und der VfB sind im Moment die Trainermannschaften der Liga.

An beiden Teams lässt sich erkennen, wie sehr ein passender Trainer selbst Experten in Verwirrung stürzen kann. Man muss sich ja zum Beispiel sehr ernsthaft fragen, ob die beiden Linksverteidiger Alejandro Grimaldo (Leverkusen) und Maximilian Mittelstädt (Stuttgart) schon immer so gut waren und nur umständehalber an der Präsentation ihrer Qualitäten gehindert wurden - oder ob es nicht diese beiden Trainer sind, die diese Spieler endlich in den richtigen Zusammenhang stellen und so deren Vorzüge erst zum Leuchten bringen.

Auch die Trainer Alonso und Hoeneß werden längst von anderen Klubs beobachtet

Wenn man es mal ein bisschen überhöht sagen möchte, dann sind Xabi Alonso und Sebastian Hoeneß eine gute Nachricht für den deutschen Fußballbetrieb, in dem viele renommierte Trainer (Hansi Flick, Julian Nagelsmann, Thomas Tuchel) zuletzt mit innenpolitischen Turbulenzen, den eigenen komplexen Ansprüchen sowie einer ebenfalls komplexen Spielergeneration zu kämpfen hatten und haben. Wie prägend ein Trainer sein kann, das rufen nun die Standorte Leverkusen und Stuttgart wieder eindrucksvoll in Erinnerung, mit womöglich etwas weniger komplexen Spielern. Und das ist ja das Charmante an diesen beiden Geschichten: In Leverkusen und Stuttgart haben Trainer und Spieler gemeinsam noch etwas zu gewinnen. Alonso und Hoeneß sind als Trainer noch neu auf diesem Niveau, sie wachsen mit und an ihren Mannschaften.

Allerdings sollte man sich nicht darauf verlassen, dass der Fußball, dieses unromantische Biest, den Beteiligten genügend Zeit gibt, um gemeinsam noch größer zu werden. In Leverkusen und Stuttgart werden nicht nur einige Spieler von anderen Klubs umworben; auch die beiden Trainer stehen längst unter Beobachtung. Vor allem in Stuttgart wissen sie sehr genau, dass ihnen irgendwann auch wieder ein brutal schwerer Weg bevorstehen könnte.

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