Vertragsverlängerung von Löw:Symbolpolitisch sinnvoll

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Joachim Löws neuer Vertrag ist mehr als ein Kontrakt. Er ist eine wichtige Geste des Verbands an den Bundestrainer - und an seine Kritiker, die ihm vorwerfen, dass er noch keinen großen Titel gewonnen hat.

Ein Kommentar von Boris Herrmann

Joachim Löw hat einen neuen Vertrag bis 2016 unterschrieben. Das muss nicht heißen, dass er bis 2016 Bundestrainer bleibt. Natürlich nicht. Es wird alleine auf brasilianischem Rasen entschieden, wie lange dieses Papier seine Gültigkeit behält.

"Normalerweise hätten wir nicht einmal einen Vertrag gebraucht": Joachim Löw (Foto: dpa)

Der neue Kontrakt ist im Grunde kein Kontrakt, sondern eine unverbindliche Absichtserklärung. Eine Geste. Niemand hat das bislang klarer formuliert als Löw selbst. Bei der feierlichen Vertragszeremonie in der Frankfurter DFB-Zentrale sagte er: "Normalerweise hätten wir nicht einmal einen Vertrag gebraucht." War es also Symbolpolitik, was vonstatten ging? Vielleicht. War es deshalb überflüssig? Keineswegs.

Man muss sich nur mal eben vorstellen, was in Fußballdeutschland los wäre, wenn es diese Geste nicht gegeben hätte. Wobei, man muss sich das gar nicht vorstellen. Man kann auch einfach nach- lesen, was vor und während der WM 2010 los war, als Löw und der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger eine mehrteilige Vertrags-Komödie aufführten. Zwanzigers Nachfolger Wolfgang Niersbach tut gut daran, dass er diesmal lieber auf schnöde Symbolpolitik setzt.

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André Schürrle rattert los, als sei er motorisiert. Mario Götze erinnert die Zuschauer daran, was für ein guter Fußballer Mario Götze ist. Philipp Lahm wähnt sich bei einem A-Jugend-Freundschaftskick in Dießen am Ammersee. Die deutsche Nationalmannschaft beim 5:3 gegen Schweden in der Einzelkritik.

Von Thomas Hummel, Stockholm

Ein Symbol muss ja nichts Schlechtes sein - so lange es für eine gute Sache steht. Bei aller berechtigten Kritik an einzelnen Halbfinal-Aufstellungen: Das Schlechteste, was man bislang über die Ära Löw sagen kann, ist zweifellos, dass sie noch keinen Titel hervorgebracht hat. Das mag beklagenswert sein, es wäre aber nicht nur unfair, sondern geradezu weltfremd, wenn man es zur Erfolgsbemessungsgrenze von Löws Arbeit machte.

Man muss von einem Bundestrainer erwarten können, dass er aus einer begnadeten Spielergeneration ein funktionierendes Team baut und dass er offensichtliche Mängel, etwa im Defensivspiel, bis zum Turnierstart korrigiert. Man kann von einem Bundestrainer sogar erwarten, dass dieses Team in Brasilien weltmeisterlich auftritt. Man kann deshalb aber keineswegs erwarten, dass es automatisch Weltmeister wird. Das wäre nicht nur arrogant gegenüber 31 Konkurrenten, das wäre auch naiv angesichts eines Spiels, das nicht zuletzt auf kleinen, schmutzigen Zufällen basiert.

Pokale verstauben in einer Vitrine

Am vergangenen Dienstag haben sich mehr als 11,5 Millionen Deutsche ein DFB-Länderspiel gegen Schweden angesehen, bei dem es um nichts ging. Trotzdem würde man wohl keine zehn Deutsche finden, die vor dem Schlusspfiff gelangweilt weitergezappt haben. Das wiederum ist Ausdruck einer Entwicklung, die niemand ernsthaft erwarten konnte, als Löw sein Amt antrat. Sollte im Sommer 2016 tatsächlich eine Jogi-Dekade ohne Titel zu Ende gehen, dann wären diese zehn Jahre allemal unterhaltsamer gewesen als die zehn Jahre davor. Für Spektakel gibt es keine Pokale, aber Spektakel bleiben in Erinnerung. Pokale verstauben in einer Vitrine in Frankfurt.

Die deutsche Fußballnation, die sich so viel auf ihre Heim-WM 2006 einbildet, scheint die zentrale Erkenntnis aus jenen lauen Sommernächten vergessen zu haben: Fußball kann auch Spaß machen, wenn am Ende andere gewinnen.

© SZ vom 19.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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