USA nach der Fußball-WM:"Coach Vlatko" macht Schluss

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Ausgeschieden im Elfmeterschießen: Trainer Vlatko Andonovski tröstet Crystal Dunn and Megan Rapinoe. (Foto: Asanka Brendon Ratnayake/Reuters)

Beliebt, aber erfolglos: Wie erwartet tritt Vlatko Andonovski als US-Nationaltrainer zurück. Sein Scheitern ist auch das Scheitern des alten US-amerikanischen Weges. Die einst dominierende Nation muss sich neu orientieren.

Von Felix Haselsteiner

Dass sein Amt größer war als er selbst, war Vlatko Andonovski immer bewusst. "Egoistisch" sei es, jetzt an sich selbst zu denken, hatte der Trainer der USA nach dem Scheitern seines Teams im Achtelfinale gegen Schweden gesagt, "wenn wir doch 20-Jährige haben, die da jetzt durchmüssen". Die erste Phase der Bewältigung des Traumas gestaltete Andonovski daher noch selbst, erst dann entschied er über sein eigenes Schicksal: Am Donnerstag reichte er beim US-Verband seinen Rücktritt ein.

Es ist das Ende einer vierjährigen Amtszeit, in der Andonovski die sportlichen Erwartungen nicht erfüllen konnte. Trotz einer Phase von 16 gewonnenen Spielen in Serie nach seinem Antritt scheiterte er daran, die erwartete Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio zu holen - und nun auch daran, den dritten WM-Titel nach 2015 und 2019 in die USA zu holen. Stattdessen stand nach dem Achtelfinal-Aus in einem denkwürdig knappen Elfmeterschießen die enttäuschende Bilanz von nur vier Toren in der Gruppenphase und nur einem Sieg, zum Auftakt gegen das kleine Vietnam.

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Dass Andonovski nach dem Turnier kaum sein Amt behalten durfte, war daher zu erwarten - wenngleich es Argumente für ihn gab. Kein schlechtes Wort hört man über den 46-Jährigen gebürtigen Mazedonier, der gerade mit seiner Frau die US-Staatsbürgerschaft erhalten hat und dem eines immer besonders wichtig war: sein Verhältnis zu den Spielerinnen. "Coach Vlatko", wie er hieß, war ein stetig wachsamer Moderator auf Pressekonferenzen, Kritik an seinem Kader ließ er selbst nach dem Beinahe-Vorrunden-Aus gegen Portugal nicht zu, seine schützende, selbstlose Aussage nach dem Spiel gegen Schweden steht für seine gesamte Amtszeit: Andonovski wusste immer, dass er nicht den gleichen Status hatte wie seine ikonische Vorgängerin Jill Ellis, er verlangte ihn auch gar nicht erst.

Die Nachfolge ist offen - gesucht wird womöglich eine internationale Lösung

Sein Scheitern ist allerdings auch das Scheitern des amerikanischen Wegs: Andonovski kam als erfolgreicher Trainer aus der nationalen Frauenfußball-Liga NWSL, er sollte im Nationalteam die Prinzipien der Liga durchsetzen und damit einen Fußball, der weniger auf taktischer Brillanz basiert als vielmehr auf dem Hurra-Prinzip aus Selbstglaube, Physis und individueller Qualität. Das reicht bei einer Weltmeisterschaft allerdings nicht mehr aus, wie man an den Finalistinnen aus Spanien und England sieht: Wer erfolgreich sein will, braucht ein präziseres, taktisches Konzept als noch 2015 und 2019.

Die längerfristige Antwort auf die Nachfolgefrage dürfte daher vermutlich auf einem anderen Kontinent liegen. Die USA, so hört man, wollen groß denken und mit einem jungen, attraktiven Team locken, das den Status als Titelfavorit schon im nächsten Jahr, bei Olympia in Paris, wieder einnehmen wird - viel Zeit bleibt also nicht. Der Name von Australiens Trainer Tony Gustavsson fiel zuletzt ebenso wie der der offensichtlich besten Trainerin der Welt, der Niederländerin Sarina Wiegman, die mit England am Sonntag ihren zweiten großen Titel nacheinander holen könnte.

Kurzfristig übernimmt bei den USA nun Assistenztrainerin Twina Kilgore, sie soll das Team bei den zwei Testspielen gegen Südafrika im September betreuen. Andonovski soll laut The Athletic bereits zahlreiche Angebote von Nationalteams und Vereinen vorliegen haben, seine Qualitäten werden weiterhin geschätzt - auch wenn sie nicht ausreichten, um das US-Traineramt erfolgreich auszufüllen.

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