FC Chelsea:"Er braucht einfach Zutrauen und ein Lächeln"

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Erstes Spiel als Trainer der Blues: Thomas Tuchel (r.) nach der Partie mit Jorginho. (Foto: Neil Hall/Reuters)

Nach der torlosen Trainerpremiere beim FC Chelsea begründet Thomas Tuchel seinen Verzicht auf den deutschen Nationalstürmer Timo Werner.

Von Sven Haist

Auf blaue Schminke hatte Thomas Tuchel verzichtet. Vermutlich das einzige Detail, das dem neuen Trainer des FC Chelsea fehlte, um das erste Pflichtspiel an der Stamford Bridge in voller Vereinsmontur zu bestreiten. Als habe sich Tuchel im Klub-Fanshop mit so vielen Produkten wie möglich ausstatten lassen, coachte er das Ligaspiel gegen die Wolverhampton Wanderers am Mittwochabend im Trainingsanzug des Vereins, mit Regenjacke, Schal und Mütze als Accessoires: alles in blau gehalten, wie es sich für die Blues gehört, bedruckt mit Klubemblem und den Initialen "TT" für Thomas Tuchel.

In jedem Interview, ob vor oder nach dem Spiel, schwang die Freude über seine Tätigkeit in der Premier League mit. Sein erster Auftritt wirkte, als habe er mit dem zunächst bis 2022 fixierten Engagement in London einen Kuraufenthalt angetreten nach den strapaziösen zweieinhalb Jahren bei Paris Saint-Germain, die in der Entlassung an Heiligabend an einem Tiefpunkt angelangt waren. Tuchels Dauergrinsen im leeren Chelsea-Stadion hat sogar das Nullnull zum Einstand überstrahlt.

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Thomas Tuchel steht kurz vor dem Engagement bei Chelsea. Den deutschen Trainer erwartet ein Kader, der auf ihn zugeschnitten sein könnte - mit drei Landsleuten, die ihre Rolle suchen.

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Der erste Eindruck lässt darauf schließen, dass die Begeisterung des 47-Jährigen der Mannschaft eine Leichtigkeit vermitteln könnte, die unter seinem Vorgänger Frank Lampard nicht mehr vorhanden war. Von der Last der fünf Niederlagen in acht Ligaspielen war wenig zu spüren, Chelsea agierte dynamisch und drückend überlegen: 820 Pässe und 78,9 Prozent Ballbesitz, Bestwerte für einen Trainer beim Debüt in der Premier League seit 17 Jahren - nur das Siegtor fiel nicht. Dem Torerfolg am nächsten kam der Deutsche Kai Havertz mit einem Kopfball in der Schlussminute, der auf der Torlinie geklärt wurde.

Die Meisterschaft? "Oh, die ist weit weg. Wir müssen realistisch sein!", sagt Tuchel

Durch das 0:0 verbleibt Chelsea auf dem achten Platz, elf Punkte hinter Tabellenführer Manchester City. "Ich hatte nicht erwartet, dass wir nach einem Training und zwei Treffen schon auf diesem Level sind", sagte Tuchel. Er habe jedem in der Kabine mitgeteilt, dass es keinen Platz gebe für Enttäuschung und Zweifel. Im Gegenteil, er sei "sehr glücklich" über die Leistung. Und der Titel? "Woah, der ist weit weg. Wir müssen realistisch sein!"

Für die beste Szene der Partie hatte er selbst vor Spielbeginn gesorgt. Bei der Positionierung auf dem Platz wies Tuchel seine Profis an, sich so aufzustellen, dass die Formation auf ein gewöhnliches 4-3-3 hindeute - so wurde es auch interpretiert, als der Spielberichtsbogen erschien. Die falsche Fährte hatte er zuvor am Mikrofon des Bezahlsenders BT Sport noch verstärkt, indem er einer diesbezüglichen Frage vergnügt zustimmte. Mit Spielbeginn lüftete sich das Geheimnis - und siehe da: Das angebliche 4-3-3 entpuppte sich als ein 3-4-2-1, mit überbesetztem Mittelfeld und jeweils nur einem Außenbahnspieler.

Die Wahl der Startelf war die kniffligste Aufgabe, die Tuchel bei seiner Premiere zu lösen hatte. Im Gegensatz zu Lampard, der am Saisonanfang die etablierten Spieler nicht berücksichtigte (und erst auf sie baute, als es zu spät war), stärkte Tuchel die Hierarchie im Kader, indem er auf die einflussreichsten Spieler setzte.

Tuchel wählt "die unfairste Startelf"

Neben dem unter Lampard zurückgestuften Spielführer Cesar Azpilicueta vertraute er in der Abwehr den gestandenen Kräften Thiago Silva und Antonio Rüdiger, im Mittelfeld dem Vizekapitän Jorginho und ganz vorne dem französischen Weltmeister Olivier Giroud. Hinter ihm durften sich die Spielmacher Hakim Ziyech und Kai Havertz austoben. "Wir stehen nicht da, wo wir hingehören. Die Erwartungen sind groß, die Anspannung ist hoch. Deshalb haben wir uns für mehr Erfahrung entschieden", erklärte Tuchel.

Seine Wahl schätzte er als "die unfairste Startelf" ein, die er je gemacht habe, weil nach nur einer Übungseinheit kein Grund existiere, einen Spieler nicht zu nominieren. Vermutlich um Spekulationen über eine Bevorzugung seiner Landsleute entgegenzuwirken, berief Tuchel nur Rüdiger und Havertz in die Startelf - für Nationalstürmer Timo Werner war kein Platz. Stattdessen spielten im Angriff Giroud und später der eingewechselte Tammy Abraham.

Die Maßnahme ließ sich auch damit begründen, dass Werner seine Explosivität nur bedingt hätte ausspielen können, weil Wolverhampton sich fast durchgehend am Strafraum verbarrikadierte. Am Tag danach hielt Tuchel ein Kurzreferat zur Psyche von Timo Werner, der elf Spiele in Serie nicht getroffen hat: Er brauche "jetzt einfach viel Zuspruch. Er braucht auch einfach Zutrauen und ein Lächeln".

In Englands Presse wurde die Verpflichtung Tuchels kritisch begleitet, was weniger an Vorbehalten als an Stilfragen im Umgang mit seinem Vorgänger lag. Lampard ist Chelseas Rekordtorschütze, er unterhält gute Kontakte zu den Experten auf der Insel. Am deutlichsten äußerte sich Harry Redknapp, früher Trainer bei Tottenham: "Wer sagt, dass Tuchel ein großartiger Trainer ist? Titelgewinne mit PSG in Frankreich machen einen noch nicht zu einem großartigen Trainer." Redknapp, 73, ist Lampards Onkel.

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