FC Chelsea im FA-Cup-Finale:Tuchels bemerkenswerter Kickstart

FA Cup Semi Final - Chelsea v Manchester City

Thomas Tuchel hat es erneut geschafft: Gegen Guardiolas Manchester City gewann der FC Chelsea 1:0.

(Foto: Adam Davy/Reuters)

Mourinho, Ancelotti, Klopp und jetzt auch noch Guardiola: Der deutsche Trainer besiegt sie alle. England huldigt nach Chelseas Einzug ins Cup-Finale dessen Gespür.

Von Sven Haist, London

In der bis 1872 zurückreichenden Geschichte des Football Association Challenge Cup haben erst acht Länder den jeweils siegreichen Vereinstrainer gestellt. Als erster nicht aus dem Vereinigten Königreich stammender Coach gewann der Niederländer Ruud Gullit mit dem FC Chelsea vor 24 Jahren den weltweit ältesten Klubwettbewerb des Fußballs.

Auf Gullit folgten Kollegen aus Frankreich, Italien, Spanien und Portugal, nachdem zuvor fast nur englische und schottische Trainer den prestigeträchtigen Pokal unter sich ausspielten. Bloß dem Nordiren Terry Neill gelang es mit dem FC Arsenal 1979, die Dominanz einmal zu durchbrechen. Diesem kleinen Kreis an Nationen könnte demnächst Deutschland angehören, falls sich Thomas Tuchel mit dem FC Chelsea die Trophäe sichert.

Tuchel sagt, er sei "sehr, sehr stolz" auf sein Team

Durch das 1:0 über Manchester City am Samstag hat Chelsea zum vierten Mal in fünf Jahren das Finale im FA Cup erreicht; Gegner wird Leicester City sein, das am Sonntag 1:0 gegen den FC Southampton gewann. Erfolgreich war Chelsea bisher nur 2018 gegen Manchester United; die Endspielteilnahmen 2017 und 2020 gingen jeweils gegen den Stadtrivalen FC Arsenal verloren.

Die Chance auf den Pokalsieg ist für Tuchel der Lohn seines bemerkenswerten Kickstarts in London. Die BBC sieht in ihm aktuell den "Main Man" - den Hauptdarsteller. Der Trainerwechsel im Januar nach der Beurlaubung des Vereinsidols Frank Lampard sowie das Weiterkommen im FA Cup und in der Champions League (im Halbfinale geht es gegen Real Madrid) weisen signifikante Parallelen zur Saison 2011/2012 auf. Damals entließ Klubchef Roman Abramowitsch im März den hoch gehandelten Trainer André Villas-Boas - und beförderte dessen Assistenten Roberto Di Matteo zum Chefcoach, der den Verein direkt zum Sieg in beiden Pokalwettbewerben führte.

Während der Aufholjagd in der Premier League, bei der Chelsea mit einem Sieg über Brighton am Dienstag auf den dritten Platz vorpreschen könnte, gelangen Tuchel Erfolge gegen alle seine berühmten Kollegen: José Mourinho (Tottenham), Jürgen Klopp (Liverpool) und Carlo Ancelotti (Everton). Nun feierte er seinen Premierensieg über Pep Guardiola. Mit seinen früheren Klubs Mainz und Dortmund hatte es für Tuchel in fünf Anläufen jeweils gegen Guardiolas FC Bayern nur zu einem Unentschieden gereicht; unter anderem musste er sich mit Dortmund im Pokalfinale 2016 im Elfmeterschießen geschlagen geben.

Beim Duell mit Manchester City attestierte ihm das Massenblatt Sun in einem Wortspiel mit seinem Namen einen "golden Tuch" - ein goldenes Händchen. Taktisch kopierte Tuchel sein Vorgehen aus dem Spiel in Liverpool. In Erwartung einer kaum zurückweichenden City-Abwehr bot er den schnellen deutschen Nationalspieler Timo Werner als Spitze auf, flankiert von den formidablen Zulieferern Mason Mount und Hakim Ziyech. Das Ergebnis war ein Angriff, der in jedes Nachschlagewerk gehört: sechs Stationen, neun Ballkontakte, einmal längs übers Spielfeld, Tor. Die Ballzirkulation in der eigenen Hälfte über Silva, Chilwell und Jorginho lockte City aus der Verteidigung, den daraus entstandenen Freiraum in der gegnerischen Hälfte nutzten Mount, Vorlagengeber Werner und Torschütze Ziyech (55.).

Der Guardian lobte, Chelsea habe das Tempo von Werner wie "einen Degen" verwendet. Mit zehn Treffern und neun Vorlagen hat der auf der Insel oft kritisierte Werner die meisten Torbeteiligungen im Team, er wartet aber auch seit Mitte Februar auf ein eigenes Tor. Zuletzt nahm ihn Tuchel aus der Anfangself, nun berief er ihn wieder.

Tuchels gelungenes Personalmanagement trieb Guardiola in die Enge, der sich für 27 Änderungen seiner Startelf in vier Partien rechtfertigen musste, darunter acht Wechsel im Vergleich zum Viertelfinalsieg am Mittwoch in der Champions League. Der Vorwurf: Guardiola würde den traditionsreichen FA Cup nicht respektieren. "Glauben Sie, dass wir dem Spiel keine Aufmerksamkeit geschenkt haben?", echauffierte er sich. Ein "schlechtes Argument" sei das, schimpfte Guardiola: "Sagen Sie sowas nicht nach dem Spiel, nur weil wir verloren haben, sondern vorher. Sagen Sie lieber, dass wir schlecht gespielt haben!"

Aufgrund des eng getakteten Terminplans musste City in bislang 24 Wochen 51 Pflichtspiele bestreiten, quasi jeden dritten Tag eins. Bloß nach Weihnachten hatte das Team einmal sieben Tage frei - wegen einer Corona-Quarantäne. Als noch größeres Ärgernis für Guardiola könnte sich die verletzungsbedingte Auswechslung von Kevin De Bruyne erweisen, der über Schmerzen im rechten Sprunggelenk klagte. Es sehe "nicht gut" aus, teilte Guardiola kurz mit; eine genauere Diagnose steht noch aus. Vor dem Europapokal-Halbfinale bei Paris Saint-Germain in anderthalb Wochen bekommt es der Tabellenführer der Premier League mit Aston Villa (Mittwoch) zu tun und danach mit Tottenham im Finale des League Cup (Sonntag).

Durch das Aus im FA Cup hat sich für Manchester City das Ziel erledigt, einen in England nie da gewesenen "clean sweep" hinzulegen, einen Durchmarsch mit vier Titeln in einer Saison. Die Times schrieb dazu erbarmungslos: "Kein Quadrupel, keine Chance auf Geschichte." Die könnte jetzt Thomas Tuchel schreiben.

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