FC Chelsea in der Champions League:Als hätte Mourinho mitgecoacht

FC Porto v Chelsea FC  - UEFA Champions League Quarter Final 3: Leg One

Thomas Tuchel erlebt einen insgesamt guten Start beim FC Chelsea.

(Foto: Fran Santiago/Getty Images)

Dank der von Thomas Tuchel verordneten taktischen Disziplin ist Chelsea wieder ein Anwärter aufs Finale der Königsklasse. Beim 2:0 gegen Porto tut sich vor allem Mason Mount hervor - der Rest des Teams erinnert an alte Zeiten.

Von Sven Haist, London

Lange Zeit musste José Mourinho auf seinen Auftritt warten, bis er im Nachgang des Spiels seiner ehemaligen Klubs FC Porto und FC Chelsea in der Champions League endlich auf dem übertragenden Bezahlsender BT Sport auf Sendung ging. Nicht wie gewohnt als Trainer oder Experte, sondern diesmal als Hauptdarsteller eines Werbespots für einen Buchmacher. So ganz kommt ein Europapokalabend eben doch nicht ohne Mourinho aus (der in dieser Saison mit Tottenham seit dem Achtelfinal-Aus in der Europa League keine Rolle mehr spielt).

Und das ist in diesem Fall auch gut so, denn Mourinho wollte man dann schon hören und sehen, wenn sich Porto und Chelsea messen. Mehr als jeder andere Trainer hat er die Klubs jeweils während seinen früheren Amtszeiten geprägt - und so wirkte dieses ereignisarme, fast langweilige Aufeinandertreffen im Viertelfinal-Hinspiel wie eine anderthalbstündige Hommage an ihn. Als hätte Mourinho die Partie für beide Seiten gecoacht und dabei Chelsea gewinnen lassen, auf für ihn typische Art mit einer Einzelaktion und einem krassen Fehler des Gegners.

Chelseas kaum gefährdetes 2:0 über Porto bekräftigte die Annahme vor dem Spiel, dass die Londoner der Insidertipp fürs Finale in diesem Wettbewerb sind. Und dass der portugiesische Meister das vermeintlich einfachste Los in dieser Runde ist - sogar der Gegner, den jeder haben wollte, wie sich die Fachblätter auf der Insel nach der Auslosung einig waren.

In der Abwehr geht es Tuchel vor allem um Verlässlichkeit, Vertrauen und Mut

In zehn Wochen hat Thomas Tuchel als nachfolgender Trainer des entlassenen Klubidols Frank Lampard sein Team für jeden Konkurrenten nur schwer bespielbar gemacht. In 13 der 16 Pflichtspiele unter Tuchel blieb Chelsea ohne Gegentor, die beeindruckende taktische Disziplin sorgt für Stabilität und Kontrolle. Der Guardian fühlt sich bereits an die Saison 2004/2005 erinnert, als Chelsea in Mourinhos erster Spielzeit in London mit lediglich 15 Gegentoren die Premier League gewann. Und das Sportportal The Athletic sieht "in der hartnäckigen Verteidigung" beim bisher einzigen Champions-League-Sieg 2012 der Blues den "Blueprint", die Blaupause, für einen erneuten Erfolg.

In der Abwehr gehe es vorwiegend um "Verlässlichkeit, Vertrauen und Mut", erklärte Tuchel kürzlich - und genau diese Eigenschaften lebt er seinen Spielern in der Zusammenarbeit vor: beständig in der Aufstellung, ehrlich im Umgang und konsequent bei Entscheidungen. Im Duell mit Porto verzichtete Tuchel in der Startelf auf Abwehrchef Thiago Silva, 36, der bei seinem ersten Einsatz nach zweimonatiger Verletzungspause am Samstag mit einem Platzverweis das 2:5 gegen West Bromwich in der Liga einleitete, Tuchels erste Niederlage mit Chelsea. Erst in der Schlussphase brachte er den Brasilianer, um mit dessen Erfahrung den Vorsprung zu verwalten.

Aus Lampards anderthalbjähriger Aufbauarbeit - in der er anfangs zwangsweise wegen einer Transfersperre des Klubs und dann zunehmend freiwillig vermehrt den Nachwuchsspielern aus der eigenen Akademie vertraute - empfehlen sich momentan nachhaltig die Außenspieler Reece James, 21, und Callum Hudson-Odoi, 20, sowie: der 22 Jahre alte Mason Mount.

Dem offensiven Mittelfeldspieler gelang vor zwei Jahren in der zweitklassigen Championship bei Derby County der Durchbruch. Damals lieh ihn Lampard auf seiner ersten Trainerstation bei Derby für eine Saison aus und etablierte ihn in der Folgespielzeit in Chelseas Profiteam. Als einziger Spieler blieb Mount stets von Lampards ständigen Personalrochaden verschont. In 37 von 38 Ligaspielen kam der englische Jungnationalspieler in der Vorsaison für Chelsea zum Einsatz. Sein enger Bezug zu Lampard, der ihn wie einen Ziehsohn zu behandeln schien, stempelte ihn auf der Insel wenig schmeichelhaft als "Lampards Sohn" ab.

Seit dem Trainerwechsel blüht Mason Mount auf

Die vermeintliche Bevorzugung widerlegte Mount nun in den zurückliegenden Wochen, indem er seinen Stammplatz auch unter Tuchel behaupten konnte und aktuell der auffälligste Profi im Kader ist. Mit einer technisch anspruchsvollen Aktion, bei der Ballannahme und Ballmitnahme zu einer Bewegung verschmolzen, erzielte er gegen Porto die Führung (32.). Seit dem Trainerwechsel ist er mit fünf Treffern der beste Torschütze. Später legte Ben Chilwell zum Endstand nach (85.).

In der gegenwärtigen Formation kommt Mount eine Schlüsselaufgabe zu. Auf dem Weg nach vorne agiert er als einer von zwei Spielmachern leicht zurückgesetzt hinter einem Stürmer, um mit seinen Ideen die Angriffe aufzuwerten. Bei Ballverlust lässt sich Mount dann auf Höhe der beiden defensiven Mittelfeldspieler fallen, um das Zentrum des Spielfelds für den Gegner unzugänglich zu machen. Auf ihm und den ähnlich auftrumpfenden Phil Foden (20/Manchester City) und Jude Bellingham (17/Borussia Dortmund) ruht die Hoffnung des englischen Nationalteams, den offenkundigen Mangel an strategisch begabtem Personal zeitnah zu beheben.

Durch sein Formhoch verschärft Mount bei Chelsea den Kontrast zu den kostspieligen deutschen Nationalspielern Timo Werner und Kai Havertz, die laut Tuchel gegen Porto jeweils "nicht ihren besten Tag" erwischt hätten. Beide befinden sich auf der Suche nach ihrem Können und wurden jeweils nach einer unauffälligen Partie in der 65. Minute ausgewechselt.

Angesichts des komfortablen Zwei-Tore-Vorsprungs steht Chelsea vor dem Rückspiel in einer Woche, das pandemiebedingt ebenso wie das Hinspiel in Sevilla stattfindet, fast schon im Halbfinale. Weil entweder Real Madrid oder der FC Liverpool als schlagbare Gegner warten würden, könnte Thomas Tuchel direkt schaffen, was seinem Vorfahren José Mourinho mit Chelsea nie gelingen wollte: das Erreichen des Finals in der Champions League.

Zur SZ-Startseite
Champions League - Quarter Final First Leg - FC Porto v Chelsea

Champions League
:Tuchels Engländer bezwingen Porto

Der FC Chelsea kann erstmals nach sieben Jahren wieder auf den Einzug ins Halbfinale hoffen. Beim 2:0 gegen Porto glänzen vor allem junge Profis von der Insel.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: