Streit beim TSV 1860 München:Rohe Weihnachten

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Kühle Dezemberstimmung: Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer (r.), hier bei der Vorstellung von Interimstrainer Frank Schmöller (l.). (Foto: Mladen Lackovic/Imago)

Im Zwist der Gesellschafter verzögert sich die Entscheidung über den neuen Sport-Geschäftsführer, einen Trainer gibt es auch noch nicht - und Geschäftsführer Pfeifer verschickt am ersten Feiertag eine konfliktträchtige Mitteilung.

Von Markus Schäflein

Am ersten Weihnachtsfeiertag eine Pressemitteilung zu veröffentlichen, ist schon ungewöhnlich genug. Noch ungewöhnlicher ist es, wenn es sich um eine Stellungnahme mit großem Konfliktpotenzial handelt. So geschehen, wo auch sonst, beim Fußball-Drittligisten TSV 1860 München. Die Profifußball-KGaA liegt ja im Zwist mit der Fußballabteilung des e.V. um die Fragen, wie viel Geld das Fußballunternehmen dem Nachwuchs zukommen lässt und inwieweit es für den brauchbaren Zustand der Trainingsplätze sorgt. Zurückzuführen ist diese Debatte, wie alles bei Sechzig, auf den Dauerstreit der Gesellschafter, des e.V. und der Vertreter von Investor Hasan Ismaik.

KGaA-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer hatte sich sehr über die Vorwürfe der e.V.-Fußballabteilung geärgert - so sehr offenbar, dass er die Stellungnahme mitten in die besinnlichen Weihnachtstage schickte. Auf der Homepage stehen nun unter dem Eintrag vom 22. Dezember ("Frohes Fest") die "Informationen zum Servicevertrag" vom 25. Dezember. In einem solchen Servicevertrag sollte geregelt sein, in welchem Umfang der Profifußball den Ausbildungsbetrieb des e.V. unterstützt.

TSV 1860 München
:Stiller Advent

Am Freitag hätten beim TSV 1860 München wichtige Debatten geführt werden sollen - doch ein Beiratsmitglied meldete sich krank. So bleibt der abstiegsbedrohte Drittligist vorerst weiter ohne Sportchef und ohne Trainer.

"Das Thema wurde zunächst im Aufsichtsrat, dem Kontrollgremium der (...) KGaA, thematisiert und eine Orientierung für die Verhandlungen durch die Geschäftsführung der KGaA vereinbart", heißt es dazu - der Aufsichtsrat wird von der Investorenseite dominiert. "Leider wichen die Vorstellungen der Abteilungsleitung Fußball im e.V. von diesem Angebot deutlich ab." Ob die Geschäftsführung die Vorstellungen der e.V.-Vertreter nun dem Aufsichtsrat zur Entscheidung vorlegen solle, sei "bis heute unbeantwortet, was aufgrund der Geschäftsordnung - beim Servicevertrag handelt es sich um ein zustimmungspflichtiges Geschäft - der Prozess jedoch vorsieht".

Was den Zustand der Trainingsplätze angeht, verweist Pfeifer darauf, dass die "Mehrnutzung, unter anderem auch durch die Löwen-Fußballschule" des e.V., dazu führe, "dass einige Mannschaften wetterunabhängig auf die Rasenplätze ausweichen und somit auch dort für eine Mehrbelastung sorgen". Dadurch zeigten sich die Plätze "in dem aktuell angeprangerten (...) Zustand".

Den Vorschlag der Fußballabteilung zu den Rasenplätzen findet Pfeifer "seltsam"

Pfeifer räumt ein, dass normalerweise ein Servicevertrag regeln sollte, in welchem Zustand die Plätze zu halten sind; den gibt es aber eben nicht. Es sei "im Interesse aller", eine Lösung zu finden. Den Vorschlag der Fußballabteilung findet er allerdings "seltsam" - weil "einerseits über zu wenige Mittel für den Jugendfußball geklagt wird, anderweitig aber gebetsmühlenartig erwähnt wird, dass bei einer Änderung von Rahmenbedingungen ausreichend Mittel in der Abteilung vorhanden wären, dass komplett neue Rasenplätze durch den e.V. problemlos selbst gestemmt werden". Dabei geht es um eine Änderung der Erbpachtregelung am Gelände, die die Plätze dem e.V. zuschreiben würde, was von der Investorenseite abgelehnt wird. Bei all dem Zwist betont die KGaA immerhin: "Der Fokus auf die Jugendarbeit steht bei der Profifußball-Firma nach wie vor im Fokus."

Das ist doch schon mal was, aber der Zwist um die Junglöwen und ihre Rahmenbedingungen ist ja nur ein kleiner Teil des großen Gesellschafterstreits, der den TSV 1860 auch vor den Feiertagen und währenddessen beschäftigte. Am 22. Dezember hätte eine Beiratssitzung stattfinden sollen, um darüber zu entscheiden, ob Christian Werner (früher Austria Lustenau) Sport-Geschäftsführer werden soll - so wünscht es sich e.V.-Präsident Robert Reisinger; Ismaik hingegen würde Werner gerne in einer rangniedrigeren Position als Sportdirektor unter Pfeifer sehen.

Die zwei Vertreter der Investorenseite fehlten bei der Beiratssitzung; einer unentschuldigt, der andere meldete sich - wer will es ihm bei dieser Stimmung verdenken - wegen kurzfristiger Übelkeit ab. Dies führt zu einer weiteren Verzögerung in der Personalie, auch wenn am Ende der Kette das e.V.-Präsidium Werner mittels 50+1 einsetzen könnte.

Dass er sich mit Antwerpen getroffen hätte, sei "frei erfunden", sagt Reisinger

Wenn schon nicht im Beirat debattiert wurde, dann wenigstens in der Öffentlichkeit: Der Kicker zitierte zunächst aus einem internen Schreiben vom 24. September, in dem Reisinger Werner die Eignung für den Job absprach und Pfeifer mitteilte: "Es braucht viel mehr als das von Hr. Dr. Werner vorgelegte Konzept." Reisinger rechtfertigte sich daraufhin beim e.V.-nahen Portal sechzger.de, die Ansicht im Präsidium habe sich nach weiteren Gesprächen mit Werner eben verändert: "Eine einmal getroffene Annahme zu revidieren, weil neue Erkenntnisse zur Beurteilung herangezogen wurden, ist kein Zeichen von Schwäche."

Und einen neuen Trainer nach der Entlassung von Maurizio Jacobacci und zwei Niederlagen unter Interimscoach Frank Schmöller hat der TSV 1860 auch noch nicht. Wie Sport1 vor Weihnachten zuerst berichtete, hat der frühere Löwenprofi Bernhard Trares abgesagt; als aussichtsreicher Kandidat gilt nun Marco Antwerpen (zuletzt in Kaiserslautern).

Wobei sechzigtypisch debattiert wird, ob, wann und wo Antwerpen mit Präsident Reisinger gesprochen hat und ob er mithin als Kandidat des e.V. zu bewerten sei. Reisinger teilte mit, die "erhobene Behauptung, ich hätte mich mit Marco Antwerpen (oder seinem Management) getroffen", sei "frei erfunden". Dann wünschte er frohe Weihnachten.

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