Der Machtkampf zwischen den beiden Gesellschaftern, der Vereinsseite (e.V.) und Investor Hasan Ismaik, hat beim Fußball-Drittligisten TSV 1860 München eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Wohl auch mit Blick auf die Verwaltungsratswahlen im kommenden Jahr, bei denen die Mitglieder über die künftige Ausrichtung der e.V.-Politik entscheiden, klagte Ismaik in der Sport Bild: "Die Verantwortlichen des e.V. scheinen mir im Moment blind zu sein vor Hass auf alles, was nicht nach der Pfeife ihres Präsidenten tanzt. Diese wenigen Leute (...) sind wie Geisterfahrer, die sich als Retter der Seele des TSV 1860 feiern, aber dabei den Verein zerstören."
Den Grund sieht Ismaik offensichtlich in der Absicht, sportlichen Erfolg zu boykottieren: Der e.V. suche "immer neue und raffinierte Wege", einen Aufstieg in die zweite Liga zu verhindern, erklärte Ismaik. Dem liegt die im bizarren Löwenkosmos verbreitete These zugrunde, die Liebhaber des alten Grünwalder Stadions würden gerne in den sportlichen Niederungen verbleiben, um den Spielort nicht wechseln zu müssen.
Der Investor äußerte sich entsprechend kritisch zur bevorstehenden Einstellung von Christian Werner als Sport-Geschäftsführer auf Betreiben des e.V.: "Ich hätte es besser gefunden, wenn der Rest dieser Saison genutzt worden wäre, um Werners Leistung als Sportdirektor zu beurteilen und dann zu entscheiden, ob er befördert werden kann." Das e.V.-Präsidium um Robert Reisinger hatte Werner, der von Finanz-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer vorgeschlagen worden war, zunächst als Sportdirektor unter Pfeifer abgelehnt, sich dann aber für Werner als Sport-Geschäftsführer - auf einer Ebene neben Pfeifer - entschieden.
"Jetzt ist er sogar als Co-Geschäftsführer geeignet. Es ist dieses inkonsequente Verhalten, mit dem man nicht arbeiten kann", meinte Ismaik. Dabei ist die Personalie aus Sicht der e.V.-Vertreter im Machtgerangel mit der Investorenseite durchaus konsequent - soll die Position als Geschäftsführer doch den Einfluss von Ismaiks Vertretern auf sportliche Entscheidungen minimieren. Es habe aber "keine Zukunft, gegen den Willen eines der beiden Anteilseigner ernannt zu werden", erklärte Ismaik mit Blick auf Werner: "Niemand kann verlangen, dass der e.V. nach Lust und Laune Personal einstellt, und der Investor soll dann die Rechnung bezahlen."
Gegen die Darstellung, er habe "Scheinkandidaten" platziert, geht Reisinger juristisch vor
Zudem kritisierte Ismaik, dass der e.V. den Vertrag von Finanz-Geschäftsführer Pfeifer mittels der 50+1-Regelung zum Saisonende auslaufen lässt. "Die Nicht-Verlängerung mit Pfeifer ist die selbstherrliche Entscheidung eines Mannes, die auf persönlichen Animositäten beruht, weil er ertappt wurde", meinte er über Präsident Reisinger. Damit spielt Ismaik auf den Vorwurf an, Reisinger habe bei der Suche nach einem Sportdirektor sogenannte "Scheinkandidaten" platziert, um seinen Wunschkandidaten Horst Heldt durchzusetzen. Gegen diese Darstellung geht der Präsident juristisch vor.
Pfeifer habe sich "politisch neutral verhalten und beide Gesellschafter gleichbehandelt", erklärte Ismaik in dem Interview: "Leider scheinen der Präsident und der Verwaltungsrat des e.V. zu glauben, dass alles andere als offene Feindseligkeit gegenüber dem Investor und seinen Vertretern unhaltbar ist und bedeutet, dass die Person ein Handlanger des Investors sein muss."
Der Streit über Pfeifers Wirken hatte sich konkret an der Verpflichtung von Trainer Maurizio Jacobacci, Wunschkandidat der Investorenvertreter, entzündet - und an der folgenden Kaderplanung im Sommer ohne einen Sportchef und unter Mitwirkung von Ismaiks Münchner Statthaltern. Jacobacci wurde am Dienstag nach fünf Niederlagen aus den vergangenen sechs Spielen entlassen. Angestellte kommen und gehen eben bei 1860 - was bleibt, ist der erbitterte Zwist der Gesellschafter.